Ivan Rakitic' grosse Enttäuschung
Dennoch war auch der schweizerisch-kroatische Doppelbürger Rakitic eine prägende Figur dieser WM 2018.
Die Zeit muss quälend lang gewesen sein. 29 Minuten dauerte es nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Nestor Pitana, bis FIFA-Präsident Gianni Infantino und Russlands Staatschef Wladimir Putin für die Siegerehrung bereit waren. Und weil in dieser halben Stunde auch noch der Moskauer Himmel seine Schleusen öffnete, stand er da im strömenden Regen, regungslos und mit leerem Blick, wie ein begossener Pudel. Ivan Rakitic, der erste Schweizer in einem WM-Final, hat den Traum vom WM-Titel nicht realisieren können.
Der phantastischen Karriere, die im Alter von vier Jahren in Möhlin im Kanton Aargau begann, beim FC Basel unter Christian Gross lanciert wurde und Rakitic über Schalke und den FC Sevilla zum Weltklub FC Barcelona führte, blieb in Moskau die Krönung verwehrt. "Im Moment bin ich sehr traurig und sehr enttäuscht", sagte der 30-jährige Mittelfeldspieler nach seinem 99. Länderspiel.
Vielleicht dachte Rakitic in diesem Moment zurück an die 79. Minute. Sein Schuss flog knapp am Tor von Hugo Lloris vorbei. Es war die letzte Chance der kroatischen Stehaufmännchen, vielleicht nochmals einen Weg zurück zu finden in diesen Final. Doch es blieb beim 4:2 für die Franzosen. Den letzten Schritt zum Titel schaffte Rakitic nicht mehr. Er musste im Final den französischen Superstars Antoine Griezmann, Kylian Mbappé und Paul Pogba den Vortritt lassen. Und seinem Teamkollegen beim FC Barcelona, Samuel Umtiti. Mit zusammengepressten Lippen sagte er später, Kroatien sei im Final "die klar bessere Mannschaft" gewesen.
Aber Rakitic ist gleichwohl so etwas wie eine Symbolfigur für diese WM in Russland, diesem bunten Turnier der vielen Ethnien, Religionen, Sprachen und Herkünfte. In einer Zeit, in welcher in der Schweiz über Doppelbürger debattiert und in der Welt des Fussballs (und nicht nur hier) über Globalisierung diskutiert wird. Verwurzelt in Kroatien, der Heimat seiner Eltern, aufgewachsen und sozialisiert in der Schweiz im Kanton Aargau, ausgestattet mit dem schweizerischen und kroatischen Reisepass, verheiratet mit einer Andalusierin und wohnhaft mit Familie und Kindern in Katalonien. Rakitic verkörpert die moderne Gesellschaft.
Am Montag werden Rakitic und seine Kollegen in Zagreb wie Helden empfangen. Wie sehr die Menschen im kleinen Land an der Adria mit seinen vier Millionen Einwohnern wegen des Fussball-Nationalteams mit Stolz erfüllt sind, demonstrierte im Luschniki-Stadion die Höchste des Landes, Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic. Im Fussball-Dress gekleidet nahm sie bei der Übergabe der Silbermedaille jeden einzelnen kroatischen Spieler liebevoll in den Arm. Tränen hatte sie dabei in den Augen, aber auch einen Glanz und ein Strahlen, die Freude und Stolz ausdrückten.
Bald wird auch bei Rakitic der leere Blick Platz machen für ein Strahlen. In seinem Palmarès wird die WM-Silbermedaille irgendwann so golden glänzen wie der silbrige Champions-League-Pokal, den er 2015 mit Barcelona gewann. Vorerst aber kämpfte Rakitic noch mit der Enttäuschung des verlorenen WM-Finals. Etwas mehr als eine Stunde nach dem Schlusspfiff sagte er mit dünner und leiser Stimme gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF: "Sogar der Himmel über Moskau hat mit uns geweint." (sda)
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