Brexit – oder das Kind und das Bad

Aus demokratischer Sicht ist es kaum zu beanstanden, wenn derartige Bestandesaufnahmen und Überprüfungen der Situation vorgenommen werden. Man kann sich sicherlich fragen, ob das Ganze auch weniger dramatisch und vor allem auch weniger risikoreich hätte aufgegleist werden können. Es wäre nicht nötig gewesen, eine «alles-oder-nichts»-Situation herbeizuführen. Immerhin musste sich Europa zu ein paar Grundsatzfragen äusssern.
Die Zugeständnisse, welche Cameron für die Briten erhalten hat, sind nämlich nicht so unbeachtlich, wie es seine Kritiker in der britischen Politik gerne darstellen. Nur schon die Aussage, dass es nicht zu einer «immer engeren Union» kommen müsse, aber auch die Zugeständnisse hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit sind substantieller als man es meinen würde. Wenn die Briten in der EU bleiben, wird es hier Anpassungen in den EU-Verträgen geben müssen. Damit wird die Diskussion, wie tief die europäische Integration sein soll und was sie (nicht) umfassen soll, auch andere Länder erfassen. Das ist nicht verkehrt. Dennoch kann einem schon etwas bang werden, ob die Briten nicht allenfalls das Kind mit dem Bad ausschütten, wenn es ein Nein gäbe. Gemäss den Ausführungen der Bank of England, welche gemäss eigenen Aussagen «leidenschaftslos und unabhängig» die Folgen eines Brexits analysiert hat, überwiegen die Risiken bei einem Austritt. Kurz zusammengefasst ist die Schlussfolgerung der Bank of England, dass der Aussenwert des britischen Pfundes fallen werde, die Inflation steige, Arbeitsplätze verloren gingen und die Bank of England sich unsicher ist, mit welchen geldpolitischen Massnahmen sie hierauf reagieren will.
Brexit und Trump
Wenn man dies liest, so müsste man meinen, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Brexit überschaubar bis klein sei. In Tat und Wahrheit aber dürfte es am 23. Juni 2016 ein enges Rennen geben. Dies scheint ähnlich unvernünftig für aufgeklärte Europäer wie die Tatsache, dass in den USA ein Populist wie Donald Trump Kandidat der Republikaner wird – und tatsächlich Chancen hat, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Ich bringe diese beiden politischen Begebenheiten bewusst in einen unmittelbaren Zusammenhang. Sie haben nämlich tatsächlich etwas gemeinsam. Sowohl die Brexit-Befürworter wie auch beispielsweise ein Trump ist für Abgrenzung und eine gewisse Abschottung. Dies ist ökonomisch und von der Entwicklung her gesehen aber unsinnig. Die Geschichte hat mannigfaltig bewiesen, dass grundsätzlich Offenheit, offene Grenzen, freier Handel und eine liberale Wirtschaftspolitik von Vorteil sind. Auch dann kann es Verwerfungen und Unvernünftigkeiten geben. Die Risiken bei einer solchen Politik aber sind deutlich geringer als wenn man sich grundsätzlich nach Aussen abschliesst. Es kommt dann zwar niemand rein, aber man kriegt auch nichts mehr raus. Mit andere Worten: Export von Dienstleistungen und Waren, aber auch der Zugang zu Bildung und Informationen aus dem Ausland werden schwierig. Man kann ungewollte Immigranten unter Umständen besser fern halten. Es kommen dann aber auch keine Investitionen und Fachkräfte rein.
Wenn nun die Briten aber gehen wollen, soll man ihnen ein Träne nachweinen? Ich meine, ja. Die Briten waren immer Garanten eines liberalen Ansatzes; sie hegten und hegen eine gewisse Skepsis gegenüber bestimmten Entwicklungen hinsichtlich zusätzlicher Regulierung aus Brüssel. Dieses Bekenntnis zu einem gesunden Liberalismus hat sehr viel Positives herbeigebracht und wäre ein wichtiges Korrektiv zu einer gewissen Übervorsicht, Staatsgläubigkeit und Übersozialisierung, die bisweilen bei anderen Staaten – insbesondere Frankreich und Deutschland – festzustellen ist. Ich hoffe, dass sich der sarkastisch gemeinte Satz eines guten Freundes aus London nicht bewahrheitet: «Brexit would be so stupid – we might possibly do it!»
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