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«Ohne Glanz und Glamour»

Menschenhandel ist nach Drogen- und Waffenhandel das weltweit lukrativste kriminelle Geschäft ? und existiert auch in der Schweiz und in Liechtenstein. Was viele nicht wissen oder nicht wahrhaben wollen, zeigt eine Ausstellung in Vaduz.

VON JANINE KÖPFLI

«Wer geht, kann verlieren, wer bleibt, hat schon verloren.» Dies ist eines der Zitate, die auf den Stellwänden der Wanderausstellung «Ohne Glanz und Glamour» die Not jener Frauen aufzeigen, die im eigenen Land keine Hoffnung sehen und daher im Ausland ein besseres Leben suchen. Oft sind es Frauen ohne finanzielle Mittel und ohne Zukunftsperspektiven, die in die Fänge von Menschenhändler geraten. Diese locken mit «bestens bezahlten Tätigkeiten» im Ausland – oft in der Schweiz und in Liechtenstein. Die verzweifelten Frauen aus Osteuropa, Südamerika oder Asien lassen sich darauf ein, ohne zu ahnen, was im anderen Land auf sie wartet.

Verantwortung übernehmen

Frauenhandel ist ein weltweites Geschäft. Die Ausstellung, die gestern im Schulzentrum Mühleholz II eröffnet wurde, zeigt das Ausmass: Schätzungen sprechen von vier Millionen Frauen und Mädchen, die jährlich zum Zweck der Heirat, der Prostitution oder der Sklaverei ver- und gekauft werden. In Europa sind es gemäss OSZE zwischen 120 000 bis 500 000 Frauen von Ost- und Mitteleuropa, die jedes Jahr wie Ware nach Westeuropa verschoben werden.

In einem gemeinsamen Projekt wollen die Stabsstelle für Chancengleichheit und die Fachstelle für Sexualfragen auf das Thema aufmerksam machen. In Kooperation mit Amnesty International Liechtenstein, der Evangelischen Kirche, dem Frauenhaus Liechtenstein, der Infra, der Landespolizei und der Opferhilfestelle soll über den internationalen Frauenhandel informiert werden. Denn nur, «wer Informationen hat, kann und wird auch hinsehen», sagte Andreas Nägele von Amnesty International Liechtenstein bei seiner Begrüssung. Es gehe darum, das Bewusstsein zu schärfen, dass Frauen- und Menschenhandel auch in Liechtenstein möglich sind, sagte Patricia Matt von der Fachstelle für Sexualfragen. «Politiker, Behörden, Nachtclubbesitzer, Freier und Sozialtätige müssen Verantwortung übernehmen und für Menschenrechte einstehen», sagte sie.

«Die Ketten sind im Kopf»

Dass es mit den Menschenrechten auch in reichen Ländern wie der Schweiz oder Liechtenstein oft sehr schlecht bestellt ist, erklärte Stella Jegher von Amnesty International Schweiz in ihrem Vortrag zum Thema «Frauenhandel – ein menschenrechtswidriges Geschäft». Sie gab eine Einführung in das komplexe Thema, sagte, dass es nie nur eine Ursache für Frauenhandel gibt. «Es ist ein ganzes Netzwerk von Faktoren.» Wirtschaftliche Not, Gewalterfahrungen, Diskriminierung, aber auch die Lust auf etwas Neues können Frauen zu riskanten Handlungen und zu illegaler Arbeit treiben. Stella Jegher betonte allerdings, dass nicht immer Zwang im Spiel sei. Auch haben nicht alle Sexdienstleistungen, die zu günstigen Preisen angeboten werden, automatisch mit Menschenhandel zu tun und nicht alle Sexarbeiterinnen seien Opfer von Frauenhandel. «Es ist wichtig, dass wir Klischee und Realität auseinanderhalten», sagte die Menschenrechtlerin.
Sie sieht kaum Chancen, Frauenhandel zu verhindern, aber es sei wichtig, ihn zu erkennen und den betroffenen Frauen wenigstens Recht und Menschenwürde zu gewähren. Dafür stehe Amnesty International ein und appellierte an alle hinzusehen. Genau hinzusehen, denn bei der modernen Sklaverei sieht man keine Ketten. «Die Ketten sind im Kopf», sagte Stella Jegher. Durch Erpressung, