Jérôme Müggler: Ostschweizer Unternehmen aus eigener Kraft stärken
Ob es uns gefällt oder nicht, wir sind «Opfer» unseres eigenen Erfolgs. Ich meine damit den Erfolg der Exportnation Schweiz, der von vielen Schweizer Unternehmen geprägt wird. Sie spielen global mit, sind in Nischenmärkten tätig und somit auch dem permanenten Wettbewerb ausgesetzt. Innovations- und Preisdruck sind Alltag. Die wichtigsten Märkte für unsere Unternehmen sind die USA und die Europäische Union – mit sehr grossem Abstand zu anderen Regionen. Der Freihandel mit China, Indien und zukünftig hoffentlich auch mit den Mercosur-Staaten ermöglicht es Unternehmen, weitere Absatzmärke aus- beziehungsweise aufzubauen.
Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsnationen ist unser Land speziell auf den freien Zugang zu ausländischen Märkten angewiesen. Mit nur rund 9 Millionen Einwohnern ist der Binnenmarkt sehr klein und könnte die Nachfrage nach den hochwertigen und spezialisierten Produkten, für welche die Schweiz bekannt ist, nicht annähernd abdecken. Rund jeder zweite Franken wird durch Exporte verdient, und ein Drittel aller Arbeitsplätze hängt direkt oder indirekt von internationalen Absatzmöglichkeiten ab. Gleichzeitig verfügt die Schweiz über keine eigenen Rohstoffe oder bedeutende Energievorkommen und ist daher auf Importe angewiesen, die nur bei offenen Handelswegen gesichert werden können.
Die Ankündigung der US-Administration im vergangenen August, den Grossteil der Schweizer Warenimporte mit einem Zusatzzoll von 39 Prozent zu belegen, war deshalb ein Schock für die exportorientierte Wirtschaft in unserer Region. Eine aktuelle Umfrage der beiden Ostschweizer Handelskammern bei über 200 Unternehmen zeigt erstmals die konkreten Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft. Dabei überwiegen nach Einschätzung der Unternehmen eindeutig die Abwärtsrisiken: Neun von zehn Befragten rechnen damit, dass sich die US-Zölle negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken werden. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen berichtet bereits von negativen Effekten, zwei Drittel erwarten solche. Zudem sieht ein Drittel der Unternehmen die Frankenstärke als Herausforderung. Tatsächlich hat sich der US-Dollar gegenüber dem Schweizer Franken seit Anfang Jahr um mehr als 10 Prozent abgewertet.
Was heisst das nun für die Schweiz und ihre Bevölkerung? Externe Faktoren wie die Handelspolitik von Grossmächten via Zölle können wir kaum beeinflussen. Es ist zu hoffen, dass auf diplomatischer Ebene bald eine für die Schweiz tragbare Lösung gefunden wird. Die internen Faktoren – sprich unsere eigene Wirtschaftspolitik – können wir aber sehr wohl auf einen Kurs bringen, der uns allen zugutekommt. Dazu gehört einerseits die Offenheit und die Vernunft, mit verschiedenen Handelspartnern regelbasierte Beziehungen zu etablieren und zu sichern. Mit «sichern» meine ich aktuell die Bilateralen Verträge mit der EU. Andererseits tun wir gut daran, wenn wir unseren Unternehmerinnen und Unternehmern politisch nicht noch Steine in den Weg legen. Das heisst: radikaler Abbau von Bürokratie, weniger Lohnnebenkosten, ein flexibleres Arbeitsrecht, keine unnötigen Wohlstandsregulierungen, ein schlanker Staat, weniger Handelshemmnisse und mehr Handelsabkommen. Wir haben es in der Hand – in unserem eigenen Interesse.
Jérôme Müggler stammt aus Frauenfeld und ist Direktor der Industrie- und Handelskammer (IHK) Thurgau. Er schreibt diese Kolumne wöchentlich im Turnus mit Paul Rechsteiner, Carla Maurer und Toni Brunner, sowie Reena Krishnaraja und Marta Ulreich, die ihre Kolumnen gemeinsam verfassen.
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