Armutsfalle "Jung und alleinerziehend"
Die Zahl der Sozialhilfefälle sei im letzten Jahr in praktisch allen 14 untersuchten Städten gestiegen, erklärte Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialhilfe und Winterthurer Stadtrat, am Dienstag vor den Medien in Bern. Eine deutliche Zunahme verzeichneten besonders mittelgrosse Städte und Agglomerationen.
Grund für den überdurchschnittlichen Anstieg von 5,2 Prozent sind neben der wachsenden Bevölkerung auch die Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Zahl der Ausgesteuerten. Besonders für gering qualifizierte Menschen sei es schwierig, eine existenzsichernde Anstellung zu finden, erklärte Studienautorin Michelle Beyeler von der Berner Fachhochschule.
Kinder als Armutsrisiko
Dabei werden zunehmend Personen aus aussereuropäischen Ländern unterstützt. Zwar lässt sich laut Beyeler nicht zweifelsfrei feststellen, ob diese aus dem Asylbereich kommen. Es gebe aber Hinweise darauf, dass es sich um anerkannte Flüchtlinge und Aufgenommene handle. "Besonders kleine Städte spüren das."
Allerdings bilden Schweizerinnen und Schweizer in den meisten der untersuchten Städten weiterhin die Mehrheit der Sozialhilfebezüger. Die Ausnahme sind hier Basel, Biel, Lausanne, Schlieren ZH und Schaffhausen, wo der Anteil ausländischer Personen bei über 50 Prozent liegt.
In den Städten sehr hoch ist das Sozialhilferisiko für junge, alleinerziehende Frauen. Dies gelte auch für Städte, in denen die Sozialhilfequote ansonsten tief sei, sagte der Luzerner Stadtrat Martin Merki. Vier von fünf Mütter unter 25 Jahren lebten von Sozialhilfe. Mit steigendem Alter nehme das Risiko ab. Kinder zu haben, sei generell ein Armutsrisiko, hält der Bericht fest.
Dies gilt auch für geschiedene, getrennt lebende oder verwitwete Menschen, die alleine leben. Am höchsten ist das Sozialhilferisiko für alleinlebende geschiedene Männer: Rund 20 Prozent dieser Haushalte beziehen Sozialhilfe.
Sorgenkinder mittelgrosse Städte
In den grossen Städten bleibt die Sozialhilfequote relativ stabil, wie es im Bericht heisst. Bern konnte die Quote im letzten Jahr um 0,1 auf 5,1 Prozent senken. In Lausanne verharrte sie bei 8,8 Prozent und in Zürich resultierte ein leichtes Plus von 0,1 auf 4,6 Prozent.
Eine Ausnahme bildet die Stadt Basel, deren Quote von 6,3 auf 6,7 Prozent zunahm. Studienautorin Beyeler begründet dies mit dem starken Franken, der in der Grenzstadt spürbar sei. Vor allem der Detailhandel und die Gastronomie seien unter Druck.
Sorgenkinder der Städteinitiative Sozialhilfe bleiben die mittelgrossen Städte. Dort stieg die Quote im letzten Jahr fast überall zwischen 0,1 bis 0,3 Prozent weiter an, nachdem Städte wie Chur, Luzern, Schlieren und Winterthur ZH bereits in den letzten Jahren eine Zunahme verzeichneten.
Die höchste Quote der 14 Städte weist weiterhin Biel mit 11,8 Prozent (Vorjahr 11,6) auf, gefolgt von Lausanne und Basel. Am tiefsten ist die Sozialhilfequote in Uster ZH (1,6 Prozent) und in Zug (1,7 Prozent.)
Im Schnitt lange Bezugsdauer
Die Situation wird dadurch erschwert, dass die durchschnittliche Bezugsdauer der Sozialhilfe in den untersuchten Städten 42 Monate beträgt. Je länger aber jemand Sozialhilfe bezieht, desto schwieriger wird es, aus diesem System wieder herauszufinden.
Entscheidend sei eine frühe Intervention, sagte Galladé. Dies würden auch die Zahlen zeigen. In rund einem Viertel der Fälle werde die Sozialhilfe weniger als ein Jahr bezogen. Aus Sicht der Städteinitiative Sozialhilfe lohnt es sich deshalb, Neubezüger intensiv zu beraten und in die Bildung und Weiterbildung zu investieren.
Pionierarbeit leistet in dieser Hinsicht die Stadt Lausanne, die ihre Sozialhilfequote seit 2012 kontinuierlich senken konnte. Als erfolgreich hätten sich etwa Ergänzungsleistungen für Familien, Überbrückungsrenten und Bildungsmassnahmen für junge Erwachsene ohne Ausbildung erwiesen, sagte der Lausanner Stadtrat Oscar Tosato. (sda)
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben
Kleines Vademecum für Kommentarschreiber
Wie ein Kommentar veröffentlicht wird – und warum nicht.
Wir halten dafür: Wer sich an den gedeckten Tisch setzt, hat sich zu benehmen. Selbstverständlich darf an der gebotenen Kost gemäkelt und rumgestochert werden. Aber keinesfalls gerülpst oder gefurzt.
Der Gastgeber bestimmt, was für ihn die Anstandsregeln sind, und ab wo sie überschritten werden. Das hat überhaupt nichts mit Zensur zu tun; jedem Kommentarschreiber ist es freigestellt, seine Meinung auf seinem eigenen Blog zu veröffentlichen.
Jeder Artikel, der auf vaterland.li erscheint, ist namentlich gezeichnet. Deshalb werden wir zukünftig die Verwendung von Pseudonymen – ausser, es liegen triftige Gründe vor – nicht mehr dulden.
Kommentare, die sich nicht an diese Regeln halten, werden gelöscht. Darüber wird keine Korrespondenz geführt. Wiederholungstäter werden auf die Blacklist gesetzt; weitere Kommentare von ihnen wandern direkt in den Papierkorb.
Es ist vor allem im Internet so, dass zu grosse Freiheit und der Schutz durch Anonymität leider nicht allen guttut. Deshalb müssen Massnahmen ergriffen werden, um diejenigen zu schützen, die an einem Austausch von Argumenten oder Meinungen ernsthaft interessiert sind.
Bei der Veröffentlichung hilft ungemein, wenn sich der Kommentar auf den Inhalt des Artikels bezieht, im besten Fall sogar Argumente anführt. Unqualifizierte und allgemeine Pöbeleien werden nicht geduldet. Infights zwischen Kommentarschreibern nur sehr begrenzt.
Damit verhindern wir, dass sich seriöse Kommentatoren abwenden, weil sie nicht im Umfeld einer lautstarken Stammtischrauferei auftauchen möchten.
Wir teilen manchmal hart aus, wir stecken auch problemlos ein. Aber unser Austeilen ist immer argumentativ abgestützt. Das ist auch bei Repliken zu beachten.
Wenn Sie dieses Vademecum nicht beachten, ist das die letzte Warnung. Sollte auch Ihr nächster Kommentar nicht diesen Regeln entsprechen, kommen Sie auf die Blacklist.
Redaktion Vaterland.li
Diese Regeln haben wir mit freundlicher Genehmigung von www.zackbum.ch übernommen.