In der Eigenmietwert-«Arena» bringt ein Bündner die Bürgerlichen in Bedrängnis
Ernste Gesichter, komplizierte Fachausdrücke, Stirnrunzeln im Publikum – etwa so hatte man sich eine Diskussion über die Abschaffung des Eigenmietwerts vorgestellt. Die ersten Minuten der Abstimmungs-«Arena» versprachen denn auch, genau dieser Erwartung gerecht zu werden. Wer dennoch dranblieb, wurde belohnt.

Aber von vorn: Am 28. September stimmt die Schweiz über die Abschaffung des Eigenmietwerts ab, zumindest indirekt.
Wer eine Wohnung oder ein Haus besitzt und darin wohnt, muss heute den Eigenmietwert versteuern. Das heisst: Steuern bezahlen für theoretische Mieteinnahmen. Zugleich können Eigentümerinnen und Eigentümer verschiedene Abzüge geltend machen, zum Beispiel Unterhaltskosten oder Hypothekarzinsen. Bei der Abstimmung Ende des Monats geht es um einen Systemwechsel: Der Eigenmietwert würde abgeschafft, dafür würde ein Grossteil der bisher möglichen Abzüge gestrichen.
So viel zur Ausgangslage der zweiten Abstimmungs-«Arena», zu der die Befürwortenden und das gegnerische Lager zahlreich erschienen waren. Es moderierte Mario Grossniklaus.
Für die Vorlage diskutierten:
- Gregor Rutz, Nationalrat SVP/ZH und Präsident HEV Schweiz
- Brigitte Häberli-Koller, Ständerätin Die Mitte/TG und Vizepräsidentin HEV Schweiz
- Markus Ritter, Nationalrat Die Mitte/SG und Präsident Schweizer Bauernverband
- Peter Schilliger, Nationalrat FDP/LU
Gegen die Vorlage waren:
- Eva Herzog, Ständerätin SP/BS
- Mathias Zopfi, Ständerat Grüne/GL und Präsident Schweizerischer Gemeindeverband
- Martin Bühler, Leitender Ausschuss Konferenz der Kantonsregierungen, Regierungsrat GR/FDP
- Martin Wyss, Vorstand Schweizerischer Maler- und Gipserunternehmer-Verband
Eigenmietwert – absurd oder gerecht?
Die vier Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die an diesem Freitagabend in der ersten Reihe diskutieren durften, legten die Karten rasch offen auf den Tisch, beziehungsweise auf ihr Stehpult. Gregor Rutz, SVP-Nationalrat und Präsident des Hauseigentümerverbands, nannte den Eigenmietwert «völlig absurd». Seine Begründung:
«Der Eigenmietwert ist eine Steuer auf ein theoretisches Einkommen, das die Leute gar nicht haben.»
Das sei ungerecht, weil mit dem Eigenmietwert jene bestraft würden, die für ein Haus gespart und dafür auf andere Dinge verzichtet hätten. Ein Eigenheim bringe ausserdem laufend Kosten mit sich. Und: Das jetzige System böte einen Anreiz, Schulden zu machen. Und das sei ein volkswirtschaftliches Risiko. Für Rutz war darum klar: «Den Eigenmietwert muss man streichen.»

Eva Herzog, SP-Ständerätin und ehemalige Finanzdirektorin des Kantons Basel-Stadt, argumentierte gegen die Vorlage. Sie sah im Eigenmietwert einen ausgewogenen Versuch, Mieterinnen und Hauseigentümer gleich zu behandeln. Denn:
«Der Eigenmietwert ist kein fiktives Einkommen, sondern ein Naturaleinkommen.»
Die Eigentümerinnen und Eigentümer, die zahlenmässig in der Schweiz eine Minderheit bildeten, seien bereits heute in einer privilegierten Position und bedürften nicht noch einer Besserstellung, so Herzog. Für das Loch, das eine Abschaffung der Steuer in der Staatskasse hinterlassen würde, müssten hingegen alle aufkommen. Ihr Fazit: «Es gibt keinen Handlungsbedarf.» Und wenn, dann sähe sie diesen bei Vorlagen, die Mieterinnen und Mieter entlasten.

