Martin Real verkauft «Heuwiese» in Weite

VON DESIRÉE VOGT

«Die Heuwiese ist mehr als ein Restaurant. Es ist ein Refugium jenseits des Alltags, fernab von Stress und Hektik ... Ein Kleinod der Begegnung, der Musse und des Seins», heisst es auf der Homepage der «Heuwiese». Doch für Martin Real, Patron und mehrfach ausgezeichneter Haubenkoch, ist es seit einigen Monaten alles andere als das. Zu viel Stress und zu viel Hektik. Die anfänglich kleine Heuwiese ist ihm zu gross geworden und kann heute nicht mehr in kleinem Stil betrieben werden. Nicht mehr in dem Stil, wie es Real eigentlich möchte: Nämlich sich zu 100 Prozent auf seine Koch-Leidenschaft zu konzentrieren. Deshalb hat sich Martin Real aus gesundheitlichen Gründen entschlossen, die Notbremse zu ziehen, die Türen der «Heuwiese» per Ende September zu schliessen und die Liegenschaft zu verkaufen. Interessenten gibt es bereits, Gespräche werden geführt. Was der künftige Besitzer aus der Liegenschaft macht, ist ungewiss.

Zurück zu den Wurzeln

Leicht hat sich Real diesen Entschluss nicht gemacht, dieser ist über mehrere Monate gereift. Seit Beginn des Jahres denkt er schon über eine berufliche Neuorientierung nach und hat seine Gäste im März darüber informiert. Diese zeigten sich natürlich wenig begeistert, geht doch eine kulinarische Institution verloren. Die «Heuwiese» war und ist Real bzw. Real verkörpert diese. Sei dies in der Küche, dem Ambiente und der Stimmung überhaupt – eben in allem, was dazugehört. Doch genau das ist Martin Real zu viel geworden. Denn auch ein Real kann schliesslich nur 100 Prozent geben. Und die will er dort investieren, wo er sich am besten aufgehoben fühlt.
Wie sich Martin Real künftig beruflich orientieren wird, ist derzeit noch offen. Klar ist für ihn aber: «Es ist Zeit für einen neuen Lebensabschnitt.» Der 53-jährige will das Winterhalbjahr dazu nutzen, sich zu erholen und neu auszurichten. Neuausrichtung allerdings im Sinne von Rückbesinnung, wie Real dann doch noch verrät, denn seine Leidenschaft für das Kochen ist auch nach 15 Jahren «Heuwiese» geblieben. Schon jetzt weiss Real auf jeden Fall, dass er dem Kochen treu bleiben wird. Mit dem Unterschied zu heute, dass er sich dieser Leidenschaft wieder zu 100 Prozent widmen will und wird. Sprich, weniger Geschäftsmann und mehr Koch. Weniger führen, sondern mehr kochen.

Real bleibt dem Rheintal treu

Martin Real geht natürlich nicht nur mit einem lachenden, sondern auch einem weinenden Auge. Er blicke auf 15 sehr erfolgreiche Jahre zurück. Die «Heuwiese» sei bis zum Schluss sehr gut gelaufen, auch wenn er sein Arbeitspensum schon in den letzten Monaten ein wenig «zurückgefahren» habe. Dennoch wiegt das lachende Auge schwerer und der Haubenkoch freut sich auf den neuen Lebensabschnitt, den er ab 1. Oktober beginnen wird. Wie es dann weitergeht, weiss Real noch nicht konkret. Er hat zwar gewisse Vorstellungen, sprich, er kann sich beispielsweise nicht vorstellen, auszuwandern, sondern will im Rheintal bleiben. «Egal, auf welcher Seite.» Hier sucht er sich ein neues, kleines Zuhause, in welchem er seiner Leidenschaft nachgehen kann. Mit der Betonung auf klein, denn ein Geschäft in der Grösse der «Heuwiese» käme für ihn nicht mehr in Frage.
Wenn Real über seine Zukunft spricht, spürt man durchaus, dass er ziemlich konkrete Vorstellungen hat, doch diese verrät er nicht, das Bild behält er für sich. Nur so viel: «Ich will mich nicht unter Druck setzen und lasse mir Zeit.» Wenn es so weit sei, werde er es wissen. Die neue Location werde ihn finden, und nicht umgekehrt. Bis es so weit ist, wird Martin Real als sogenannter «Störkoch», also als freischaffender Koch, arbeiten. Man kann den Haubenkoch also künftig «mieten» und sich die Sterneküche nach Hause holen. So zeigt sich einmal mehr: Wo sich eine Tür schliesst, öffnet sich eine andere. In diesem Fall nicht nur für Martin Real selbst, sondern auch für alle Liebhaber seiner Küche.