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Justizgeschichten: Der Kampf zwischen Lindt-Teddy und Migros-Bär

Gelegentlich fiel der St.Galler Justiz eine Nebenrolle in der hundertjährigen Geschichte der Migros zu. So verbot das Handelsgericht der Migros, ihren Schoko-Bär zu verkaufen, weil dieser als unlautere Nachahmung eines weltbekannten Produkts der Firma Lindt erscheine. Schon wenige Tage später wurde das Verbot aber wieder aufgehoben.
Aus der superprovisorischen Verfügung des St.Galler Handelsgerichts: der Lindt-Teddy und der Migros-Bär. (Bild: Screenshot: zvg)
Alt Kantonsrichter Rolf Vetterli. (Bild: Hanspeter Schiess)

Der Gründer der Migros hielt nichts von Markennamen. Sie dienten nach seiner Meinung bloss zur Preistreiberei. So entwickelte Duttweiler einen grossen Einfallsreichtum, um angesehene Markenartikel zu verspotten. Dabei legte er sich unter anderem mit der deutschen Firma Henkel an, deren Waschmittel damals schon einen Franken kostete. Er verkaufte das Waschpulver für die Hälfte und taufte es «Ohä», was für «ohne Hänkel» stand. Als das St.Galler Handelsgericht diese Art der Verpackung verbot, liess er das Wort «Hänkel» mit einem Feigenblatt zudecken.

Duttis Nachfolger setzten die Tradition der ironischen Nachahmung von Wortmarken fort. So bewarb etwa die Migros-Tochter Denner ihre Kaffeekapseln mit der rhetorischen Frage «was suscht?» und das war offensichtlich eine Verballhornung des von Nespresso verwendeten Slogans «what else?». Der st.gallische Handelsgerichtspräsident bezeichnete diese Übersetzung des Ausspruchs von George Clooney als «schmarotzerische Rufausbeutung». Schon die Formulierung machte deutlich, dass die Justiz keinen Spass versteht.

Alt Kantonsrichter Rolf Vetterli. (Bild: Hanspeter Schiess)

Vor genau zwölf Jahren beklagten sich die Schokoladenfabriken Lindt & Sprüngli bitterlich darüber, dass die Migros neuerdings einen Schoko-Bären anbiete, der eine unlautere Anlehnung an ihren süssen Teddy darstelle. Auch sie wandten sich mit ihrer Eingabe an eine st.gallische Instanz, obwohl sie überall hätten klagen können, wo eine Verletzung ihrer geschützten Rechte stattfand. Anscheinend hatte sich das hiesige Handelsgericht den Ruf erworben, fast so schnell zum Mittel der superprovisorischen Verfügung zu greifen wie ein Sheriff zum Revolver.

Eine solche Verfügung hat die Eigenart, dass sie auf einseitigen Antrag und ohne Anhörung der Gegenpartei sofort, ja geradezu schlagartig erlassen werden kann. Vorausgesetzt wird eine dringende Gefahr, dass beim Zuwarten ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil entstünde. Dabei mahnte das Bundesgericht allerdings auch schon zur Zurückhaltung. Der gerichtliche Akt dürfe nicht zu einer «staatlich autorisierten Selbsthilfe» herabsinken.

Das Handelsgerichtspräsidium liess sich von den Argumenten der Gesuchstellerin überzeugen: Der Migros-Bär sehe dem Lindt-Teddy auffallend ähnlich. Beide nähmen eine sitzende Position ein, seien in Goldfolie eingewickelt und trügen ein rotes Halsband. Auf diese Weise werde eine Verwechslung provoziert und – wie Lindt & Sprüngli in aller Bescheidenheit anmerkten – der «exzellente Ruf» ihrer weitherum bekannten Produkteserie ausgenutzt, die schon eine ganze Menagerie vom Goldhasen bis zum goldenen Rentier umfasse.

Auch eine hohe Dringlichkeit sei gegeben. Die Anpreisung des Schoko-Bärs sei nämlich im kürzlich erschienenen Weihnachtskatalog der Migros enthalten, weshalb demnächst mit einer Auslieferung der Billigware gerechnet werden müsse, was der Klägerin das Festtagsgeschäft verderben könnte. So wurde der Gesuchsgegnerin umgehend untersagt, ihre Süssigkeiten in Verkehr zu bringen, unter Androhung einer Ordnungsbusse von tausend Franken für jeden Tag der Nichterfüllung – das hätte sich bis Weihnachten zu einem stattlichen Betrag summiert.

Schon zehn Tage später wurde dieses Verbot jedoch wieder aufgehoben. Vorher hatte der Gerichtspräsident aufgrund von Bildern im Miniaturformat entschieden.  Jetzt lagen ihm die Schokoladenfiguren im Original vor. Dabei fielen schon beim ersten Blick erhebliche Unterschiede in Form und Farbe auf. Zudem machte die Migros glaubhaft, dass sie den Schoko-Bären schon vor längerer Zeit erstmals in das Weihnachtssortiment aufgenommen habe. Die Gussform sei dieselbe geblieben, nur die Aufmachung habe sich leicht verändert. Folglich sei es ausgeschlossen, dass der erst später lancierte Teddy nachgeahmt wurde. Schliesslich erweise sich ein Verkaufsverbot auch als unverhältnismässig. Weil Erzeugnisse aus Schokolade nicht umverpackt werden dürften, bliebe nichts anderes übrig, als sie bis zum Verfalldatum einzulagern oder gleich einzuschmelzen.

Die Klägerin verzichtete darauf, das Hauptverfahren betreffend den angeblich unlauteren Wettbewerb fortzusetzen. Sie verkauft ihren Lindt-Teddy unverändert bis heute, während der Migros-Bär bald wieder aus den Regalen verschwand. Das St.Galler Handelsgericht hat sich seither wohl keine Bären mehr aufbinden lassen.

 
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