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Olympische Sommerspiele in Tokio

Vereint nur auf Distanz

Das Motto der 32. Sommerspiele in Tokio, die um ein Jahr verschoben wurden, lautet «United by Emotion». Zum Ablauf eine widersprüchliche Aussage, denn ausgetragen werden die Wettkämpfe zum ersten Mal in einer Pandemie. In einer Stadt, welche gerade wieder den Notstand ausgerufen hat. In erster Linie für die Athleten, weil Zuschauer sind keine zugelassen.
von Gary Kaufmann
Japans junges Nationalstadion
Japans junges Nationalstadion wurde extra für die Olympischen Sommerspiele gebaut (Eröffnung 2019). Die mehr als 68 000 Zuschauerplätze werden bei den Wettkämpfen allerdings nicht benötigt. (Bild: WENCHENG JIANG)

Für die meisten Leistungssportler gibt es nichts Grösseres, als an den Olympischen Spielen teilzunehmen und für ihr Land um Medaillen zu kämpfen. Mehrere Jahre trainieren sie auf dieses einzigartige Abenteuer hin. Wer sich dafür qualifiziert, darf sich in seiner Disziplin zu den Besten der Welt zählen. Insofern war es für das Internationale Olympische Komitee (IOC) keine leichte Entscheidung, als die Olympischen Sommerspiele wegen des Covid-19-Virus von 2020 auf 2021 verschoben wurden (neuer Termin: 23. Juli bis 8. August).

Ein Jahr später ist die Pandemie immer noch gegenwärtig. Vor einigen Wochen wurde der Corona-Notstand in der japanischen Hauptstadt aufgehoben, aufgrund der verschärften Lage (steigende Fallzahlen) musste kurz vor Startschuss der Spiele wieder zurückgerudert werden. Deshalb sind jetzt doch keine Zuschauer an den Wettkämpfen zugelassen. Für jene aus dem Ausland ist dies schon länger der Fall, neu gilt dies allerdings auch für die Einheimischen, von denen viele nun auf ungültigen Tickets sitzen bleiben. Die 32. Sommerspiele werden also vor allem auf den Bildschirmen stattfinden.

Beat Wachter im Olympischen Dorf

Chef de Mission: «Es könnte morgen losgehen»

Täglicher Coronatest und immer die Tracing-App aktiviert haben

Die Sorge vor einem «Superspreading-Event» ist gross innerhalb der japanischen Bevölkerung, was für eine angespannte Stimmung sorgt. Dem muss entgegengehalten werden, dass das IOC ihre Bedenken ernst nimmt und alles daran setzt, eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Athleten, Funktionäre sowie Medienvertreter müssen sich an ein striktes Hygiene-Schutzkonzept halten, wozu u. a. tägliche Gesundheitsrapports (ab 14 Tage vor der Anreise), Aktivitätenpläne für die Zeit in Tokio und der Download einer Contact-Tracing-App gehört. Kurz vor der Anreise müssen zwei PCR-Tests mit einem negativen Resultat absolviert werden, bei der Ankunft am Flughafen steht der nächste an und anschliessend täglich weitere Spucktests. Dies gilt auch für Geimpfte, da wird keine Ausnahme gemacht. Ausserdem müssen die über 11 000 Athleten während ihres Aufenthalts in einer «Blase» bleiben, die sich auf das Olympische Dorf und die Sportstätten ihrer Disziplinen beschränkt. Aus Sightseeing im Land der aufgehenden Sonne und dem Austausch mit der Bevölkerung wird also nichts.

Trotz all dieser Herausforderungen respektive Einschränkungen wurde eine komplette Absage nie in Erwägung gezogen. «Das war nie wirklich eine Option. Das IOC lässt die Athleten nicht im Stich», betont IOC-Präsident Thomas Bach, obwohl er in den vergangenen 15 Monaten jeden Tag gezweifelt habe. Aus einem einfachen Grund sprach er seine Bedanken erst diese Woche öffentlich aus, nachdem alles fix ist. «Wie kann man sonst einen Athleten überzeugen, sein Training fortzusetzen?»

Julia, Christoph und Rapahel

Wer darf Liechtensteins Fahne tragen?

