Raiffeisen-Präsident von Affäre "überrascht"
"Wenn Sie falsche Angaben erhalten oder Ihnen wichtige Informationen vorenthalten werden, können Sie sich kein korrektes Bild verschaffen", sagte Rüegg-Stürm in einem Interview mit der "NZZ am Sonntag". Vincenz habe gegenüber dem Management relevante Sachverhalte nicht offengelegt. Dieser habe eine private Beteiligung an der später übernommenen Beratungs- und Investmentgesellschaft Investnet kaschiert.
Der Raiffeisen-Präsident bestritt, dass der Verwaltungsrat zu wenig genau hingeschaut habe. Als vor rund zwei Jahren erste Verdachtsmomente laut wurden, habe die Bank "sehr früh" einen internen Check eingeleitet, sagte Rüegg-Stürm. Dabei seien die gesamte rechtliche Konstruktion, die sichtbaren Verflechtungen und mögliche Interessenkonflikte abgeklärt worden.
Fehler eingeräumt
Erst mit der Eröffnung der Strafuntersuchung seien für den Verwaltungsrat Verdachtsmomente sichtbar geworden, betont der Raiffeisen-Präsident. Eine Strafverfolgungsbehörde habe ganz andere Mittel, um einen Sachverhalt zu klären. Die zutage getretene Entwicklung habe ihn "völlig überrascht und schockiert".
Allerdings räumt der Verwaltungsratspräsident auch Fehler ein. Die Einsetzung von Vincenz’ Ehefrau als Leiterin der Rechtsabteilung der Bank sei eine "unglückliche Konstellation" gewesen. "Mit dem Wissen von heute würde ich dies selbstverständlich anders handhaben."
Der Verwaltungsrat will an Gisel als CEO festhalten, obschon dieser zeitweise Präsident jener Beratungsgesellschaft war, die nun Gegenstand der Strafuntersuchung ist. Gisel führe die Raiffeisen-Gruppe sehr erfolgreich, sagte Rüegg-Stürm. Gisel geniesse die vollumfängliche Unterstützung des Verwaltungsrats.
Bank-Präsident tritt wieder an
Bei der Bank kommt es aber ohnehin zu personellen Veränderungen. Neun der zwölf VR-Mitglieder scheiden bis 2020 aus. Im Juni sollen zwei neue Mitglieder gewählt werden. Rüegg-Stürm will zwei weitere Jahre als Präsident antreten. Der 1961 geborene HSG-Professor präsidiert den Verwaltungsrat im 50-Prozent-Pensum seit 2011. Ins Gremium berufen wurde er 2008.
Die Spekulationen vom letzten Monat, wonach Bundesrätin Doris Leuthard im Gespräch sein soll als seine Nachfolgerin - was ihr Departement dementierte - bedauert Rüegg Stürm. "Für Bundesrätin Doris Leuthard tut es mir leid, dass sie in diese Spekulationen hineingezogen wurde", sagte er im Zeitungsinterview.
Der frühere Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz sitzt seit dieser Woche in Untersuchungshaft. Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher ungetreuer Geschäftsbesorgung. Vincenz soll bei Firmenübernahmen der Kreditkartengesellschaft Aduno und der Investmentgesellschaft Investnet ein Doppelspiel gespielt und persönlich abkassiert haben. Aduno reichte im letzten Dezember Anzeige ein. Raiffeisen doppelte letzte Woche nach. Vincenz bestreitet die Vorwürfe. (sda)
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