Der wichtigste Prozess in Brasiliens Geschichte: Muss Trump-Freund Bolsonaro bis zum Lebensende ins Gefängnis?
Es ist keine Übertreibung: Ganz Brasilien blickt gebannt auf einen Prozess, der einzigartig in der Geschichte des Landes ist. Der frühere Staatschef Jair Bolsonaro ist wegen versuchten Staatsstreichs angeklagt. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 43 Jahre Haft – was faktisch bedeutet, dass er bis zum Lebensende ins Gefängnis müsste.

Noch nie zuvor hat die Justiz des grössten und wichtigsten Staates Lateinamerikas einem ehemaligen Präsidenten wegen eines Putschversuchs den Prozess gemacht. Die fünf Richter des Obersten Gerichts fällen ihr Urteil bis spätestens zum 12. September. Und die Bevölkerung ist live dabei, denn die fünf Verhandlungstage werden direkt in die Wohnstuben und auf die Mobiltelefone übertragen.
Der Richterspruch wird nicht nur Auswirkungen auf die Politik, sondern auch auf die Wirtschaft Brasiliens haben. Denn der Prozess wird insbesondere in den USA von Präsident Donald Trump kritisch verfolgt. Er ist ein Freund Bolsonaros und verhängte bereits im Laufe der Ermittlungen Strafzölle, weil die linke Regierung von Präsident Lula da Silva in seinen Augen eine «Hetzjagd» gegen Bolsonaro betreibe.
Putsch schon lange vor Ende der Amtszeit geplant
Der 70-Jährige, der Brasilien von 2019 bis 2023 regierte, ist wegen fünf Straftaten angeklagt, die im Zusammenhang mit den Vorfällen vom 8. Januar 2023 stehen. Bolsonaro und sieben Mitangeklagten werden die Führung einer kriminellen Vereinigung, ein Putschversuch gegen Präsident da Silva und möglicherweise sogar ein Attentat sowie die Beschädigung von Vermögenswerten vorgeworfen.
Die Anklage fusst auf jahrelanger Ermittlungsarbeit von Bundespolizei und Staatsanwaltschaften. Die Strafverfolger haben Bolsonaro im Verdacht, schon lange vor dem Ende seiner Amtszeit beschlossen zu haben, eine Wahlniederlage nicht zu akzeptieren. Der Ex-Staatschef, der noch immer Millionen Anhänger im Land hat, bestreitet hingegen alle Vorwürfe und spricht von einer «politischen Verfolgung», die ihn kaltstellen solle.
Unter den Angeklagten befinden sich Bolsonaros frühere Verteidigungs- und Sicherheitsminister, sein Geheimdienst- und sein Armeechef. Da er gegen gerichtliche Auflagen verstossen hat, steht Bolsonaro seit einigen Wochen unter Hausarrest und trägt eine Fußfessel. Zudem soll eine Polizeistreife vor der Tür eine mögliche Flucht in eine ausländische Botschaft verhindern.

Von politischer Betätigung ist Bolsonaro bereits ausgeschlossen. Das Oberste Wahlgericht hat ihm wegen Attacken gegen das Wahlsystem bis 2030 das passive Wahlrecht aberkannt. Allerdings will er unbedingt in der Präsidentenwahl 2026 gegen den amtierenden Staatschef da Silva antreten.
Sollte Bolsonaro verurteilt werden, wovon zahlreiche Beobachter ausgehen, dürfte US-Präsident Trump nochmals an der Sanktionsschraube gegen Brasilien drehen. Aktuell sind bereits Strafzölle in Höhe von 50 Prozent sowie Sanktionen gegen Richter und Minister in Kraft.
Sturm auf das Regierungsviertel
Der Prozess sei «ein Test für die Fähigkeit der Gerichte», autoritäre Führer für ihr antidemokratisches Handeln zur Verantwortung zu ziehen», sagt Rubens Glezer, Verfassungsjurist bei der «Getúlio Vargas-Stiftung», einem politischen Thinktank. Daher habe das Verfahren auch Wirkung über Brasilien hinaus. «Es ist nicht nur für Lateinamerika, sondern auch für die ganze Welt von grosser Bedeutung. Deshalb hat Trump so explizit eingegriffen», glaubt Glezer.
Bolsonaros Pläne, so heisst es in der Anklage, seien konkret geworden, nachdem Lula da Silva im Oktober 2022 die Präsidentenwahl äusserst knapp gewonnen hatte. Bolsonaro hat seine damalige Niederlage nie öffentlich akzeptiert. In den Tagen nach der Wahlniederlage versuchten Bolsonaros Anhänger, Brasilien lahmzulegen. Sie blockierten mit Motorrädern im ganzen Land Strassen. Viele seiner Anhänger kampierten wochenlang vor Armeekasernen, um das Militär davon zu überzeugen, Lula nicht wie geplant am 1. Januar 2023 als Präsident anzuerkennen.
Am 8. Januar 2023 kam es dann zum Sturm auf das Regierungsviertel von Brasilia durch randalierende Horden, die sowohl den Präsidentenpalast teilweise zerstörten und plünderten als auch den Kongress und das Oberste Gericht stürmten. Bolsonaro selbst hielt sich zu dem Zeitpunkt in den USA auf und bestreitet bis heute jede Verbindung zu den Angreifern.
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