Die Abschaffung des Eigenmietwerts hätte ihren Preis, rechnete auch Moderator Mario Grossniklaus vor: Gemäss einer Schätzung des Bundes drohen in diesem Fall Mindereinnahmen von 1,95 Milliarden Franken für die öffentliche Hand.
Die Sache mit der heissen Kartoffel
«Das liegt nicht drin», tönte es von einem Pult etwas abseits der Hauptrunde. Dort stand Martin Bühler, der Finanzdirektor des Kantons Graubünden. Seiner Parteizugehörigkeit nach hätte Bühler eigentlich für die Vorlage sein müssen. Der FDP-Regierungsrat vertrat an diesem Abend aber nicht seine Partei, sondern die Konferenz der Kantonsregierungen. Und die ist gar nicht erfreut über den politischen Kompromiss, der jetzt vors Volk kommt. Bühler sprach ruhig, aber bestimmt:
«Die Hauptbetroffenen wären die Kantone und die Gemeinden.»
Die fehlenden Steuereinnahmen hätten zur Folge, dass bereits eingeplante Leistungen der Kantone und Gemeinden gestrichen werden müssten. «Verlieren würde die Allgemeinheit, die von diesen Leistungen profitiert», warnte Bühler.

«Bürgerliche Kantone, die sich gegen ein bürgerliches Anliegen wenden? Das ist schon speziell», bemerkte Moderator Grossniklaus an den Befürworter Gregor Rutz von der SVP gewandt.
Dieser erwiderte, dass die Kantone mit der geplanten Verfassungsänderung ja die Möglichkeit erhalten sollten, eine Objektsteuer einzuführen. Nochmals zur Erinnerung: Die beiden Vorlagen sind verknüpft. Wer den Eigenmietwert abschaffen will, stimmt am 28. September dafür, dass Kantone und Gemeinden künftig zur Kompensation Steuern auf Zweitliegenschaften erheben können.
Werde damit die «heisse Kartoffel» nicht einfach an die Kantone weitergegeben, wollte Grossniklaus von Rutz wissen. Dieser verneinte:
«Das ist die Freiheit und der Respekt vor dem Föderalismus.»
Bühler, der einzige kantonale Politiker in der Runde, sah das allerdings anders. Eine neue Steuer einzuführen, sei nicht ohne Weiteres machbar. Die Bürokratie, derer sich der Bund mit der Abschaffung des Eigenmietwerts entledige, lande so bei den Kantonen. Es sei eine Wahlfreiheit, die die Kantone gar nicht gewollt hätten. «Gut gemeint ist das Gegenteil von gut», gab er zurück.
Rutz, Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller und Mitte-Nationalrat Markus Ritter sahen mit der Verfassungsänderung also Chancen für die Selbstbestimmung der Kantone, während Bühler im Namen der Kantonsregierungen diese heisse Kartoffel lieber zurückgeben wollte.

Der Durchblick kommt zum Schluss
Mitnahmeeffekte, Hypothekarzinsen, Objektsteuer – Immobilien-Laien mögen in der «Arena» zum Eigenmietwert wohl mehr als einmal nur Bahnhof verstanden haben. Langweilig war die Sendung deswegen aber noch lange nicht. Dafür sorgten Überraschungsmomente wie das Aufbegehren des Bündner FDP-Regierungsrats Martin Bühler gegen die bürgerlichen Bundespolitikerinnen und -politiker.
Oder Gregor Rutz' Reaktion auf eine UBS-Prognose, die höhere Immobilienpreise voraussagte, sollte der Eigenmietwert abgeschafft werden: «Das ist esoterisch, was die UBS sagt!». Oder wiederum Bühler, der sich zweimal freundlich bei seinem Vorredner Rutz bedankte, nachdem ihm dieser heftig widersprochen hatte. Bühler erntete von Grossniklaus ein überraschtes: «Das war nett – so etwas kennt man in der Arena gar nicht.»
Als sich die Abstimmungssendung langsam ihrem Ende zuneigte, wandte sich die Mitte-Politikerin Brigitte Häberli-Koller nochmals mit einem Appell an die Runde: «Es ist wichtig, dass wir jetzt eine Entscheidung treffen.»

Eine Entscheidung dürfte vielen Stimmenden wohl schon nur deswegen schwerfallen, weil das Wort «Eigenmietwert» auf dem Stimmzettel gar nicht erst vorkommt. Moderator Mario Grossniklaus hatte deswegen extra seinen eigenen Stimmzettel in die Sendung mitgenommen und erklärte nochmals klar und deutlich, ob man nun ein «Ja» oder ein «Nein» in die Urne legen muss, wenn man den Eigenmietwert abschaffen will. Und so kam er zum Schluss doch noch: ein kurzer Moment des Durchblicks.
Die ganze Sendung können Sie hier schauen:
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