«Schnapsidee des Stadtrats»: Politiker diskutieren hitzig in der TVO-Runde über den St.Galler Autobahnausbau
Braucht es einen Ausbau der Autobahnen, darunter etwa eine dritte Röhre im Rosenbergtunnel oder den Zubringer beim Güterbahnhof in St.Gallen? «Nein», haben 52 Prozent des Schweizer Stimmvolks 2024 befunden. Trotzdem könnte ein St.Galler Teilprojekt demnächst realisiert werden.
Die Technische Hochschule Zürich (ETH) hat im Oktober ihr Gutachten «Verkehr 2045» veröffentlicht. Aufgrund massiver Kostenüberschreitungen wurden darin sämtliche Projekte zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur neu bewertet. Das Ergebnis: Der St.Galler Autobahnausbau soll prioritär behandelt werden. Das Thema spaltet die Gemüter, auch in der TVO-Sendung «zur Sache», wo am Mittwoch beide Lager aufeinandertrafen: Benedikt Würth, St.Galler Mitte-Ständerat, sowie Ruedi Blumer, Präsident des Verkehrsclubs St.Gallen-Appenzell und ehemaliger SP-Kantonsrat.
«Verkehrskollaps verhindern»
Ruedi Blumer sei der Gewinner der letztjährigen Abstimmung, merkt der Moderator und Tagblatt-Chefredaktor Stefan Schmid an. «Ja. Aber was uns gar nicht freut, ist der unfaire Auftrag von Bundesrat Rösti an Ulrich Weidmann», sagt Blumer. Gemeint ist der Auftrag an die ETH, das Gutachten zu erarbeiten, obwohl das Stimmvolk die Ausbauvorlage zuvor abgelehnt hatte.
Ein Angriff auf die Demokratie? «Nein», meint Benedikt Würth. In der Gesamtvorlage seien mehrere Projekte gebündelt gewesen. Bei einigen Projekten wäre Kulturland verloren gegangen. Das habe zum Nein an der Urne geführt, ist sich Würth sicher. «In St.Gallen geht es vor allem darum, einen Verkehrskollaps zu verhindern.» Wenn im Jahr 2037 die bestehenden Röhren umfassend saniert werden, soll die dritte Röhre nämlich als «Auffangbecken» des Verkehrs dienen, und danach zur Beseitigung des Engpasses beitragen.
Ein Ausbau des Tunnels würde laut Blumer den Individualverkehr noch beflügeln. «Doch das Auto ist kein zeitgemässes Verkehrsmittel mehr.»
Ein Kompromiss kommt nicht infrage
Wo sich die Meinungen scheiden, hilft manchmal ein Kompromiss – etwa jener des St.Galler Stadtrats. Dieser plädiert für eine dritte Röhre ohne Anschluss Güterbahnhof, wie Baudirektor Markus Buschor in einem Interview sagte. Doch von diesem Vorschlag halten weder Würth noch Blumer viel.
«Nur die dritte Röhre zu bauen, ist eine Schnapsidee», sagt Würth. Man sei schon vor zehn Jahren zur Erkenntnis gekommen, dass der Verzicht eines Zubringers ins Appenzellerland etwa zu einem massiven Rückstau im Schorentunnel führen würde.
Dass der Kompromiss nicht infrage kommt, darin sind sich die beiden Kontrahenten einig. Damit endet die Übereinstimmung allerdings auch schon. Blumer fordert, dass weder das eine noch das andere Projekt realisiert wird. Stattdessen brauche es alternative Lösungen, etwa ein dynamisches Geschwindigkeitsmodell auf der Autobahn. Vor allem aber seien schnellere Zugverbindungen nötig, beispielsweise von St.Gallen nach Zürich. «Unter einer Stunde muss sie dauern, um St.Gallen als Verkehrsknotenpunkt zu erhalten», sagt Blumer. Investitionen in die Schieneninfrastruktur würden den Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr umlenken.
Auch Würth spricht sich für einen Umstieg vom Auto auf den Zug aus. «Aber wir müssen nicht den ÖV gegen den Individualverkehr ausspielen.» Vielmehr gehe es darum, sowohl die Strassen als auch das Schienennetz den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Der Ausbau der Zuginfrastruktur von St.Gallen nach Zürich soll laut der ETH-Studie aber vorerst auf Eis gelegt werden. Die Kosten von rund 13 Millionen Franken pro Sekunde Fahrzeitgewinn seien nicht zu rechtfertigen. Würth schlägt kostensparendere Massnahmen vor: etwa spurtstärkere Züge oder eine Anpassung der Haltepolitik.
Würth plädiert dafür, den Fokus auf die Entlastung der Autobahn zu legen, Blumer hält dagegen. «Wenn du vor 50 Jahren recht bekommen hättest und die Stadtautobahn nicht gebaut worden wäre, würde St.Gallen heute kollabieren», sagt Würth. Die beiden wollen weiterdiskutieren, doch die Zeit ist um. «Das war sicher nicht die letzte Sendung zu diesem Thema», sagt Moderator Schmid. Nun liege der Ball beim Bundesrat: Er muss entscheiden, wie es weitergeht.
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