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Die Mutter starb nach einem schweren Verkehrsunfall: OhO-Spende bringt Bub aus St.Gallen etwas Geborgenheit

Die Geschwister Nihal D., Ariya D. und Emre kämpfen sich nach einem schweren Schicksalsschlag zurück in die Normalität. Mit der Unterstützung von «Ostschweiz hilft Ostschweiz» erhält der jüngste Bruder ein Stück Geborgenheit.
Von der OhO-Spende möchten die Geschwister Nihal D. und Ariya D. ihrem jüngeren Bruder Emre ein neues Bett kaufen. (Bild: Symbolbild: Getty)

Auf einer Kommode im Wohnzimmer stehen ein Engel, Kerzen, Familienfotos und ein vor Jahren überreichtes Muttertagsgeschenk. Der kleine Schrein erinnert an vergangene Tage und einen geliebten, verlorenen Menschen. Nihal D. (Name geändert), die älteste der drei Geschwister, zeigt auf ein Bett neben dem Sofa. «Da hat meine Mutter immer geschlafen, im Wohnzimmer, damit jeder von uns ein eigenes Zimmer hat und niemand das Zimmer teilen muss», sagt sie.

Seit dem Unfalltod ihrer Mutter vor drei Jahren leben die Schwestern Nihal D. und Ariya D. (Namen geändert) zu zweit in der ehemaligen Familienwohnung in St.Gallen. Nihal D. ist heute 19 Jahre alt, sie hat ihre Erstausbildung abgeschlossen und wird im Frühjahr eine Höhere Fachschule beginnen. Abends ist sie gerne zu Hause und schaut Filme. Ariya D. ist 17 Jahre alt und absolviert ein Praktikum. Bald beginnt sie eine Lehre. In ihrer Freizeit geht sie gerne ins Fussballstadion und feuert den FC St.Gallen an. Ihr kleiner Bruder Emre (Name geändert) ist ebenfalls Fussballfan: Er ist Stürmer in seinem Fussballverein. Seit dem Schicksalsschlag lebt der 13-Jährige in einer stationären Platzierung für Buben.

Eine Folge von Schicksalsschlägen

Die Eltern haben sich früh getrennt. Seither lebte die Mutter mit den drei Kindern in der Wohnung in St.Gallen. Sie gründete ihr eigenes kleines Cateringunternehmen und belieferte Kundinnen und Kunden mit selbstgemachten Backwaren. «Ihr Ziel war es, andere alleinerziehende Frauen zu unterstützen. Sie träumte von ihrem eigenen Café, wo Frauen zusammenarbeiten und sich austauschen können, weil sie wusste, wie schwer es als alleinerziehende Frau sein kann», sagt Nihal D. Obwohl ihr eigenes Leben sehr anspruchsvoll war - mit drei Kindern allein in einem fremden Land mit einer fremden Sprache - habe sie ihr Bestes gegeben, ihren Kindern eine normale Kindheit zu ermöglichen. Zu ihrem Vater haben die Geschwister kaum Kontakt.

Im November 2022 hatte die Mutter einen schweren Autounfall. Die damals 15-jährige Nihal D. hatte gerade ihre Lehre begonnen, Ariya D. war in der zweiten Oberstufe und Emre war in der dritten Klasse. Als die Mutter nach dem Unfall unerwartet in der Rehabilitationsklinik verstirbt, gerät die Welt der Geschwister vollständig aus den Fugen.

Noch im Trauerprozess müssen sie ihr Leben umstrukturieren. «Ich musste wie über Nacht die Mutterrolle übernehmen und mich vor allem um Emre, aber auch um Ariya kümmern», sagt die heute 19-jährige Nihal D. Von einem Tag auf den anderen sind die Geschwister auf sich allein gestellt. Trotz der eingerichteten Beistandschaft und Familienbegleitung, die die Geschwister unterstützten, mussten sie viel Verantwortung tragen und füreinander da sein. «Wir haben uns gegenseitig unterstützt, das machen wir bis heute. Wenn es jemandem nicht gut geht, kann er sich an die anderen Geschwister wenden», sagt sie. Das habe ihnen Kraft gegeben. «Ich weiss nicht, ob ich es allein geschafft hätte», sagt Nihal D.

Die beiden Schwestern bleiben in der gemeinsamen Familienwohnung. Notgedrungen lernen sie, ihren Alltag und den Haushalt selbstständig zu organisieren. «Das war extrem anspruchsvoll», sagt die Ältere. «Die letzten Jahre waren geprägt von Hochs und Tiefs. Manchmal ist es besser gelaufen und manchmal katastrophal. Oft war es wirklich schwierig, eine reine Achterbahnfahrt».

Emre kommt zunächst bei seinem Gotti und später in der Wohngruppe unter. «Wir durften zusammen in dieser Wohnung bleiben und Emre musste gehen. Er war im Trauerprozess, das war für ihn eine sehr schwierige Zeit», sagt Nihal D. Der Kontakt zu seinen beiden Schwestern sei bis heute von grosser emotionaler Bedeutung für ihn. Er besucht seine Schwestern regelmässig, jedes zweite Wochenende und in den Ferien.

Der Schicksalsschlag hat auch schwere finanzielle Folgen

Der schwere Schicksalsschlag hat für die drei Geschwister auch finanzielle Folgen. Das Ausbildungs- und Praktikumsgehalt fliessen fast vollständig in Versicherungen, Miete und Lebensmittel. Für zusätzliche Ausgaben, wie eine neue Winterjacke oder neue Schuhe reiche das Geld, trotz Ergänzungsleistungen und Halbwaisenrente oft nicht. Die Geschwister leben auf kleinem Fuss. An grössere Anschaffungen wie einen neuen Schrank oder ein neues Bett sei nicht zu denken.

Für die Renovierung von Emres Zimmer hat das Geld in den letzten drei Jahren keinesfalls gereicht. «Seit über einem Jahr sprechen wir jetzt schon davon, dass wir es umgestalten wollen», sagt Nihal D. Emres Zimmer ist bis heute sehr kindlich eingerichtet. «Es ist einfach nicht mehr zeitgemäss, Emre ist 2023 ausgezogen und er hat jetzt natürlich andere Bedürfnisse wie damals», sagt Nihal D. «An den Fenstern hängen noch Teddybärvorhänge» sagt die jüngere Schwester Ariya D.

«Wir würden ihm gerne ein neues Bett kaufen, mit integrierten Schubladen, in die er seine Kleidung versorgen kann, denn der Schrank, den er hat, ist schon sehr alt und kaputt», sagt Nihal D. «Wenn ich ein Bett habe, mit Schubladen, dann brauche ich keinen neuen Schrank, dann reicht mir ein Bett», sagt Emre.

OhO unterstützt mit einem Beitrag für ein Teenagerzimmer

Dank einer Spende von OhO können die Schwestern endlich Emres Zimmer umgestalten. Zu einem ganz persönlichen Rückzugsort, der seinem Alter und seinen Bedürfnissen entspricht. «Emre soll sich in dieser Wohnung wohlfühlen können. Er soll sein eigenes Zimmer haben, das ihm ein Gefühl von Zuhause, familiärer Normalität und Geborgenheit gibt», sagt Nihal D.

Für die Zukunft wünschen sich die Geschwister, dass sie immer selbstständiger werden und so wenig Unterstützung wie möglich benötigen. Sowohl im Haushalt als auch finanziell.

 
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