Vom schönsten Schmollmund der Welt zum Stänkermaul: Brigitte Bardot ist tot
Sinnlich, schön und eigenwillig – Brigitte Bardot war durch und durch Französin. Mehr noch: Sie war Frankreich. Die weisse Gipsbüste der Nationalfigur Marianne, die in jedem französischen Rathaus steht, trug ab 1969 ihre Züge. Die Idee dazu hatte Landesvater Charles de Gaulle persönlich, zumindest der Legende nach.

Es war die Zeit der Jugendrevolte von Mai ’68, auch die Zeit der Frauenbefreiung. Bardot hatte mit Serge Gainsbourg ein Jahr zuvor den Skandalsong «Je t’aime moi non plus» aufgenommen. Sie verweigerte allerdings die Publikation, weil sie um ihren Ruf fürchtete. Gainsbourg musste deshalb das laszive Stöhne-Chanson mit Jane Birkin neu herausbringen.

Bardot war das egal, sie war bereits auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes angelangt. Die Männerwelt lag ihr auch so zu Füssen; sogar US-Präsident John F. Kennedy schwärmte von ihr als «dem Schönsten, was uns Frankreich nach der Freiheitsstatue geschenkt hat».

Die Frauenzeitschrift «Elle» hatte die junge Pariserin schon 1949 entdeckt und auf ihrem Cover platziert. Die 15-Jährige bildete sich zur Tänzerin und Zeichnerin aus, bis sie von ihrem späteren Ehemann Roger Vadim für das Kino entdeckt wurde. «Et Dieu créa la femme» – zu Deutsch schlecht übersetzt mit: «Und immer lockt das Weib» – machte aus Bardot in den konformistischen Fünfziger Jahren über Nacht einen Star.
Ihre atemberaubende Tanzeinlage in dem Film sorgte dafür, dass der Vatikan Bardot als «Inkarnation der Sünde» bezeichnete. Der künstlich erotisierte Film hinterliess ansonsten keine bleibende Erinnerung, genauso wenig wie die nachfolgende Komödie «Babette zieht in den Krieg» mit Bardot in der Hauptrolle und als Publikumsmagnet.
«Ich bin, wie ich bin» – und ein Suizidversuch
Ein kommerzieller Erfolg wurde das Schwarzweiss-Morddrama «Die Wahrheit». In einer Szene, in der Bardot weinen sollte, begann sie beim Filmdreh allerdings zu lachen. Regisseur Henri-Georges Clouzot schrie sie an, schüttelte sie und trat ihr auf den Fuss, um sie zum Weinen zu bringen. Bardot antwortete ohne falsche Scheu und auf ihre Art – mit einer Ohrfeige. Dann verliess sie den Drehort, wobei sie das Chanson trällerte: «Ich bin, wie ich bin, ich kann das auch nicht ändern.»
Der Filmplot, in dem eine Frau ihren Liebhaber umbringt, hatte Bardot aber gleichwohl zugesetzt. Wie auch das ganze Filmbusiness. Im Hinterland der Côte d’Azur schnitt sie sich eines schönen Morgens die Pulsadern auf. Erst im letzten Moment und eher zufällig wurde sie gerettet.
1963 drehte Bardot unter dem Avantgardisten Jean-Luc Godard und an der Seite von Michel Piccoli ihren wohl wichtigsten und besten Film, «Le Mépris». Doch dann folgte wieder eine triviale Westernkomödie, «Viva Maria» von Louis Malle, die nur von den Reizen der beiden Darstellerinnen Brigitte Bardot und Jeanne Moreau lebte.
Privat liess sich «BB», wie man sie nun nannte, von ihrem zweiten Ehemann scheiden und heiratete den deutschen Lebemann Gunter Sachs in Las Vegas. Eine Promi-Ehe mit fettesten Regenbogen-Schlagzeilen. Die Beziehung hielt drei Jahre. Auch mit dem Image eines verführerischen Vamps, den ihr die Filmregisseure auf den kurvenreichen Leib zu schneidern versuchten, konnte die junge Pariserin eigentlich wenig anfangen.
