­
­
­
­

Grösster Fall von Menschenhandel: 146 Frauen wurden Opfer von Chinesenclan

Sie wurden mit dem Versprechen nach einem besseren Leben nach Europa gelockt und landeten im Sexgewerbe. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Bern gegen fünf mutmassliche Menschenhändler Anklage erhoben.
von Kari Kälin
Menschenhandel in der Schweiz: Die Staatsanwaltschaft Bern hat Anklage gegen einen Clan erhoben. (Bild: Michael Buholzer/Keystone)
Die Frauen wurden zu Prostition gezwungen, nachdem sie unter falschen Versprechen in die Schweiz gelockt worden waren. (Bild: Michael Buholzer/Keystone)

Am 17. Mai 2022 gelingt der Kantonspolizei Bern ein Schlag gegen den Menschenhandel. In Bern und anderen Kantonen durchsuchen Beamte in einer gross angelegten Aktion 14 Wohnungen und Zimmer. Sie nehmen drei Männer und zwei Frauen fest. Sechs mutmassliche Opfer, alles Frauen aus China, werden für Abklärungen auf den Polizeiposten gebracht.

Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Bern Anklage erhoben gegen eine 52-jährige Schweizerin, einen 51-jährigen Schweizer, eine 53-jährige Deutsche sowie zwei Chinesen im Alter von 30 und 34 Jahren. Die beiden beschuldigten Frauen haben Wurzeln in China. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Clan unter anderem Menschenhandel, Förderung der Prostitution sowie Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise vor.

Zum Teil werden sie sich auch für Geldwäsche, Urkundenfälschung sowie Täuschung der Behörden verantworten müssen, wie die Staatsanwaltschaft am Montag mitteilte. Für die Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Die Berner Strafverfolgungsbehörden informierten unter Anwesenheit von Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) bereits im Mai über den Fall.

Frauen erfüllen Schönheitsideale

Bei den Untersuchungen wurde klar: Es handelt sich um den grössten Fall von Menschenhandel, der in der Schweiz je aufgedeckt wurde. Die Ermittler stiessen auf 146 Frauen, die meisten Chinesinnen, die während Jahren zur Prostitution gezwungen wurden. Die Beschuldigten mieteten privat Wohnungen (Airbnb) und Zimmer, in denen die Frauen die Freier bedienen mussten.

Die Frauen wurden zu Prostition gezwungen, nachdem sie unter falschen Versprechen in die Schweiz gelockt worden waren. (Bild: Michael Buholzer/Keystone)

Laut den Erkenntnissen der Ermittler nahmen die Beschuldigten ihren Opfern die Hälfte der Einnahmen ab und bestimmten, wie häufig sie sich prostituieren mussten. Rekrutiert wurden vorwiegend Frauen, die den Schönheitsidealen entsprechen. Sie wurden in Online-Chats mit falschen Versprechungen nach Europa und in die Schweiz gelockt.

Bulgarischer Familienclan verurteilt

Bei den Ermittlungen arbeitete die Kantonspolizei Bern mit weiteren Kantonen, dem Bundesamt für Polizei, Europol sowie Strafverfolgungsbehörden diverser europäischer Länder zusammen, darunter Belgien, Spanien, Deutschland und die Niederlande. Dank gefälschter und unrechtmässig erworbenen Visa und Ausweisdokumenten konnten die Frauen in Europa frei herumreisen.

Die Polizeien registrierten in der Schweiz im vergangenen Jahr 79 Straftaten im Bereich des Menschenhandels, und die Gerichte fällten elf Urteile. Zum Menschenhandel zählt auch die Ausbeutung der Arbeitskraft. Gemäss einer Studie des Bundes sind die Gastro- und Baubranche davon betroffen, aber auch die Landwirtschaft und die Care-Arbeit, inklusive Haushaltshilfen. Die Dunkelziffer ist laut Fachleuten hoch.

Für Aufsehen sorgte ein Prozess in Genf. Ein Gericht verurteilte im Mai 2024 ein Trio eines bulgarischen Familienclans der Roma-Minderheit zu mehrjährigen Haftstrafen. Es heuerte Familienmitglieder aus der Heimat an und liess sie in der Schweiz für sie betteln. Die Opfer lebten in prekären Verhältnissen.

Artikel: http://www.vaterland.li/regional/schweiz/groesster-fall-von-menschenhandel-146-frauen-wurden-opfer-von-chinesenclan-art-609735

Copyright © 2025 by Vaduzer Medienhaus
Wiederverwertung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung.

­
­