«Die SP erhebt sich zum übergeordneten Weltgericht»: So streiten die Genossinnen und Genossen über ihre Gaza-Resolutionen
Co-Präsident Cédric Wermuth tat am Samstagnachmittag zu bereits fortgeschrittener Stunde das, was die SP-Parteileitung in der Resolution zur Situation in Gaza mit keinem Wort erwähnt hatte: Am Parteitag in Sursee verurteilte er das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 als «genozidal» und erinnerte daran, dass die SP das Hamas-Verbot unterstützt habe. Co-Präsidentin Mattea Meyer betonte: «Wir stehen auf der Seite der Opfer der rechtsextremen israelischen Regierung und auf der Seite der Opfer der Hamas.»

Die SP-Spitze hält in ihrer Resolution fest: «Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz verurteilt den von Israel verübten Genozid aufs Schärfste.» Sie fordert vom Bundesrat sodann weitreichende Sanktionen gegen Israel. Wermuth erklärte, die SP stütze sich auf die internationale Expertise und warte nicht, bis ein Gericht das Vorgehen Israels als Genozid werte.
Dass die Führungsriege die Hamas in ihrer Resolution «vergessen» hat, löste bereits im Vorfeld der Delegiertenversammlung heftige Kritik aus. Mit der Berner Nationalrätin Andrea Zryd als Wortführerin reichten SP-Delegierte eine ergänzende Resolution ein. Sie verlangen, dass die Verbrechen der Hamas und der israelischen Regierung durch ein Gericht untersucht werden. Israel solle vollen Zugang für humanitäre Hilfe gewähren und die Hamas aufhören, interne Gegner zu erschiessen. Das Wort Genozid kommt in dem Text nicht vor.

Am Parteitag kritisierte Zryd: «Die SP erhebt sich zu einem übergeordneten Weltgericht, das beurteilt, was Völkermord ist.» In der Resolution der Parteileitung stehe nirgends, dass eine Zweistaatenlösung und ein gerechter Frieden nur ohne Hamas möglich sei. Ein Gegenvorschlag des Aargauer Grossrats Stefan Dietrich, des Basler Grossrats Tim Cuénod und des Delegierten Chaim Howald schaffte es aus formalen Gründen gar nicht auf die Traktandenliste.
Rote Karte nach Holocaust-Vergleich
Die Debatte verlief emotional. Stefan Dietrich monierte, die SP verliere kein Wort über die Geiseln der Hamas, dass sie Israel vernichten wolle und Zivilisten als Schutzschilde missbrauche. Es gehe nicht, Sanktionen gegen Israel zu fordern, aber nicht die Entwaffnung der Hamas. Der ehemalige Tessiner Nationalrat und Fraktionschef Franco Cavalli bezeichnete den Gaza-Streifen derweil als «grösstes Gefängnis unter freiem Himmel». Er habe sich schon gefragt, ob er vielleicht auch zum Terroristen würde, wenn er dort leben würde. Viele Israeli betrachteten die Palästinenser als Menschen zweiter Klasse.
Eine Delegierte sprach sogar von einem Holocaust im Gaza-Streifen. Worauf Generalsekretär Tom Cassee die rote Karte zückte: «Wir möchten keine Vergleiche zum Holocaust».
Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr fand, nach dem Waffenstillstand und den Gewaltexzessen an der Demonstration in Bern sei der Zeitpunkt für eine Resolution nicht passend. Die Parteileitung überschreite rote Linien und drehe bloss an der rhetorischen Eskalationsschraube.
Die Wogen gingen so hoch, dass die Zürcher Nationalrätin Priska Seiler Graf den Antrag stellte, den Entscheid über die Resolutionen zu vertagen. Sie scheiterte aber. Co-Präsidentin Mattea Meyer vermittelte: Was die SP verbinde, sei die Kritik an der Untätigkeit des Bundesrats angesichts des unermesslichen Leids im Gaza-Streifen. Mehr als 60'000 Menschen sind bei den Kriegshandlungen Israels ums Leben gekommen, ein grosser Teil der Infrastruktur ist zerstört.
Letztlich waren die Verhältnisse aber klar. Die Delegierten verabschiedeten die Resolution der Parteileitung deutlich und qualifizierten das Handeln Israels damit offiziell als Genozid. Klar stimmten sie auch der ergänzenden Resolution aus der Feder von Andrea Zryd zu. Noch vor dem Wortgefecht über den Umgang mit der Genozid-Thematik unterstützten die Delegierten eine Volksinitiative zur Anerkennung Palästinas als Staat durch die Schweiz. Im Komitee sitzen mehrere Grüne und Sozialdemokraten.
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