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«Selfportrait Giacometti» im TAK

Eindringliche Begegnung mit sich selbst

Mit der VR-Installation «Selfportrait Giacometti» zwingt das Kollektiv Raum + Zeit die Besucher zur  Selbstreflektion. Ein Erlebnisbericht.
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In «Selfportrait Giacometti» tritt man zuerst einem Roboter, dann einer richtigen Schauspielerin gegenüber. (Bild: Heinz Holzmann)
In einem geschlossenen Raum sitzt man einer Roboterfrau gegenüber. (Bild: Heinz Holzmann)
Der eindringliche Blick der Schauspielerin wirkt auf die Besucher ziemlich unangenehm. (Bild: Heinz Holzmann)

Das Theatererlebnis von «Selfportrait Giacometti» beginnt bereits in der Garderobe des TAK-Foyers, in der der Besucher ein Blatt Papier mit Informationen erhält. «Folgen Sie den Anweisungen», heisst es etwa darin. Anschliessend werde ich durch den Backstackebereich auf die Hinterbühne geführt, wo man Kopfhörer bekommt und auf einem Stuhl hinter der Bühne auf den Einlass wartet. Wenig später werde ich von einer Schauspielerin wortlos in den ersten Raum hineingebeten, die einem mit einem eindringlichen Blick durchleuchtet, einen Stuhl zuweist und ein Tongerät an die Kopfhörer anschliesst. Ob der Skurillität der Situation muss ich kurz lachen. 

Konversation mit einem Roboter - oder doch nicht?
Via Kopfhörer wird man in einen weiteren, weiss-grellen Raum hineingebeten, in dem man gegenüber einem weiblich gekleideten Roboter Platz nimmt. «Ich bin eine Maschine, du hast Zeit mit mir gekauft», sagt das Gegenüber und erzählt mir, dass sie die Prostituierte Caroline und du der bekannte Maler Alberto Giacometti bist. Die Roboterfrau spricht mich an, sagt, was sie gerne mit mir tun würde und dass sie mich wirklich mag. «Das kannst du, hast ja bezahlt», sagt sie mit einem vorwurfsvollen Unterton. Irgendwann fordert sie mich auf, näherzukommen. Auch wenn ihre Aussagen teils forsch und wie Befehle klingen, merke ich nicht, dass sie mich direkt anspricht. Erst, als sie sagt, dass ich aufhören zu schreiben und aufstehen soll, folge ich dem Befehl und merke, dass hinter der mit Kameras ausgestatteten Puppe mit Roboterkopf ein Mensch stecken muss. 

Mittels VR-Brille sich selbst gegenübergestellt
Nach der ersten, ca 15 minütigen «Unterhaltung» mit dem Roboter, bei der eigentlich nur die Frau zu Wort kommt und der Besucher still zuhört, wird man mittels VR-Brille sich selbst gegenübergestellt. Ich sehe, wie ich hilflos im Raum umherschaue und dass ich immer wieder mal verlegen schmunzeln muss. «Das ist dein Werk - es gibt nichts zu sehen und nichts zu lachen», sagt die Stimme fordernd. Auch sagt einem das Gegenüber, dass man alt geworden ist. Nach weiteren 15 Minuten wird man aus dem Raum gebeten, gibt die Kopfhörer ab und nimmt auf einem Stuhl auf der TAK-Bühne Platz. Dort geht eine Schauspielerin (Sophie Hutter), die das gleichen rote Kleid wie der Roboter trägt, nägelkauend und nervös auf und ab. Man blickt mittels Video auf das Innere des vorigen Raumes und sieht, wie die Assistentin den Raum desinfiziert.

Der nächste Besucher nimmt auf dem Stuhl gegenüber des Roboters Platz, worauf man merkt, dass die Schauspielerin neben einem live mit dem Besucher (via Kopfhörer) spricht. Dabei schaltet sie zwischen zwei Kanälen hin und her, spricht einmal den Besucher im Raum an, dann dreht sie sich aber wieder mit einem eindringlichen Blick zu mir und fügt noch provokante Sätze hinzu, die der Besucher im Raum nicht hört. «Ich hab mir dein Gesicht gemerkt. Ich kenne dich», sagt sie etwa. Und fügt an: «Rühr dich nicht vom Fleck und halt die Klappe.» Während die Schauspielerin gleichzeitig mit zwei Personen interagiert, sieht man, wie die nachfolgende Person auf die Anweisungen reagiert. Die Situation wechselt erneut und man sitzt im grellen Scheinwerferlicht der Frau gegenüber, die einen starr anschaut und einem befiehlt, sich schön hinzusetzen. Man hört ihren teils provokanten Aussagen und Anweisungen zu, macht, was sie sagt und bleibt still. Mit der Frage, ob man so werden wollte und wer man eigentlich sei, entlässt einen die Schauspielerin. Nach dieser weiteren Gegenüberstellung erhält man einen Platz im Publikum und schaut nochmals dem Nachfolger zu, wie er auf diese spezielle eins zu eins Situation reagiert, bis die Vorstellung nach gut 50 Minuten vorbei ist. 

Intensives Erlebnis, das zum Nachdenken anregt
Nach dem Ende dieses speziellen Theatererlebnisses verlässt man alleine die Publikumsreihe und verspürt den Drang, sich mit anderen über dieses doch intensive Erlebnis auszutauschen. Wie hat sie was gemacht?, fragt man sich. Hat man sich ertappt gefühlt, wenn man die Frau direkt angeschaut hat - obwohl sie einen dazu aufgefordert hat? Während des Theaterverlaufs kommt man immer wieder zu neuen Erkenntnissen, indem sich die Distanz zum Geschehen vergrössert - und damit sich selbst näher? «Uns geht es um dieses Machtspiel von sehen und gesehen werden», sagt Regisseur Bernhard Mikeska. Die von Juliane Hendes (Dramaturgie), Lothar Kittstein (Text) und Bernhard Mikeska (Regie) entwickelte Installation spiegelt das eigene Verhalten mehrfach und funktioniert deshalb als «Projektionsfläche für Selbstbegegnungen mit sich», wie es Mikeska treffend ausdrückt. Auch wenn ich mit diesem Erlebnisbericht schon viel über die Theatersituation verraten habe, muss man diese Mischung aus interaktiver Live-Performance und Virtual Reality selbst erlebt haben. «Uns geht es ums Erleben, das in Beziehung treten in einer eins zu eins Situation», so Mikeska. Und eins sei verraten: Es wird äusserst spannend - und angenehm unangenehm. 

Die Installation ist bis 29. Mai täglich von 17.30 bis 21.15 Uhr in 15 Slots buchbar, wobei jeder Besucher einzeln den Parcours durchläuft. Während diesen fast vier Stunden spielt Schauspielerin Sophie Hutter praktisch pausenlos durch - eine beeindruckende Leistung, nicht nur quantitativ. 

Selfportrait Giacometti 
Ein Slot für den Besuch der VR-Installation, die täglich bis 29. Mai in Schaan gastiert, kann unter vorverkauf@tak.li und www.tak.li gebucht werden. 

 
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