Jasmine Wettler aus Grabs liebt Ton an ihren Händen
An den Wänden sind Spritzer in verschiedenen Brauntönen. Die Farben sind aus Ton. Die Sonne scheint durch die in die Jahre gekommenen Fenster. Einst eine Lederfabrik, stand das Gebäude viele Jahre leer. Seit Kurzem werkelt hier die 38-jährige Jasmine Wettler. Gerade hat sie einen hellgrauen Tonklumpen durchgeknetet und sich an die Töpferscheibe gesetzt. Mit einem «Patsch» knallt sie die Masse auf die Drehscheibe. Aufsetzen heisst das.
Mit ihrem rechten Fuss bedient sie das Pedal und regelt so die Geschwindigkeit der Umdrehungen. Ein Surren ertönt. Die Scheibe dreht. Sie beugt ihren Oberkörper nach vorne, ihre Hände sind auf dem kalten Ton. Sie versucht den Ton jetzt in die Mitte zu bringen, für mehr Stabilität liegen ihre Ellbogen auf ihren Knien. «Zentrieren» wird das genannt. «Das ist das Wichtigste beim Töpfern», sagt Jasmine Mettler, ohne den Blick zu heben. Sie formt und drückt die rotierende Masse mit den Händen, bis diese absolut mittig auf der Scheibe sitzt.
Immer wieder taucht sie einen kleinen Schwamm in ein Wasserbecken und drückt ihn auf dem oberen Rand des Tons aus. Der Ton macht Schmatzgeräusche. Von innen drückt sie die Masse nach aussen, während sie sie langsam hochzieht. Manchmal schweift ihr Blick in die Ferne, ihre Hände bleiben fokussiert. Die Form des Gefässes verändert sich ständig. In kürzester Zeit steht ein cremiger Krug auf der Scheibe.

Die Kreativität hat sie von ihrer Oma
«Ich mag den Dreck an meinen Händen», sagt Jasmine Wettler und schaut auf ihre Finger, die hellgrau überzogen sind. Die 38-Jährige ist in Kehlegg aufgewachsen, eine Bergparzelle am östlichen Stadtrand von Dornbirn.
Dort lernte sie das Handwerk bei ihrer Oma. Diese töpferte Kacheln für den Ofen und kleine Engelfiguren. Mit ihr zusammen grub sie Ton unter einem Steinbruch aus, trocknete und wusch ihn. «Es faszinierte mich, was man alles aus Erde machen kann.» Sie wollte schon damals Töpferin werden, aber die Grossmutter sagte: «Vergiss das! Da verdienst du kein Geld!»
Ich wollte immer schon töpfern.
Die Vorarlbergerin machte eine Kochlehre und arbeitete danach in der Patisserie. Ihr Ziel: die Sterneküche. Sie absolvierte ein Praktikum im Grand Resort Bad Ragaz und arbeitete in diversen guten Restaurants in der Schweiz. Doch es wurde ihr zu viel, «man hat kein Leben mehr», sagt sie rückblickend.
Sie heiratet und zieht nach Grabs. Als sie gemeinsam mit ihrem Mann ein Haus baut, braucht das Paar Lampen. Die gewünschten sind teuer. Sie entscheidet, sie selbst zu machen. Als sie einen Töpferkurs der Migros-Klubschule besucht, merkt sie schnell: «Das ist es.» Sie leiht sich eine Drehscheibe aus und töpfert Abend für Abend ihre Lampen. Das surrende Geräusche hallt durch das ganze Haus. Eineinhalb Jahre braucht sie für neun Lampen. «Es wäre definitiv günstiger gekommen, wenn ich sie gekauft hätte», sagt sie und lacht. Aber die Lampen hängen immer noch und die Vorarlbergerin töpfert immer noch. Nach den Lampen kamen Tassen, bald ein eigener Ofen – und immer mehr Freunde und Bekannte, die fragten: «Töpferst du mir auch etwas?» Ab sofort nannte sie sich «licht in ton». Jasmine Wettler schmunzelt, als sie erklärt, sie habe ja mit den Lampen sozusagen Licht in den Ton gebracht.
Der Ofen läuft 24 Stunden und hat bei Höchsttemperatur 1260 °C
Tonsorten gibt es unzählige. Weisser Ton. Schwarzer Ton – oder den hierzulande bekannten roten Ton, dem man oft in Form von Pflanzentöpfen begegnet. Jasmine Wettler arbeitet am liebsten mit dem «Steinzeugton B128» der Firma Bodmer Ton. Er wird als feingriffig, vielseitig und hochwertig beschrieben. Der Rohton kommt aus der Region Westerwald in Deutschland, aufbereitet wird er von der Schweizer Firma in der eigenen Tonproduktion in Einsiedeln im Kanton Schwyz.
Die Töpferin brennt gerne hoch. Bei 1260 °C. Das ist fünfmal mehr Hitze als die höchste Temperatur beim Brotbacken. Jasmine Wettler: «So wird der Ton härter und dichter und ist somit spühlmaschinenfest.»

Der Nachteil vom Hochbrennen? Es braucht viel Energie. Deshalb brennt sie nur etwa einmal im Monat. Dafür den ganzen Tag. Es dauert seine Zeit, bis so ein Ofen heiss ist. Die Töpferwaren werden in den kalten Ofen geschichtet, nachdem sie erst an der Luft angetrocknet sind, bis sie ledrig sind, einen Rohbrand hinter sich haben und glasiert wurden. Nach zwölf Stunden hat der Ofen Höchsttemperatur und braucht dann wieder zwölf Stunden, um abzukühlen.
Je höher man Ton brennt, desto härter und dichter wird er.
24 Stunden verbringen die Tassen mit den Busen, die Teller mit den Kindernamen und die asymmetrischen Lampen im Ofen.
Derzeit experimentiert sie mit Porzellan. Das Material ist etwas schwieriger zu verarbeiten. Die Objekte werden filigraner. Interessant beim Porzellan ist, dass die Rohmasse hellgrau oder cremefarben ist, erst durch die hohe Hitze wird Porzellan reinweiss.
Wie ist es für sie, wenn Leute an Märkten oder bei ihr im Keramikstudio ihre Stücke kaufen? Will sie die kleinen Kunstwerke nicht manchmal doch lieber selber behalten? «Nein, ich hänge gar nicht an meinen Sachen», sagt die 38-Jährige. Das läge wohl an ihrem vorherigen Job. In der Spitzengastronomie richte man schöne Teller an, die im Nu aufgegessen werden, oder man fertige Kreationen aus Schokolade, die zusammenfallen. Jasmine Wettler: «Ich habe gelernt, mit Emotionen umzugehen.»
Handwerk statt Hektik: Junge Menschen entdecken das Töpfern
Töpfern ist in den letzten Jahren beliebt geworden. Kreativ sein, mit den Händen arbeiten, entschleunigen – genau das suchen viele Menschen. Seit zwei Monaten bietet auch Jasmine Wettler Kurse an für Gebrauchskeramik. Vorwiegend sitzen Frauen an den drei Drehscheiben. «Ich höre immer wieder Männer, die auch interessiert sind. Aber sie trauen sich nicht, weil sie dann vielleicht die einzigen Männer sind. Das ist schade.»
Obwohl sie neuerdings aufgrund der Kurse auch zwei moderne, leisere Drehscheiben angeschafft hat, töpfert sie immer noch am liebsten auf ihrer alten, nun seit acht Jahren ausgeliehenen Scheibe, deren Brummen einst ihr ganzes Haus durchdrang.
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