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«Einer der besten Jahrgänge seit 2004»

Staatliche Zirkusschule Berlin im TAK

Am Samstag zeigen die 12 Absolventen der Staatlichen Zirkusschule Berlin mit «Senseation» ihr Können im TAK. Im Interview spricht Artist Sebastiaan Schlichter über seine Ausbildung.
Die Artisten wollen mit ihrer Show dem Publikum den sechsten Sinn, die Tiefensensibilität, näherbringen. (Bild: zvg)

«Senseation» ist die Absolventen-Show der staatlichen Artistenschule Berlin. Wie lange dauert die Ausbildung?*
Sebastiaan Schlichter, Artist: Die Ausbildung beginnt als Sportbetonte Artisten-Vorklasse, direkt nach der Grundschule ab dem 5. Schuljahr und ist eine neunjährige Ausbildung zum staatlich geprüften Artisten in den drei Stufen Vorbereitung, Vorspezialisierung und Spezialisierung.

Worum geht es bei der Absolvententour?
Die Schule möchte den Absolventen einen guten Berufseinstieg ermöglichen. Es geht einerseits darum, in den Spiel­stätten die Sichtbarkeit der Absolventen für Folgeaufträge zu erhöhen, denn Theater, Varietés, Firmenfeiern und Festivals sind auch potentielle Auftraggeber. Andererseits ist diese Absolvententour so etwas wie eine praktische Ausbildung, in der die Künstler viele verschiedenste Anforderungen erler­nen. Zum Beispiel muss die Show auf die unterschiedlichen Bühnengrössen angepasst werden. Der Umgang mit Publikum und Presse, auch mit Verletzungen und Überbelastung oder die Erfahrung, wo die eigenen Grenzen liegen, gehört dazu. Für die Absolventen bietet die Tour auch die Möglichkeit, den Umgang mit Produzenten und Regisseuren zu erlernen. Und wir sind als Live-Entertainment-Produktionsfirma für sie so etwas wie der erste Arbeitgeber. 

In der Absolventenshow zeigen Sie alle Facetten des modernen Zirkus und der Akrobatik wie zum Beispiel Partnerakrobatik, Jonglage und Luftartistik. Muss jeder Artist alle verschiedenen Disziplinen können?
Nein, in der 9./10. Klasse, der sogenannten Vorspezialisierung, arbeiten die Fachtrainer Artistik mit ihren Schülern an ihren Stärken und Talenten und schauen, welches Genre und Requisit für sie geeignet sein könnte. In den beiden Klassenstufen haben die Schüler die Möglichkeit, die verschiedensten Richtungen auszuprobieren und herauszufinden, was ihnen am meisten liegt. Ab der 11. Klasse, der sogenannten Spezialisierung, arbeiten alle Schüler nur noch an ihrem Requisit, manche Schüler auch an einem zweiten.

Wie lange haben Sie das Programm einstudiert?
Von September 2022 bis Juni 2023 arbeiteten die Absolven­ten gemeinsam mit einem Regisseur an dieser Show im Fach «Showentwicklung», um eine atemberaubende Performance auf die Bühne zu bringen, die die Sinne anspricht und das Publikum in eine Welt voller Emotionen und Magie entführt. Mit der Aufführung der Show als Abschlussprüfung im Juni 2023 und der Premiere im Wintergarten Varieté in Berlin endet für sie die schulische Ausbildung.

Wird auch eine Geschichte gezeigt? 
Die Absolventinnen und Absolventen entführen das Publikum auf eine Reise durch die Welt der Sinne. Neben Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schme­cken inszenieren sie vor allem den sechsten Sinn, die Tiefensensibilität, lateinisch Propriozeption, der für Akrobatik und Artistik unabdingbar ist. Ob wir liegen oder sitzen, welche Haltung wir einnehmen oder in welcher Position unser Fuss gerade steht – diese Informationen erhält das Gehirn über so genannte Propriorezeptoren. Diese befinden sich in unseren Bändern, Gelenken, Muskeln und Sehnen. Aus den Signalen, die die Propriorezeptoren an das Gehirn senden, leitet dieses Entscheidungen über mögliche oder notwendige Positionsveränderungen des Körpers ab. Das eingespielte Dutzend hochkarätiger Artistinnen und Artisten nutzt seine in den letzten Jahren erworbenen Fähigkei­ten, um dem Publikum den professionellen Einsatz von Körperbewusstsein und Raumwahrnehmung näherzubringen – und überzeugt dabei ebenso akrobatisch wie tänzerisch und zirzensisch.

Was können die Besucher von dem Auftritt in Schaan erwarten?
Die Absolventenshow bietet eine faszinierende Mischung aus traditionellen und modernen Artistik- und Showelementen und beeindruckt mit einer ganz eigenen und überraschenden Handschrift des Künstlerensembles. Viele Stimmen, darunter auch Fachpublikum, welche die Absolventenshow gesehen haben, beschreiben, dass dies einer der besten Jahrgänge seit dem Bestehen der Absolvententour seit 2004 sei. Diese Artistikshow ist bereits seit Juli auf Deutschland- und Schweiz-Tournee unterwegs und in Liechtenstein wird die Derniere sein, also das letzte Mal, dass diese Show aufgeführt wird. Danach wird es diese Show aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder geben. Aber der nächste Jahrgang Schüler steht schon wieder mit frischen und neuen Ideen in den Startlöchern.

Aufgegriffen werden auch Themen des modernen Zirkus. Was sind die neusten Trends?
Was stärker festzustellen ist, sind sogenannte Mischformen mit anderen Künsten wie Tanz, Theater, Musical oder der Livemusik. Auch wir als Live-Entertainment-Firma haben uns dieser neuen Richtung verschrieben. Die Betonung auf Inszenierung, künstlerischer Ausdruck gepaart mit technischer Perfektion in Verbindung mit bestimmten Charakteren und Geschichten sind stärker neben dem klassischen Zirkus zu sehen. Neben artistischen Einzelleistungen gewinnen die Gesamtleistung des Ensembles und auch gruppenorientierte Darbietungen an Bedeutung. Ausserhalb von Europa sind verstärkt sogenannte Companys, das heisst zusammengeschlossene Künstlergruppen, festzustellen. Auch die Spezialisierung auf bestimmte Zielgrup­pen wie Familie, Horror, Burlesque oder Erotik ist häufiger zu finden. Die grosse Bandbreite an unterschiedlicher Unterhaltung in ­Varietés, Zirkussen, an Festivals und Open Airs macht für das Publikum den Charme aus.

*Das Interview wurde schriftlich geführt.

Zur staatlichen Artistenschule Berlin

Gegründet 1956, bietet die Staatliche Artistenschule Berlin als einzige Schule deutschlandweit eine international anerkannte Ausbildung zum Staatlich geprüften Artisten, die mit dem allgemeinbildenden Unterricht in einem integrierten System gekoppelt ist. Die Ausbildung ist für Schülerinnen und Schüler kostenlos. Derzeit befinden sich rund 110 Schüler in der neunjährigen Ausbildung. Neben 20 bis 30 Stunden pro Woche Praxis in verschiedenen Genres erhalten sie mit ihrem Berufsabschluss zum Staatlich geprüften Artisten nach der 13. Klasse auch die Allgemeine Hochschulreife bzw. Fachhochschulreife. 

 
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