Nur für die Wettkämpfe da, danach sofort «Sayonora»

«Tokyo 2020» wird als Pandemie-Spiele in die Geschichte eingehen. Noch nie wurden die Wettkämpfe während einer globalen Krise durchgeführt. Schon der übliche Vier-Jahre-Turnus ist für Sportbegeisterte eine gefühlte Ewigkeit. Für den längsten Unterbruch (zwölf Jahre) sorgte der Zweite Weltkrieg zwischen den Sommerspielen 1936 (Berlin) und 1948 (London).

Ist es den Aufwand beziehungsweise das Risiko überhaupt wert? «Es bleibt nach wie vor der grösste Sportanlass der Welt und für die Mehrheit der Athleten wird es der wichtigste Anlass in ihrer Karriere sein», meint Beat Wachter, Chef der Liechtensteiner Mission.

Ralph Stöckli, sein Schweizer Kollege, zollt dem Organisationskomitee und dem IOC grossen Respekt: «Sie haben einen Weg gefunden, dass die Spiele trotz aller Widrigkeiten stattfinden können.» Ihm zufolge habe keiner der 116 selektionieren Schweizer Athleten aufgrund der ungewöhnlichen Situation auf eine Teilnahme verzichtet; Tennis-Medaillenhoffnung Roger Federer musste wegen Knieproblemen absagen. Darin zeigt sich, dass eine klare Mehrheit der betroffenen Sportler hinter den Pandemie-Spielen stehen. Kein Wunder, denn die internationale Elite ist mittlerweile längst daran gewohnt, sich unter diesen Bedingungen zu messen.

«Diese Einschränkungen nimmt man gerne in Kauf, solange die Spiele trotz des Virus überhaupt stattfinden können», sagt Julia Hassler. Die 28-Jährige Schwimmerin, welche auch schon in Rio de Janeiro (2016) und London (2012) dabei war, ist Liechtensteins sportliches Aushängeschild an diesen Spielen. Für die bald dreifache Olympionikin wird es der letzte Auftritt auf dieser grossen Bühne sein. Sie freut sich daher umso mehr auf ihre Einsätze «Die Wettkämpfe stehen im Vordergrund, davor macht man eigentlich nicht viel Anderes ausser sich darauf vorzubereiten. Von daher wird sich nicht viel ändern.» Erst nach den eigenen Wettkämpfen, wenn es ohne Ausflüge oder sonstigem eigentlich obligatorischen Touristen-Drumherum direkt zurück in die Heimat geht.

Schwendinger in Linz

10 Tage Vollgas vor der Abreise nach Tokio

Gerade in diesen Zeiten braucht es unvergessliche Sommerspiele

Die Spiele sind möglich, aber sie werden anders ablaufen als die vorherigen Male. In leeren Stadien. Ohne Familie und Freunde, die einen vor Ort anfeuern. Diese können nur auf den Bildschirmen mitfiebern. Darüber täuschen weder Roboter noch ein neuer olympischer Eid hinweg, der sich für Gleichberechtigung, Solidarität und gegen Diskriminierung einsetzt.

Emotionen soll dafür sorgen, dass sowohl die Athleten untereinander als auch die Fans trotz der physischen Distanz vereint sind. Ob so wirklich dieselbe Stimmung aufkommt, wird sich erst noch zeigen. Ein Grossanlass dieses Ausmasses, völlig ohne Zuschauer, hat es seit Ausbruch von Covid-19 nämlich noch nicht gegeben. Denn für die Uefa (Fussball-EM) kamen Matches ohne das Ausreizen der höchstmöglichen Ticketeinnahmen nicht in Frage.

Unvergessliche Sommerspiele wären wichtig. Weniger aus finanzieller, sondern vor allem aus sportlicher Sicht. Damit auf der ganzen Welt wieder neuer Nachwuchs für den Sport begeistert werden und dieser die Olympischen Werte wie das Streben nach Höchstleistungen sowie Fairplay übernimmt.

Christoph Meier in Fuji

Erster Athlet aus Liechtenstein in Japan angekommen

Artikel: http://www.vaterland.li/liechtenstein/sport/vereint-nur-auf-distanz-art-453530

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