2017 meldeten sich deutlich mehr Opfer
Neu müssen kirchliche Amtsträger Verdachtsfälle auch dann zur Anzeige bringen, wenn das Opfer dies nicht wünscht. Dies gilt für Fälle, die noch nicht verjährt sind, wie der Vizepräsident der SBK, der Basler Bischof Felix Gmür, am Mittwoch an einer Medienkonferenz in St. Gallen sagte.
Andernfalls sei die Vertuschungsgefahr zu gross, erklärte Gmür. Nur die staatlichen Untersuchungsbehörden hätten die Mittel, um eine Untersuchung richtig zu führen, wenn nötig mit Zwangsmassnahmen. Schon vor dieser Verschärfung und Präzisierung der Anzeigepflicht seien Opfer von sexuellen Übergriffen und Täter ermutigt worden, selber Anzeige zu erstatten.
Sexuelle Übergriffe innerhalb der katholischen Kirche sorgen seit Jahren weltweit für negative Schlagzeilen. Auch in der Schweiz melden sich immer mehr Opfer, die von Kirchenleuten belästigt oder missbraucht worden sind. Im vergangenen Jahr kam es zu 65 neuen Meldungen, was ein markanter Anstieg ist.
Genugtuungsfonds eingerichtet
Laut Gmür ist dies die Folge verschiedener Aufrufe an Opfer, sich zu melden. "Wir wollen wissen, was passiert ist." Ein weiterer Grund sei der Genugtuungsfonds für Opfer verjährter Übergriffe, der eingerichtet wurde. Zudem sei das Thema sexuelle Übergriffe in den Kirchen im vergangenen Jahr sehr oft in den Medien gewesen.
Viele der Übergriffe, die 2017 gemeldet wurden, liegen 30 Jahre und länger zurück. Seit 2010 gingen in den Bistümern insgesamt gegen 300 Meldungen ein. Die meisten Opfer waren Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre. Betroffen waren daneben auch 52 erwachsene Frauen und 46 erwachsene Männer.
Die Täter waren überwiegend Priester und Ordensleute. "Es gibt eine grosse Palette von sexuellen Übergriffen", sagte Gmür. Am häufigsten ging es um anzügliche Äusserungen, Gesten oder unerwünschte Avancen. In 53 Fällen berichteten Opfer von sexuellen Handlungen, in 55 Fällen von sexueller Nötigung, wie die Statistik 2010 bis 2017 zeigt.
Die meisten Fälle verjährt
Zehn Opfer gaben an, vergewaltigt worden zu sein, 13 Mal ging es um Schändung, bei weiteren 15 Opfern kam es zum Beischlaf im Rahmen eines Abhängigkeitsverhältnisses. Der grösste Teil der in den letzten Jahren gemeldeten Fälle seien verjährt, sagte Gmür. Viele Täter sind bereits gestorben.
65 Meldungen von Opfern allein im vergangenen Jahr seien "viel zu viel", bedauerte Gmür. Es sei der Bischofskonferenz ein grosses Anliegen, Transparenz zu schaffen. Der Vizepräsident bekräftigte den Aufruf an Opfer und deren Kontaktpersonen, sich zu melden.
Unabhängig von der Bischofskonferenz, äusserte der Churer Weihbischof Marian Eleganti seine eigene Sicht der Dinge zu den Missbräuchen in der Kirche. Er erklärte, dass es sich vorwiegend um homosexuelle Täter handle, was die Verantwortlichen leugneten.
Churer Weihbischof: Täter homosexuell
"Homosexuellen-Tabu ist Teil der Vertuschung", überschrieb das Bistum Chur die am Mittwoch verbreitete Erklärung des Weihbischofs. Darin schrieb Marian Eleganti, der "John Jay Report" von 2010 zum sexuellen Missbrauch in der Kirche in den USA zeige, dass in einem Zeitraum von 60 Jahren 81 Prozent aller Opfer männlich gewesen seien.
"Folglich handelt es sich bei der weit überwiegenden Mehrheit der Täter um Homosexuelle", so Eleganti. Das seien Fakten und ein Tabu, dem sich viele Verantwortliche der Kirche beugen würden. Papst Franziskus sowie dessen Vorgänger, Papst Benedikt, hätten die Weisung erlassen, keine homosexuell veranlagten Männer in Priesterseminare aufzunehmen.
Der Präsident der Bischofskonferenz, Charles Morerod, erklärte zu Elegantis Äusserungen, es sei gefährlich, Homosexuelle mit Tätern gleichzusetzen. Personen, die offen zu ihrer Homosexualität stehen, von Priesterseminaren auszuschliessen würde nur dazu führen, dass sich diese verstecken müssten.
Felix Gmür neuer Präsident
An ihrer Vollversammlung in St. Gallen wählte die SBK ihren bisherigen Vizepräsidenten Felix Gmür zum neuen Präsidenten. Der 52-jährige Bischof von Basel übernimmt den Vorsitz Anfang 2019 von Charles Morerod, Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg. (sda)
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