Etwas weniger Kesb-Massnahmen für Kinder
Die Kokes reagierte mit den am Donnerstag in Bern präsentierten Zahlen auf die Kritik an den vor sechs Jahren neu geschaffenen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb). Deren Vorgehen und Entscheide sind immer wieder öffentlich angegriffen worden.
Zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Fall Flaach ZH, als eine Mutter über den Jahreswechsel 2014/2015 ihre beiden von der Kesb betreuten Kinder erstickte. Die Behörde hatte die Kinder in einem Heim untergebracht, obwohl die Grosseltern bereit gewesen wären, sie zu betreuen.
Knapp 28 von 1000 Kindern
Die Zahl der von Kesb-Massnahmen betroffenen Kinder ging im vergangenen Jahr um 2 Prozent zurück, von 42'767 auf 41'902 per Ende 2017, wie die Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (Kokes) mitteilte. Das heisst, dass am 31. Dezember 2017 für knapp 28 von 1000 Kindern eine Schutzmassnahme bestand.
Bei den Erwachsenenschutzmassahmen war 2017 im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme um 1,24 Prozent zu verzeichnen; die Zahl der Massnahmen erhöhte sich von 89'605 auf 90'719. Die Zahl sei praktisch stabil geblieben, schrieb die Kokes dazu. Für rund 13 von 1000 Erwachsenen bestand demnach Ende Jahr eine Massnahme.
Für die Kokes sind die Fallzahlen ein Zeichen dafür, dass die landesweit 142 Kesb-Behörden nur Massnahmen anordnen, wenn diese nötig sind. Auffällige Anstiege gebe es weder in der Deutsch- noch in der Westschweiz, schrieb die Kokes.
Suche nach einvernehmlicher Lösung
Interveniere die Behörde, versuche sie, mit den Betroffenen und den Angehörigen eine einvernehmliche Lösung zu finden, sagte Guido Marbet, Kokes-Präsident und Präsident des Aargauer Obergerichts, laut Redetext vor den Medien in Bern. Das gelingt in insgesamt rund vier von fünf Fällen.
Ordne eine Kesb eine Massnahme an, stehe Unterstützung im Vordergrund, hielt Marbet fest. "Es geht dann nicht um den Entzug von Rechten, sondern um Unterstützung, damit Rechte wieder wahrgenommen werden können." Ein Beleg für diese Haltung ist laut Marbet, dass die meisten Massnahmen Beistandschaften sind.
Im Kindesschutz geht es in 77 Prozent aller Fälle um Beistandschaften, etwa bei Konflikten um die Scheidung oder Trennung der Eltern, wie Marbet ausführte. Wie schon im Vorjahr betreffe etwa jeder zehnte Kinder-Fall eine Fremdplatzierung. Gründe dafür könnten Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung sein.
"Andere Seite geht häufig vergessen"
Es gebe oft zwei Sichtweisen, entgegnete Marbet auf die Kritik an der Arbeit der Kesb, nämlich jene der Angehörigen und jene der Menschen, die Hilfe brauchten. Medienberichte drehten sich mehrheitlich um die Sichtweise der Angehörigen. "Dass es oft auch noch eine andere Seite gibt, geht häufig vergessen."
Die Kokes reagierte mit ihrer Bilanz auch auf die im Mai 2018 lancierte Kindes- und Erwachsenenschutz-Initiative von Kesb-Kritikern rund um den Schwyzer SVP-Nationalrat Pirmin Schwander. Das Begehren verlangt, die Macht der Kesb einzuschränken zu Gunsten von Eltern, Ehegatten und auch weiteren Verwandten.
Familienangehörige können schon heute Vertretungen übernehmen, wenn sie sich dafür eignen und die schutzbedürftige Person einverstanden ist. Die Kesb muss aber prüfen, ob diese Bedingungen erfüllt sind.
Unabhängige Beratungsstelle
Wie nahestehende Personen besser in Kesb-Entscheide einbezogen werden können, lässt auch der Bundesrat abklären. Angehörige sollen nicht nur bei der Abklärung des Sachverhalts berücksichtigt werden, sondern auch konsequent als mögliche Beistandpersonen und bei der Platzierung von Kindern in Betracht gezogen werden.
Auf Kritik an den Kesb reagierte Anfang 2017 auch die Guido Fluri Stiftung. Sie rief für Beratungen bei Problemen rund um Kesb-Entscheide die unabhängige Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz (Kescha) ins Leben. Die Kescha leistete 2017 in knapp 1100 Fällen Beratungen. (sda)
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