Long Covid: Hausbesuche sollen künftig möglich sein – und Off-Label-Medikamente vergütet werden
Die Coronapandemie hat für geschätzt 300'000 Personen Auswirkungen bis heute: Sie sind betroffen von den postviralen Erkrankungen mit verschiedenster Symptomen und meist extremer Müdigkeit und Rückfällen nach Anstrengung: Long Covid, dem Post-Vac-Syndrom oder der schweren chronischen Form, dem ME/CFS.
Nun wurde eine nationale Strategie zur Verbesserung der Situation der Betroffenen beschlossen: Am Donnerstag nahm der Ständerat als Zweitrat die Motion an. Dass das Anliegen in Bern so glatt durchgerutscht ist, zeigt: Der Handlungsbedarf ist erkannt und dringend.
Laut der Motion sollen die Betroffenen künftig rechtzeitig eine Diagnose erhalten, richtig behandelt werden, durch die Sozialversicherungen unterstützt werden und einen «rechtsgleichen Zugang zu wirksamen Therapien und Arzneimitteln» bekommen.
Chantal Britt, Präsidentin Long Covid Schweiz, sagt: «Wir als Patientenorganisationen sind bereit, unsere Erfahrungen und Expertise in den Dialog einzubringen und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln.»
Long Covid Schweiz, ME/CFS Schweiz und die Schweizerische Gesellschaft für ME&CFS fordern aufgrund der Motion ganz konkrete Massnahmen: Da es noch keine medikamentöse Heilung gibt, aber verschiedene Substanzen, die teilweise helfen, sollen sogenannte Off-Label-Medikamente, also solche, die für andere Krankheiten entwickelt worden sind, für die Betroffenen erhältlich sein und auch vergütet werden.
Leichtere Verfahren mit der IV
Zudem sollen die Patientinnen und Patienten durch die Sozialversicherungen besser abgesichert werden: Noch immer zögern viele IV-Stellen Renten zu sprechen, weil die Krankheiten nicht mit einfachen Blutanalysen belegbar ist.
Die Patientenorganisationen fordern, dass ausserdem in allen Sprachregionen Kompetenzzentren geschaffen werden und ein Forschungsprogramm mit Betroffenen gestartet wird. Postinfektiöse Erkrankungen sollen auch in den Lehrplan der medizinischen Berufe aufgenommen werden.
Unter der in der Motion genannten «adäquaten Unterstützung» verstehen sie auch eine angepasste Behandlung: So sollen künftig telemedizinische Beratungen und Hausbesuche bei schwerstbetroffenen Patientinnen und Patienten möglich sein und entsprechend vergütet werden von den Krankenkassen.
Wie viel davon umgesetzt werden wird, ist noch unklar. Nationalrat Lorenz (Mitte/BE), der Urheber des Vorstosses, sagt nach dem ständerätlichen Entscheid: «Ich erwarte, dass nun pragmatisch vorgegangen wird und alle Beteiligten für eine rasche Verbesserung der Situation zusammenarbeiten.»
Problem war bis zur Pandemie kaum bekannt
Das Problem der Post-Infektiösen Krankheiten ist durch die Pandemie erst in den Fokus gerückt: Davor hatten es die Betroffenen noch viel schwerer sich Gehör zu verschaffen und ernst genommen zu werden. An Heilungsmöglichkeiten wurde kaum geforscht. Diesen Punkt sprach auch Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider an, welche im Namen des Bundesrates die Annahme der Motion empfohlen hatte. Sie sagte am Donnerstag im Ständerat: «Die Covid-19-Pandemie hat das Ausmass dieser Herausforderung besonders deutlich gemacht. Viele Menschen leiden heute unter anhaltenden Symptomen, die ihre Lebensqualität und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nachhaltig einschränken.»
Baume-Schneider wies aber darauf hin, dass sich der Bundesrat vor allem in der Rolle des Koordinators sehe: Die Umsetzung und Finanzierung liege bei den Kantonen. Die nationale Strategie soll im ersten Halbjahr 2027 präsentiert werden.
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