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Thema: Der Tod

Jeeves: «Ein Buch, das bleibt – auch wenn man selbst geht»

Vor mehr als zwei Jahren hatte Sonja Jeeves die Idee, ein Buch zu schreiben, das im Todesfall ein Wegweiser für Hinterbliebene darstellt. Nun hat sie ihr Projekt verwirklicht .
von Katarina Leovac
Sonja Jeeves
«Das Buch soll eine Hilfestellung für die Hinterbliebenen sein», sagt Sonja Jeeves (Bild: Nils Vollmar)
Interview mit Sonja Jeeves über ihr Buch "Ein persönlicher Wegweiser im Todesfall"
Interview mit Sonja Jeeves über ihr Buch "Ein persönlicher Wegweiser im Todesfall" (Bild: Nils Vollmar)

Wie sind sind dazu gekommen, einen persönlichen Wegweiser im Todesfall zusammenzustellen?

Sonja Jeeves: Das Projekt ist aus einer persönlichen Geschichte heraus entstanden. Ich habe vor einigen Jahren Kurse in Trauerbegleitung und Sterbebegleitung absolviert, die von der Hospizbewegung angeboten wurden. 2019 durfte ich dann ein Jahr lang eine Sterbebegleitung machen und habe gemerkt, dass ich mit dem Thema Tod und Krankheit sehr gut umgehen kann. Diese ganze Erfahrung und der Kontakt mit der Familie und der Trauer ist mir sehr nah gegangen, aber ich habe auch gelernt, dass ich die Situation gut bewältigen kann. Ich habe erlebt, wie die Familie teils ratlos war, wenn es um Fragen ging wie zum Beispiel «Was muss jetzt alles getan werden?» oder «Wo befinden sich die Geburtsurkunden und andere Dokumente der verstorbenen Person?» usw. Es gibt so viele Sachen, die man braucht, wenn jemand gestorben ist, und so ist dann die Idee entstanden, einen Wegweiser zu machen, den Menschen auf ­ihrem letzten Weg für ihre Hinterbliebenen erstellen können.

Das soll also eine Hilfe  für die hinterbliebenen Familienmitglieder sein?

Genau. Wenn ein geliebter Mensch diese Welt verlässt, hat man schon sehr viel mit den eigenen Emotionen und der Trauerbewältigung zu tun. Der Wegweiser soll in dieser Situation eine Hilfestellung sein. Aber auch als alleinerziehende Mutter habe ich mich gefragt, ob bei meinem eigenen Todesfall meine Kinder überhaupt wüssten, wo sie alles finden. Oder ob sie wissen, wie sie meine Freunde und Familie in Deutschland ­erreichen können. Das hat mich sehr beschäftigt, und daher habe ich angefangen zu recherchieren und mich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt.

Das Ziel ist es, mit dem Ordner ein kompaktes Vermächtnis für die Hinterbliebenen zu erstellen. 

Was haben Sie herausgefunden?

Meine Idee ist natürlich nicht neu. Es gibt unterschiedliche Organisationen, die Broschüren oder Hilfestellungen im Todesfall anbieten. Es gibt zum Beispiel einen Vorsorgeordner, den man beim Seniorenverbund erwerben kann. Mein Grundgedanke war, dass ich etwas Ähnliches machen möchte, das aber nur private Dinge enthält. Zum Beispiel meine Wünsche, die ich beim Sterben habe, oder wie ich bestattet werden möchte, wer sich um die Haustiere kümmern soll usw. Daraus ist dann ein Ringbuch entstanden oder besser gesagt ein Ringordner mit teils vorgefertigten Texten, die man selbst ergänzen kann. Es hat darin auch Platz für Fotos und Lebenserinnerungen, die man aufschreiben kann. Und auch ein kleiner Stammbaum ist darin enthalten, wo man die Familie, aber auch die Erbkrankheiten oder sons­tige Informationen eintragen kann. Das Ziel ist es, mit dem Ordner ein kompaktes Vermächtnis für die Hinterbliebenen zu erstellen, das über Generationen weitergereicht werden kann. Es geht dabei nicht um gerichtliche Dinge, wie zum Beispiel, welche Versicherungen abgemeldet werden müssen. Es gibt zwar eine Notiz im Ringordner, wo man zum Beispiel eintragen kann, wo das Testament hinterlegt ist oder wie der Sach­verwalter heisst. Man kann auch Kopien wichtiger Dokumente wie Verträge, ID, Pass oder Passwörter darin ablegen oder eine Notiz machen, wo die Sachen aufbewahrt werden. Der Ordner ist so gestaltet, dass der Inhalt sowohl persönlichen als auch praktischen Bedürfnissen gerecht wird. Mir war zudem wichtig, dass wir ein festes Papier und eine grosse Schrift benutzen, damit es gut lesbar ist. Vor allem sollte das Ringbuch aber auch farbig sein, weil es für mich etwas Schönes und ein persönliches Geschenk an jene ist, die zurückbleiben. Es soll eben ein Buch sein, das bleibt, auch wenn man selbst geht.

