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Langzeitfolgen von Corona

«Wache jeden Morgen mit Schmerzen auf»

Andrea Steger hat mit «Long Covid» zu kämpfen – sie spürt die Folgen ihrer Coronainfektion auch noch acht Monate nach der Genesung.
Interview Long Covid Betroffener
Andrea Steger ist in Liechtenstein als Musikschullehrerin tätig. Wie sehr sie sich körperlich und mental anstrengt, muss sie genau dosieren – wegen «Long covid» leidet sie an Erschöpfungszuständen, wenn sie es übertreibt. (Bild: Julian Konrad)

Andra Steger unterrichtet Gitarre an der Liechtensteinischen Musikschule – und hat uns erzählt, wie es ihr nach ihrer Coronaerkrankung vergangenen Herbst geht:

Wann wurde Ihnen erstmals klar, dass sie von «Long covid», also von den Langzeitfolgen einer Coronaerkrankung, betroffen sind?
In einer Nacht im November 2020, als ich schon als genesen galt, bin ich aus dem Schlaf hochgeschreckt und bekam keine Luft mehr. Es war, als ob ich einen Kilometer Vollgas gerannt wäre.

Was haben Sie unternommen?
Mein Hausarzt hat mich an eine Lungenärztin verwiesen, die mir einen Asthmaspray verschrieben hat.

Hat das was gebracht?
Nein, ich habe den Spray nicht vertragen, bekam Herzrasen und begann zu zittern. Ich setzte ihn sofort wieder ab. In den folgenden Monaten kam es viermal zu weiteren Vorfällen, die sich wie ein Herzinfarkt angefühlt haben: Herzrasen, gefühllose Hände, Enge in der Brust und einen schmerzhaften Druck auf dem Brustbein.

Sind Sie ins Spital gegangen?
Nein, aber im Nachhinein hat man mir gesagt, dass ich sofort den Rettungsdienst hätte rufen müssen. 

Wie ging es nach diesen Vorfällen weiter?
Ich wurde zu einem Internisten geschickt – und dieser hat mir gesagt, ich würde mir das alles nur einbilden.

Wie bitte?
Ja, es war schlimm. Dass mir der Arzt  nicht geglaubt hat, war für mich das Ärgste an der ganzen Sache. Ich war froh, dass mein Schwager, der auch an Corona erkrankt war, mit ähnlichen Beschwerden wie ich zu kämpfen hatte. Sonst hätte ich nach den Aussagen des Internisten enorm an mir selber gezweifelt. 

Was haben Sie als Nächstes unternommen?
Mein Hausarzt hat mich für eine Computertomographie des Herzens ins Spital geschickt. Es war alles in Ordnung. Und der Doktor im Spital hat mir zum Glück auch geglaubt, dass ich echte Beschwerden habe. 

Wie geht es Ihnen heute?
Ich wache immer noch jeden Morgen mit Schmerzen auf. Meine Muskeln sind völlig verkürzt. Mit der Atmung habe auch nach wie vor Probleme – zum Beispiel, wenn ich im Unterricht für eine längere Zeit reden muss. Ausserdem habe ich den sogenannten «Brain fog».

Was ist das?
Ich fühle mich oft total benebelt. Zudem habe ich extreme Konzentrationsstörungen und leide unter Vergesslichkeit. Wenn ich in einen anderen Raum gehe, um etwas zu holen, habe ich es schon wieder vergessen, wenn ich dort ankomme. Auch beim Autofahren muss ich mich viel stärker als früher konzentrieren.

Worauf müssen Sie im Alltag sonst noch achten?
Ich muss schauen, dass ich meine Grenzen nicht überschreite – körperlich und mental. Wenn ich zum Beispiel beim Aufwärtsgehen an meine Grenzen stosse, muss ich umkehren. Auch zu lange Musikproben strengen mich extrem an. Am meisten helfen mir Yoga und Atemtechniken.

Was sind die Folgen, wenn Sie Ihre Grenzen übertreten?
Sobald ich mich  zu sehr anstrenge, setzt sofort der Erschöpfungszustand ein. Und dieser hält dann leider wieder ein paar Tage an. 

Kurz gesagt: Seit Ihrer Coronaerkrankung sind Sie nur am «herumdoktern».
Genau. Leider konnte mir die Schulmedizin nicht wirklich helfen – aber natürlich bin ich dankbar, dass ich abklären konnte, ob ich auch keine organischen Dauerschäden davontrage.

Belastet Sie es auch psychisch, dass Sie nach acht Monaten immer noch nicht ganz gesund sind?
Jetzt nicht mehr – aber während des Lockdowns über den Winter war es schon hart. Ich bin ein sehr aktiver Mensch, und dass ich praktisch nur herumliegen konnte, hat mir natürlich auf die Psyche geschlagen.

Ich fühle mich ganz oft wie benebelt.

Haben Sie Hoffnung, dass Sie sich irgendwann wieder wie vor der Erkrankung fühlen?
Ja, denn grundsätzlich geht es mir ja schon besser. Die Beschwerden kommen wie Wellen – ich habe viele gute, aber dann auch wieder schlechte Tage.

Bei Impfskeptikern heisst es oft, dass sie sich lieber mit dem Virus infizieren, als sich impfen zu lassen. Ärgert Sie diese unbeschwerte Haltung?
Nein, denn ich war früher auch gegen die Impfung.

Und jetzt?
Ich habe meine Meinung geändert. Ich möchte mich auf keinen Fall nochmals mit dem Coronavirus infizieren, darum lasse ich mich wahrscheinlich impfen, sobald ich keine Antikörper mehr habe. Denn mein Fall zeigt: Diese Krankheit ist einfach nicht ohne, und man kann unter Umständen noch lange unter den Folgen leiden. Ich war früher genau eine von denen, die immer gesagt haben: Ich habe keine Angst vor Corona, und wenn ich mich anstecke, habe ich einfach etwas ähnliches wie eine Grippe. Jetzt weiss ich es besser.

Wann haben Sie sich mit dem Coronavirus infiziert?
Im Oktober 2020 bekam ich plötzlich Fieber, hätte aber nie gedacht, dass ich mich mit Corona infiziert habe. Vorher war ich eigentlich nie krank, hatte nie eine Grippe. Zur Sicherheit liess ich mich dann aber trotzdem testen. Als das Ergebnis des PCR-Tests da war, bin ich aus allen Wolken gefallen.

Der Arzt meinte, dass ich mir alles nur einbilde.

Wie erlebten Sie den Verlauf Ihrer Erkrankung?
Bis auf ein paar Tage hatte ich kein extrem hohes Fieber, aber ich litt unter enormer Müdigkeit. Die kleinsten Dinge waren mühsam: Der Gang auf die Toilette beispielsweise hat mich derart angestrengt, dass ich danach wieder zwei Stunden schlafen musste.

Welche Symptome hatten Sie sonst noch?
So ziemlich alle typischen. Der Verlust des Geschmackssinns kam etwa nach vier Tagen nach dem positiven Testergebnis. Dann kam der Husten, danach die Kurzatmigkeit.

Wann konnten Sie wieder arbeiten gehen?
Ich war ganze vier Wochen im Krankenstand. Eigentlich wollte ich schon viel früher wieder arbeiten, aber wegen der bleiernen Müdigkeit war daran nicht zu denken. Ich war wirklich fix und fertig.

 
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