Plötzliche Abkehr vom Filmbusiness
1973 hatte sie genug von dem Filmgeschäft und -glamour und zog sich zurück. Und anders als das amerikanische Sexsymbol Marilyn Monroe verabschiedete sie sich ohne Bedauern aus einer Branche, die mehr an der Ikone «BB» als an der Schauspielerin oder gar dem Menschen Brigitte Bardot interessiert war. Sie erhielt noch viele Angebote für weitere Filmprojekte, mit Schauspielern wie Steve McQueen oder John Wayne. Sie lehnte alle Rollen und Gagen ab, auch ein James Bond-Girl wollte sie nicht sein. Sogar für Marlon Brando war sie nicht bereit zur Rückkehr vor die Kameras.
Nach dem Ende als Filmstar widmete Bardot ihr zweites Leben nicht mehr den Zweibeinern: Seit 1973 lebte sie aus ihrem Haus in Saint-Tropez ihrer Leidenschaft für den Tierschutz nach. Dazu gründete sie eine Stiftung. Die heute angesehene «Fondation Brigitte Bardot» setzt sich für Robbenbabys, Tiger, Elefanten und für Haus-, Wild- und Zirkustiere ein. Vorbei die Depressionen und Alkoholsucht ihres Berufs: Jetzt hatte Bardot zu ihrer Berufung gefunden.
Vom Schmollmund zum Stänkermaul
Aus dem schönsten Schmollmund wurde allerdings auch ein Stänkermaul, aus der Tierfreundin fast eine Menschenhasserin. Bardot beschimpfte Bewohner der französischen Überseeinsel La Réunion als «degenerierte Barbaren», weil sie angeblich Hunde und Katzen misshandelten; und die Urheber des islamischen Opferfestes Aid el-Kebir klagte sie wegen Tierquälerei an den geschlachteten Schafen ein.
Selber verurteilt wurde Bardot – und zwar mehrfach – wegen rassistischer Parolen. Das hinderte sie nicht, in ihrem Buch «Ruf aus der Stille» über Immigranten, Obdachlose und anderes «Gesindel» herzuziehen. In Frankreich verscherzte «la Bardot», wie sie nun genannt wurde, über die Jahre einige Sympathien. Einmal fragte sie öffentlich: «Muss ich jetzt auswandern?»
1992 heiratete die 58-jährige Mutter eines einzigen Sohnes, der heute weit weg von ihr in Norwegen lebt, zum vierten Mal – und politisch nicht sehr korrekt: Bernard d’Ormale war ein Weggefährte des französischen Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen. Mit d’Ormale lebte Bardon über dreissig Jahre und bis zu ihrem Tod in Saint-Tropez. Sie sei eben bloss anscheinend eine aufs Alleinsein erpichte Kratzbürste, sagte sie; in Wahrheit habe sie Angst, allein zu leben, und brauche Gesellschaft.
Wegen eines Hüftleidens am Stock gehend, befand sie einmal in einem ihrer seltenen Interviews: «Ich gehe den Leuten gerne auf den Wecker.» Viele Franzosen erkannten sich jetzt wieder in der vom Alter gezeichneten, aber immer noch resilienten und widerspenstigen Ex-Schauspielerin, die ihren Weg ohne Rücksicht auf Verluste gegangen war.
Die meisten ihrer Landsleute mochten sie trotz allem. «Die Bardot» weckte später nostalgische Gefühle an die Nachkriegszeit, als die Welt in Frankreich noch in Ordnung war und die Grande Nation Stars wie Bardot, Louis de Funès oder Edith Piaf produzierte. Aber auch für Frankreich gilt, was die Verstorbene in ihrem Buch auf sich selbst gemünzt hatte: «Der Ruhm ist vergänglich, der Absturz unwiderruflich.»
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