Interview mit Sonja Jeeves über ihr Buch "Ein persönlicher Wegweiser im Todesfall"
Interview mit Sonja Jeeves über ihr Buch "Ein persönlicher Wegweiser im Todesfall" (Bild: Nils Vollmar)

Für wen ist der Wegweiser gedacht?

Eigentlich ist es für alle gedacht, die sich bereits zu Lebzeiten mit dem Thema Tod auseinandersetzen möchten und die eigene Familie und Freunde entlasten wollen. Heutzutage weiss man ja eigentlich nie, was alles passieren kann – auch in jungen Jahren. Ich habe eine Umfrage gemacht und da war eine 27-jährige Frau dabei, die gesagt hat, sie hätte gerne so einen Ordner. Sie meinte, sie sei alleinerziehend und wenn ihr morgen etwas passieren würde, dann wüsste ihre Tochter eigentlich nichts von ihr. Also welche Bestattung sie möchte, welche Krankheiten sie hatte oder welche Social-Media-Konten sie hat und wo sie alle Passwörter findet.

Was war die grösste Heraus­forderung bei Ihrem Projekt?

Von der Idee bis zu deren Realisierung sind nun zweieinhalb Jahre vergangen.  Es war schon ein Stück Arbeit nötig, um das Projekt fertigzustellen. Ich habe damals, nach dem Erlebnis bei der Sterbebegleitung, damit angefangen, einfach mal aufzuschreiben, was meine Familie in meinem Todesfall alles wissen sollte. Dann habe ich mit der Recherche weitergemacht und gemerkt, dass es je nach Land unterschiedliche Gesetzesvorlagen gibt, welche Dokumente man zum Beispiel im Todesfall braucht. In Deutschland benötigt man, falls die Person geschieden ist, beispielsweise auch das Scheidungsurteil für die Sterbeurkunde. Das hat mich irgendwie fasziniert und dann habe ich mich gefragt, was noch alles im Todesfall gebraucht wird und welcher Aufwand auf die Hinterbliebenen zukommt. 

Hätten Sie anfänglich gedacht, dass es so viele Dinge gibt, an die man im Todesfall denken muss?

Nein, das war mir nicht bewusst. Auch nicht, dass es unterschiedliche Hilfebroschüren bei Todesfällen gibt, die man online findet oder die in den Gemeinden aufliegen – was ich super finde. Wenn man aber weiss, dass die Person selbst schon sehr viele Informationen oder eine Art Anleitung hinterlassen hat, dann kann man sich im ersten Moment einfach den Emotionen widmen und sich in aller Ruhe von dem Menschen verabschieden. Danach kann dann ein Punkt nach dem anderen abgehakt werden.

Viele Menschen befassen sich nicht so gerne mit dem Tod oder mit allem, was damit zusammenhängt. Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, sich mit diesem Thema trotzdem auseinanderzusetzen?

Der Tod ist heute ein Tabuthema, aber ich denke, es ist wichtig, sich damit zu befassen, egal, in welchem Alter man ist. Ich persönlich finde es schön zu wissen, dass ich einem Angehörigen die letzten Wünsche erfüllen konnte. Und vielleicht hilft der Wegweiser auch, das Thema im Familienkreis anzustossen. Wenn man sagt, dass man einen solchen Ordner zusammengestellt hat, dann nimmt man den Hinterbliebenen nicht nur eine grosse Last ab, sondern hinterlässt gleichzeitig auch ein Andenken, das ihnen Trost spendet. 

Der Tod ist ein Tabuthema, aber ich denke, es ist wichtig, sich damit zu be­fassen.

Wie haben Sie das Projekt ­finanziert?

Ich habe in den letzten Monaten sehr viele Briefe geschrieben und mein Projekt bei unterschiedlichen Organisationen, Stiftungen und Menschen vorgestellt. Vielen hat die Idee gefallen und sie haben an das Projekt geglaubt und mich ermutigt. Dank dieser Sponsoren konnte ich das Projekt schliesslich finanzieren. Ich möchte mich auch bei allen Beteiligten für die Unterstützung bedanken. Ich bin sehr glücklich, dass ich meine Idee verwirklichen konnte und nun den Ringordner in den Händen halten kann. 

Ab wann ist der Wegweiser erhältlich?

Der Ringordner wird derzeit gedruckt und kann dann ab Mitte Dezember erworben werden. Es werden insgesamt 400 Exemplare erhältlich sein.

Und was passiert mit dem Erlös?

Geplant ist, dass der Gewinn an eine Pfarrei geht, die Menschen, denen es finanziell nicht so gut geht, einen kleinen Betrag zu den Beerdigungskosten gibt.

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Artikel: http://www.vaterland.li/liechtenstein/gesellschaft/jeeves-ein-buch-das-bleibt-auch-wenn-man-selbst-geht-art-627727

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