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«Der beste Schutz ist eine tragfähige Beziehung»

Der Kinder- und Jugendschutzbeauftragte Karlheinz Sturn vom Amt für Soziale Dienste (ASD) Liechtenstein erklärt, wie Eltern ihre Kinder am besten vor den Gefahren im Internet schützen.

Herr Sturn, was halten Sie davon, dass bereits 12-Jährige ein Facebook-Profil haben?

Karlheinz Sturn: Facebook ist ab 13 Jahren freigegeben und ich finde es prinzipiell sinnvoll, Altersklassifikationen einzuhalten – sei es jetzt bei Filmen, Games, Nikotin, Alkohol oder eben Sozialen Netzwerken. Da sich die Kinder meistens für die oben genannten Dinge interessieren, bevor sie diese offiziell konsumieren dürfen, sollten Eltern die Zwischenzeit nutzen, um die Kinder vor dem Konsum über die möglichen Gefahren aufzuklären.

Welche Gefahren lauern in Sozialen Netzwerken?

Die Leute «entblössen» sich heute freiwillig auf Facebook. Die Gefahren sind daher zahlreich, von Fotos in unvorteilhaften Situationen bis hin zum Datenschutzproblem und Datenklau von kriminellen Organisationen. Konkret geht es um Passwort- und Identitätsdiebstahl sowie Cybermobbing und -stalking bis hin zum Cybergrooming – also wenn Pädophile unter falscher Identität versuchen, mit Kindern und Jugendlichen Kontakt aufzunehmen. Ein simples Beispiel: Auf Facebook geben viele ihr Geburtsdatum an und liefern dabei das Passwort für wichtige behördliche und ärztliche Datenbanken. 

Wie können Eltern ihre Kinderdavor bewahren?

Vor solchen Gefahren können Eltern ihre Kinder nur durch altersgemässen Zugang, Information und durch eine tragfähige Beziehung schützen. Die Eltern sollten entscheiden, wo und wann ihr Kind ins Internet darf. Ich empfehle, den Computer in einen Raum zu stellen, der von allen Familienmitgliedern jederzeit zugänglich ist, und zu jungen Kindern keine internettauglichen Geräte zu geben. Sie können sich an mich oder an die örtliche Schulsozialarbeit wenden. Ich möchte ausserdem auf unseren «Facebookcheck» hinweisen, den es bei mir in Papierform oder online auf www.jugendschutz.li im Downloadbereich gibt. 

Was genau bewirken diese Massnahmen?

Die Eltern bekommen mit, was ihre Kinder im Internet machen und können sich bei Gelegenheit dazusetzen, sie persönlich über die Gefahren aufklären und gewisse Dinge gemeinsam ansehen. Davon profitieren beide Teile: Die Kinder lernen von ihren Eltern einen sinnvollen Umgang mit dem Internet und die Erwachsenen bilden sich im Bereich der Neuen Medien weiter, da sie oftmals weniger Ahnung von den Neuen Medien haben als die Jungen. Kind und Eltern verbringen dadurch ausserdem Zeit miteinander, was generell wichtig in einer Erziehung ist. Wenn Kinder wissen, dass ihre Eltern immer für sie da sind, haben sie Vertrauen und kommen von alleine, wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist. Auf den Punkt gebracht ist eine tragfähige Beziehung zwischen Eltern und Kindern der beste Schutz – sowohl vor Gefahren in der virtuellen als auch in physischenWelt.

Wie kann man die Medienkompetenz von Kindern fördern?

Ich plädiere dafür, dass das Internet und das Arbeiten damit noch viel mehr Eingang in der Schule findet. Denn die virtuelle und die physische Welt verschwimmen zunehmend. Internet, Soziale Netzwerke etc. sind in der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Die Kinder müssen darum den richtigen Umgang damit lernen. Dasselbe gilt übrigens auch für Erwachsene.

Gibt es in der Region auch Kurse für Kinder und Eltern?

