50 Jahre Farbfernsehen in der Schweiz

Der Festakt zur Einführung der neuen Ära mutete an wie die Bonsai-Version einer Bundesratsvereidigung: Vorneweg schritt ein Bundesweibel in das 50 Quadratmeter kleine Studio, gefolgt von Bundesrat Roger Bonvin, SRG-Generaldirektor Marcel Bezençon und ein paar weiteren Anzugsträgern. Neben einem gigantischen, vom Bundesrat gespendeten Blumengesteck warteten Ehrendamen aus den vier Landesteilen in - wie man später sehen sollte - knallfarbenen Kleidern.
Grau in grau hielt Bezençon eine kleine Ansprache, deutete mit der Hand auf die Blumen, rief "Technique: que la couleur soit!" und - Simsalabim! - schaltete das Bild auf farbig. Den magischen Augenblick bekamen allerdings nur etwa ein Prozent der Zuschauer mit, nämlich die, welche sich einen Farbempfänger leisten konnten. Die Geräte kosteten um die 3000 Franken, drei Monatsgehälter, halb so viel wie ein fabrikneuer VW Käfer.
Romands in der Zwickmühle
Anfangs sendete das Schweizer Fernsehen nur etwa sechs Stunden pro Woche bunt. Aus Deutschland, wo das Farbfernsehen ein Jahr vorher eingeführt worden war, kam auch nicht viel mehr.
Noch teurer als in der Deutschschweiz war Farbfernsehen in der Romandie, denn dort musste man sich Geräte kaufen, die mit zwei verschiedenen Standards kompatibel waren. Der Bundesrat hatte sich auf Empfehlung der PTT wie die meisten mitteleuropäischen Staaten für das PAL-System entschieden, während Frankreich per SECAM übertrug.
Immerhin: Beide Systeme waren dem amerikanischen NTSC (National Television Systems Committee) überlegen. Die Abkürzung wurde scherzhaft mit "Never the same color" übersetzt, denn die Technologie war so instabil, dass die Gesichtsfarben ständig zwischen Puderrosa, Grün und Puterrot changierten.
Abbild ist nicht gleich Wirklichkeit
Überhaupt war der Teint in den Frühzeiten des Farbfernsehens ein nicht zu unterschätzendes Thema. So wurde Moderatorinnen und Darstellern befohlen, die Sonne zu meiden, da gebräunte Haut im Farbfernsehen grau erschien. Der Sender Freies Berlin versandte routinemässig entsprechende Warnschreiben - dummerweise auch an Billy Mo, einen aus Trinidad stammenden Jazz-Trompeter und Schlagersänger.
Während im Schwarz-Weiss-TV pudern reichte, mussten für die bunte Mattscheibe spezielle Make-Ups hergestellt werden. Maskenbildner panschten auf einer Herdplatte aus Beige, Grün, Rot und Blau Fond de teint zusammen, der zwar in Wirklichkeit völlig unnatürlich, durch die Kameralinse aber korrekt aussah.
Dass Realität und Abbild nicht ein und dasselbe waren, beschäftigte auch die Sportreporter. Vor Fussball-Übertragungen stürmten jeweils unter dem Gejohle der Zuschauer zwei bis drei Kameraleute mit einem riesigen Karton aufs Spielfeld. Mit dem darauf abgebildeten Testbild wurden die Kameras justiert: Wenn sie schon nicht das Original des Rasens trafen, sollten wenigstens alle vier Kameras dasselbe Grün zeigen.
Preisgekrönter Premieren-Ulk
Zurück zum 1. Oktober 1968: Im Anschluss an den offiziellen Festakt zeigte das Deutschschweizer Fernsehen als erste selbstproduzierte Farbsendung die live übertragene Revue "Holiday in Switzerland", ein reichlich alberner Bilderbogen über die Geschichte des Tourismus' in der Schweiz.
Obwohl die Crème des damaligen Schweizer Films mitspielte - unter anderen Ruedi Walter, Margrit Rainer, Jörg Schneider, Paul Bühlmann, Ines Torelli und Alfred Rasser -, war das Schweizer Fernsehen nicht wirklich stolz auf den Ulk. Als die Sendung im Jahr drauf die Goldene Rose von Montreux gewann, den wichtigsten Fernsehpreis Europas, musste sich Fernsehdirektor Guido Frei für die Verleihung einen Smoking ausborgen: Kein Mensch hatte der Sendung Chancen eingeräumt.
SRF zeigt "Holiday in Switzerland" zur Feier des 50-Jahr-Jubiläums am 1. Oktober von 23.55 bis 00.40 Uhr. Anschliessend gibt es ein Wiedersehen mit Mäni Webers legendärer Farberklärungsfolge von "Dopplet oder nüt" und weitere historische Filmdokumente zum Thema.
tinyurl.com (sda)
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