«Es macht die Banken sicherer»
MIT MANUEL AMMANN SPRACH THOMAS GRIESSER KYM
Herr Ammann, wie beurteilen Sie die Beschlüsse der Bankenaufseher und Notenbankchefs zu Basel III?
Manuel Ammann: Die Verschärfung der Eigenmittelvorschriften ist grundsätzlich geeignet, die Banken sicherer zu machen. Sie können künftige Verluste besser absorbieren.
Wie sehen Sie die strengeren Eigenmittelvorschriften quantitativ?
Rein quantitativ sind die Anforderungen nicht sehr viel höher als bisher. Neu müssen die gesamten Eigenmittel 10,5 Prozent der risikogewichteten Aktiven einer Bank betragen statt wie bisher 8 Prozent.
Und qualitativ?
Die Vorschriften über die Qualität der Eigenmittel werden stark verbessert. Bisher konnte eine Bank lediglich 2 Prozent ihrer risikobehafteten Geschäfte mit hartem Eigenkapital unterlegen, also Aktienkapital und einbehaltenen Gewinnen. Für den Rest konnte die Bank andere Arten von Eigenkapitalanteilen anrechnen. Das reicht künftig nicht mehr. Neu müssen Banken ein hartes Kernkapital von mindestens 7 Prozent ihrer risikogewichteten Aktiven halten. Das macht viel aus.
Hätten Banken, die in der jüngsten Krise Staatshilfe benötigten, die Probleme bei einer Eigenmittelausstattung wie unter Basel III aus eigener Kraft meistern können?
Das ist nicht sicher. Und auch bei den neuen Vorschriften darf man sich keinen Illusionen hingeben. Basel III bietet keine Garantie, dass Banken in künftigen Krisen nicht wieder Probleme bekommen.
Basel III wird als Nächstes von den G-20-Staaten debattiert. Unabhängig von deren Urteil bleibt Basel III eine Empfehlung. Wie werden die einzelnen Länder entscheiden?
Ich gehe davon aus, dass die meisten Länder den Standard von Basel III übernehmen.
Diese Frage beschäftigt auch die vom Schweizer Bund eingesetzte Expertenkommission, die sich mit der «Too big to fail»-Problematik befasst.
Das Problem systemrelevanter Grossbanken, die der Staat nicht einfach fallen lassen kann, wird mit Basel III nicht gelöst. Aber darauf ist dieses Regelwerk auch nicht ausgerichtet. Es ist eine Massnahme, um das gesamte Bankensystem robuster zu machen.
Was also tun gegen die «Too big to fail»-Problematik?
Man sollte mit neuen Instrumenten sicherstellen, dass grosse Banken nicht vom Staat gerettet werden müssen. Etwa mein Vorschlag, dass Banken besondere Anleihen herausgeben, die in der Krise von Fremd- zu Eigenkapital gewandelt würden. Das verschafft den Banken in einer Krise Zugang zu grossen Mengen an Eigenmitteln, ohne dass sie diese stets halten müssen. Und es nähme die Obligationäre und Aktionäre der Bank in die Pflicht.
Welche Folgen hat Basel III für die beiden Schweizer Grossbanken?
Die neuen Regeln treten ja nicht gleich in Kraft. Ich gehe davon aus, dass Credit Suisse und UBS die Anforderungen ohne Kapitalerhöhungen bewerkstelligen und ihre Eigenmittel aus den laufenden Gewinnen aufstocken können.
Inwieweit betrifft Basel III auch andere Banken als die Grossen?
Das Regelwerk gilt für alle. Viele kleineren Banken sind gut mit Eigenmitteln ausgestattet und haben oft üppige Überdeckungen.
Haben folglich die meisten Banken keinen Handlungsbedarf?
Die meisten Institute erfüllen schon heute die Vorschriften von Basel III. Diese führen aber dazu, dass die Überdeckung abnimmt. Insofern kann es sich für eine Bank trotzdem lohnen, die Eigenmittel weiter aufzustocken, um sich weiterhin als überdurchschnittlich solide zu präsentieren.
Die Bankenlobby hat vor zu scharfen Regeln gewarnt, da es die Kreditvergabe beeinträchtige. Leere Drohungen?
Dass Kredite knapper werden könnten, ist keine leere Drohung. Wenn die Banken sehr viel Eigenmittel unterlegen müssen, können sie tendenziell weniger Kredite vergeben. Denn Eigenmittel sind nicht unbeschränkt verfügbar. Aber die Basel-III-Lösung ist massvoll.