Es gibt Veranstaltungen, die durch den Kinder- und Jugendschutz im Projekt «Gateway» organisiert werden. Dabei unterstützt mich die Datenschutzstelle immer tatkräftig. In Kooperation mit dem Verein Sicheres Liechtenstein (VSL) findet zum Beispiel am Donnerstag, 26. April, im Amt für Bevölkerungsschutz eine Veranstaltung über Gewalt im Internet mit dem bekannten Medienpädagogen und Leiter der Mediendidaktischen Stelle Andreas Oesch statt. Am Donnerstag, 10. Mai, findet ein weiterer Elternabend in Zusammenarbeit der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Planken zu Gefahren und Ressourcen im Internet statt.

Was genau ist «Gateway»?

«Gateway» ist ein Präventionsprojekt mit dem primären Ziel, Eltern in Sachen «Virtualität» – von Games, Web 2.0 bis zu Sozialen Netzwerken – aufzuklären. Es ist ein interregionales Projekt in Zusammenarbeit mit «der Werkstatt für Suchtprophylaxe» in Götzis. Ich habe das Thema vor inzwischen vier Jahren aufgegriffen, weil aus  Sicht des Jugendschutzes die Problematik damals schon auf der Hand lag. Das Internet wird nicht verschwinden und die Problematik bleibt bestehen. Ich werde deshalb versuchen, aus diesem Projekt, das an der Lihga abgeschlossen wird, ein langfristiges Präventionsprogramm zu entwickeln.

Wie erkennt man, dass ein Kind zum Beispiel Opfer von Cyber-mobbing oder sexueller Belästigung im Internet ist?

Das Kind verhält sich anders als sonst. Es ist zum Beispiel traurig, aggressiv, gereizt oder zieht sich zurück. Mütter und Väter müssen in diesem Fall unbedingt nachfragen, warum es ihrem Schützling nicht gut geht. Dabei gilt es, eventuell auch mal hartnäckig zu bleiben. Die veränderte Gefühlslage kann selbstverständlich auch eine andere Ursache haben, schlussendlich ist einfach wichtig, dass die Eltern wissen, was mit ihrem Kind los ist. Denn nur wenn das Problem bekannt ist, kann eine passende Lösung gesucht und gefunden werden.

Falls sich die Vermutung bestätigt, was können Betroffene und deren Eltern unternehmen?

Wird ein Jugendlicher im Internet vor einer grossen Anzahl Menschen blossgestellt, scheint es für ihn eher existenzbedrohend als für einen Erwachsenen, weil sich Pubertierende über die Gruppe identifizieren. Es ist daher wichtig, dass sich bei Cyber-mobbing die Eltern einschalten. Sie können das Ganze eventuell relativieren. Ausserdem empfehle ich, die Schulsozialarbeit aufzusuchen, denn Mobbing im Internet schwappt in die Realität über. Die Schüler werden es sich nicht nehmen lassen, das Opfer auf dem Pausenhof oder in der Schulumgebung weiter zu hänseln. Wird ein Kind im Internet sexuell belästigt, ist Schluss mit lustig. Die Eltern müssen das Amt für Soziale Dienste oder direkt die Polizei einschalten. (hl)

 

Persönlich

Karlheinz Sturn, Jahrgang 1968, ist in Vorarlberg aufgewachsen und hat zwei Kinder im Alter von 10 und 14 Jahren. Er hat eine Lehre als Bürokaufmann absolviert und anschliessend zwei Jahre den Orient bereist. Wieder zurück in Österreich, hat er Erziehungswissenschaften und Psycho-Propädeutikum studiert. Seit 1995 arbeitet Karlheinz Sturn in Liechtenstein. Er engagierte sich unter anderem in der Therapeutischen Wohngemeinschaft Mauren und leitete 3 Jahre lang die Offene Kinder- und Jugendarbeit in Eschen. Bei den Sozialen Diensten Liechtenstein ist er seit 2007 als Kind- und Jugendschutzbeauftragter tätig. Kontakt: karlheinz.sturn@asd.llv.li

 
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