Frau wird in Tram brutal attackiert: «Er sagte, er wolle mich töten»
Es ist kurz vor Mitternacht, als Patrycja Pakiela ins Zürcher Tram Nummer 13 steigt. Sie selbst will nach einem Abend bei Freunden nach Hause. Allein, wie das die hauptberufliche DJane spätabends immer macht. Doch plötzlich wird sie aus dem Nichts angegriffen, wie sie sagt.
«Ich erinnere mich nur noch daran, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich sofort starke Schmerzen in meinem Gesicht spürte. Dann öffnete ich meine Augen und sah Blut runtertropfen», sagt sie am Telefon zu watson.
Ein Unbekannter hat ihr unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Zwei fremde Männer, die ebenfalls im Tram mitfahren, greifen sofort ein, bringen den Täter zu Boden. «Wären die zwei Männer nicht gewesen, weiss ich nicht, ob ich noch hier wäre.»

Polizei hatte «keine Kapazitäten»
Als Pakiela noch unter Schock steht, sagt ihr einer der helfenden Männer, jemand müsse die Polizei rufen. Die Frau informiert den Tramführer, welcher daraufhin die Polizei verständigt. Doch laut der Aussagen der DJane habe die Polizei dem Tramführer mitgeteilt, dass sie «keine Kapazität» hätten und deshalb nicht ausrücken werden.
Auch als einer der Männer, die den Täter am Boden fixiert hatten, die Polizei erneut kontaktiert, bekommt er die gleiche Antwort: Es könne keine Patrouille vorbeigeschickt werden.
Zur gleichen Zeit stand die Stadtpolizei bei einem Grosseinsatz beim Platzspitz und Kasernenareal im Einsatz, wo es bei einem Besetzungsversuch zu Krawallen kam. Ob dieser Polizeieinsatz im Zusammenhang mit der fehlenden Patrouille beim Tramvorfall steht, ist derzeit unklar.
Im Tram herrscht nach den Anrufen Ratlosigkeit. «Die Helfer und der Tramführer fragten sich: Was machen wir mit ihm? Der Fahrer meinte dann, man solle ihn rauswerfen», sagt Pakiela. Für die Frau eine Horrorvorstellung: «Ich dachte nur, wenn er jetzt einfach draussen ist, dann sind andere Frauen in Gefahr.» Auch sie selbst hatte Angst.
Denn der Täter drohte ihr, obwohl er am Boden lag, mit: «I will kill you, bitch.»
Opfer hat Anzeige erstattet
In ihrer Panik greift die DJane zum Handy. «Im Internet stand, dass man filmen soll, um sich abzusichern. Ich habe das Erlebnis dann auf Instagram geteilt, um mich zu schützen.» Sie postet ihr blutverschmiertes Gesicht und ein Video des Täters.
Danach fährt sie ins Spital. Diagnose: keine Brüche, aber starke Schwellungen, Kopfschmerzen, Kratzer. «Die Ärzte sagten mir: Rufen Sie die Polizei. Aber auch da hiess es wieder, das sei kein Notfall. Sie würden nicht kommen, ich solle am Sonntag aufs Revier gehen.» Erst am Tag darauf konnte sie schliesslich Anzeige erstatten. Weshalb der Mann sie angegriffen hat, kann sie nur mutmassen:
«Ich hatte das Gefühl, er kam einfach mit Hass gegen eine Frau.»
Pakiela, die seit 2010 in Zürich lebt, arbeitet in der Nachtszene und fühlte sich bisher immer sicher. «Jetzt werde ich das Tram meiden. Ich bin oft allein unterwegs gewesen – das mache ich nicht mehr.» Sie kritisiert auch die Polizei stark:
«Ich hätte gedacht, dass in Zürich die Polizei ausrückt, wenn jemand so einen Notfall schildert, unabhängig davon, was sonst in der Stadt los ist.»
Knapp 30 Angriffe in Zürich
Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) zeigen sich auf Anfrage von watson betroffen: «Der tätliche Angriff auf die Frau in einem Tram der VBZ hat auch uns sehr betroffen gemacht und wir sind dabei, den Fall zu analysieren.»
Laut den VBZ gebe es pro Jahr 20 bis 30 tätliche Angriffe in Trams und Bussen – eine Zahl, die in den letzten Jahren relativ konstant geblieben sei. Man gehe jedoch von einer gewissen Dunkelziffer aus.

Das Fahrpersonal sei aus Sicherheitsgründen angewiesen, nicht selbst einzugreifen, sondern die Leitstelle zu informieren. Diese wiederum kontaktiere die Polizei – so sei es auch in diesem Fall geschehen. Die VBZ haben die Videodaten gesichert und wollen diese der Polizei zur Verfügung stellen.
Um die Sicherheit zu erhöhen, setzt das Unternehmen auf Videoüberwachung, Deeskalationstrainings und Sicherheitskräfte im Nachtnetz. «Nach unserer Erfahrung ist die Polizei stets schnell vor Ort. Dies betrifft in besonderem Masse dringliche Fälle», so die VBZ.
Die Stadtpolizei Zürich bestätigt auf Anfrage, dass eine Anzeige eingegangen sei. «Wir haben in Bezug auf den Täter diverse Anhaltspunkte und haben die Ermittlungen aufgenommen.»
Bezüglich des von der Betroffenen geschilderten Nichtausrückens kläre die Stapo nun intern ab, «wie sich das Ganze aus unserer Sicht zugetragen hat».
Rund 3500 Gewaltstraftaten im ÖV
Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden schweizweit jedes Jahr rund 3’500 Gewaltstraftaten in Bahnhöfen, Zügen, Bussen oder Trams registriert. Das entspricht etwa sieben Prozent aller Gewaltstraftaten.
Die Statistik erfasst sämtliche Straftaten, die im Umfeld des öffentlichen Verkehrs registriert werden: von Bahnhöfen über Trams bis zu Buswartehäuschen. Gezählt werden dabei Straftaten, nicht Fälle: Ein einzelner Vorfall kann also mehrere Delikte enthalten.
Die Zahl von Gewaltstraftaten im öffentlichen Verkehr ist in den letzten Jahren leicht gestiegen – von 3’197 Fällen im Jahr 2020 auf 3’601 Fälle im Jahr 2024.
Besonders häufig sind einfache Körperverletzungen im öffentlichen Verkehr: rund 500 Fälle pro Jahr werden in der Polizeistatistik erfasst. Dazu kommen jährlich mehrere Dutzend schwere Körperverletzungen – 2024 waren es 114. Auch versuchte oder vollendete Tötungsdelikte tauchen in der Statistik auf, wenn auch auf sehr tiefem Niveau (8 bis 21 Fälle pro Jahr).
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