Nein zur Selbstbestimmungsinitiative der SVP
Die SVP will mit der Initiative "Schweizer Recht statt fremde Richter" (Selbstbestimmungsinitiative) festlegen, dass die Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht Vorrang hat - unter Vorbehalt von zwingenden Bestimmungen wie dem Folterverbot.
Völkerrechtliche Verträge, die der Verfassung widersprechen, müsste die Schweiz neu verhandeln und nötigenfalls kündigen. Für das Bundesgericht sollen zudem nur noch jene Verträge massgebend sein, die dem Referendum unterstanden.
Der Ständerat sprach sich am Dienstag mit 36 zu 6 Stimmen dagegen aus. Für die Initiative setzten sich die SVP-Vertreter ein. Immer häufiger würden Volksentscheide wegen des internationalen Rechts nicht umgesetzt, argumentierten sie - zum Beispiel die Masseneinwanderungsinitiative. Die Macht müsse beim Volk bleiben.
"Switzerland first"
Ein bisschen mehr "Switzerland first" wäre angebracht, befand Alex Kuprecht (SVP/SZ). Peter Föhn (SVP/SZ) stellte fest, er wünsche sich die Selbstbestimmung zurück. Die alten Eidgenossen hätten hart dafür gekämpft. Und noch heute gelte: "Die Schweizerin, der Schweizer wird nicht geboren, um sich zu unterwerfen."
Der Souverän messe dem Initiativrecht eine hohe Bedeutung zu, betonte auch Thomas Minder (parteilos/SH). Und er wolle, dass umgesetzt und angewendet werde, was er in die Verfassung schreibe. Landesrecht über das Völkerrecht zu stellen, sei eine legitime und logische Forderung.
Angriff auf die Grundlagen
Die Rednerinnen und Redner der anderen Parteien widersprachen vehement. Die Selbstbestimmungsinitiative sei der dritte und fundamentalste Angriff der SVP auf die Grundlagen des Staates, sagte Paul Rechsteiner (SP/SG).
Der erste Versuch, die Institutionen auszuhebeln, sei die Durchsetzungsinitiative gewesen. Der zweite Versuch die No-Billag-Initiative, ein Anschlag auf die vierte Gewalt. Mit der Selbstbestimmungsinitiative ziele die SVP nun auf die Richter und die Menschenrechte.
Das Recht des Stärkeren
Daniel Jositsch (SP/ZH) gab zu bedenken, dass das Recht des Stärkeren gelte, wenn zwischen Staaten kein vertragliches Korsett bestehe. Die Profiteure des Völkerrechts seien Kleinstaaten wie die Schweiz. Mit der Initiative würde die Schweiz sagen: "Wir halten die Verträge ein, ausser wir wollen mal nicht."
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gebe den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich notfalls gegen den Staat zu wehren. Dieses Recht würde die Initiative ihnen nehmen. Wegen einzelnen missliebigen Entscheiden dürfe nicht das ganze Völkerrecht in Frage gestellt werden. "Haben wir denn tatsächlich ein Problem?", fragte Jositsch. "Gibt es Bürger, die sagen: 'Ich leide unter dem Völkerrecht'?"
Schweiz im Abseits
Beat Vonlanthen (CVP/FR) sagte, die Schweiz würde sich mit einer Annahme der Initiative ins Abseits manövrieren. Erstens verhindere die Initiative pragmatische Lösungsansätze bei Normenkonflikten. Zweitens würde sie der Glaubwürdigkeit der Schweiz schaden, weil diese sich vorbehalten würde, Verträge nicht einzuhalten. Drittens sei die Initiative wirtschaftsfeindlich.
Uneinig waren sich die Gegner der Initiative in der Frage, ob ein Gegenvorschlag sinnvoll wäre. Eine Minderheit aus FDP- und CVP-Vertretern machte sich dafür stark. Demnach gälte der Vorrang des Landesrechts unter zwei Bedingungen: Erstens müsste der Verfassungs- oder Gesetzgeber ausnahmsweise und ausdrücklich vom Völkerrecht abgewichen sein, und zweitens dürfte die völkerrechtliche Bestimmung nicht dem Schutz der Menschenrechte dienen.
Schubert-Praxis in die Verfassung
Das entspricht ungefähr der sogenannten Schubert-Praxis des Bundesgerichts. Diese Praxis werde aber faktisch nicht mehr angewendet, monierten die Befürworter eines Gegenvorschlags. Es wäre daher sinnvoll, sie in der Verfassung zu verankern.
Damit würde Klarheit geschaffen, argumentierte Andrea Caroni (FDP/AR). Initianten müssten künftig den Völkerrechtsbruch explizit wollen. Andernfalls müssten sie eine völkerrechtskonforme Umsetzung in Kauf nehmen. Wenn der Gegenvorschlag nicht zu einem Rückzug der Initiative führe, sollte man allerdings darauf verzichten, sagte Caroni.
Politische Antwort geben
Auch Martin Schmid (FDP/GR) und Stefan Engler(CVP/GR) plädierten für einen Gegenvorschlag. Das Problem werde sich in den nächsten Jahren akzentuieren, sagten sie. Es sei die Aufgabe des Parlaments, eine politische Antwort zu geben und die Frage nicht den Gerichten zu überlassen.
Andere CVP-Vertreter sowie die Ratslinke warnten vor einem Gegenvorschlag. Dieser hätte die gleichen negativen Auswirkungen wie die Initiative. Ausserdem bestehe die Gefahr, dass die Chancen der Initiative mit einem Gegenvorschlag steigen würden, weil das Stimmvolk oft das Original bevorzuge. Der Rat lehnte den Gegenvorschlag schliesslich mit 27 zu 15 Stimmen ab.
Keine echte Klärung
Der Bundesrat hatte die Initiative ebenfalls ohne Gegenvorschlag abgelehnt. Justizministerin Simonetta Sommaruga stellte fest, die Initiative bringe nicht die Klarheit, die sie verspreche - im Gegenteil. Unklar sei etwa, wann Verträge gekündigt werden müssten. "Das haben wir schon bei der Masseneinwanderungsinitiative erlebt", sagte Sommaruga.
Sie wies auch darauf hin, dass die Selbstbestimmungsinitiative gerade im Fall der Masseneinwanderungsinitiative nichts ändern würde, da die Personenfreizügigkeit dem Referendum unterstand. Für das Bundesgericht wäre der Vertrag also weiterhin massgebend.
Über die Selbstbestimmungsinitiative wird nun noch der Nationalrat beraten, bevor das Stimmvolk am Zug ist. (sda)
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