Quo vadis, Anwalt?
In Liechtenstein sind gegenwärtig 187 Anwälte eingetragen – auf eine Bevölkerung von knapp über 37 000 Einwohnern. Das bedeutet, dass ein Anwalt auf etwa 200 Einwohner kommt. Wie ein Vergleich nur schon mit der näheren Umgebung zeigt, ist diese Anwaltsdichte extrem hoch. In Vorarlberg kommt ein Anwalt auf knapp 1500 Einwohner und selbst im Wirtschafts- und insbesondere Bankenkanton Zürich ist die Dichte mit 480 Einwohnern je Anwalt nur etwas mehr als halb so hoch wie in Liechtenstein.
Anwalt versus Algorithmus
Offensichtlich ist, dass der Anwaltsstand nicht von der allgemeinen Wirtschafts- oder auch sonstigen Entwicklung abgekoppelt ist. Wenn die Zahl der Liechtensteinischen Gesellschaften bzw. Rechtsstrukturen binnen zweier Jahre um über 20 Prozent fällt, nach schon deutlichen Rückgängen in den Vorjahren, ist das auch für Anwälte von Bedeutung.
Wer immer glaubte, der Anwaltsberuf ist «jobsicher» oder Garant für hohe Löhne, mag sich bald wundern. Denn grundsätzlich ist das wirtschaftliche Fortkommen allein schon aus wirtschaftlich nationaler Sicht nicht vorbestimmt. Eine rein juristische Ausbildung, die notabene im Gegensatz zur globalen Entwicklung der Wirtschaft nach wie vor sehr lokal ausgerichtet ist, ist längst kein Garant mehr für eine sichere Zukunft. Hinzu kommt, dass die Haltung, «mach doch Jus, damit kannst Du alles machen» aufgrund der zunehmend fortschreitenden Spezialisierung und Digitalisierung zumindest fraglich ist. Die juristische Ausbildung ist, das ist bedauerlicher Fakt, nicht ausreichend auf die Globalisierung ausgerichtet.
Öffnet man den Blickwinkel noch weiter und bezieht die technische Entwicklung mit ein, wird die Zukunft noch unsicherer. Wie verändern sich Berufsbilder, wenn Computer und künstliche Intelligenz zunehmend unser Leben bestimmen?
Eine Oxfort-Studie über Berufe im Jahr 2030 belässt die Juristen zwar noch in der Zukunftsliste. Doch die Autoren von «the second machine age» zeigen auf, dass auch Juristen künftig Algorithmenkollegen begegnen werden. Anwälte könnten somit schon bald durch Software mindestens teilweise ersetzt werden. Zwar ist die Bedrohung gemäss besagter Studie im Verhältnis zu anderen Berufen noch vergleichsweise gering, doch darf die Entwicklung der künstlichen Intelligenz auch hier nicht unterschätzt werden. So hat zum Beispiel unlängst AlphaGo von Google, ein «denkender» Computer den schlausten Spieler der Welt im Go (ein äusserst komplexes chinesisches Brettspiel) besiegt. Durch künstliche Intelligenz: weil er lernte und weiterdachte als wir Menschen dies können. Eine Entwicklung, die Experten erst in 10 Jahren für möglich hielten.
Berufsstand mitentwickeln
Juristen werden weiter gefragt sein, aber nur jene mit Profil, sprich mit einer Zusatzqualifikation, die den heutigen Ansprüchen Genüge tut. Dazu gehören beispielsweise steuerrechtliche oder Fragen der Nachfolgeplanung. Überhaupt ist Beratung gefragt, menschliches Mit- und Vordenken, um nicht entbehrlich zu werden. Auswertungen, Analysen – ja möglicherweise sogar Schriftsätze kann der Computer bald besser. Mit dem Wandel 4.0 tauchen neue Jobprofile auf und es ist deshalb ratsam, dass sich auch die Anwaltsgilde in den politischen Diskurs um ihre Zukunft noch aktiver als bislang einbringt. Sie muss mitwirken und die Richtung, in welche ihr Berufsstand künftig gehen soll, jedenfalls mitbestimmen.
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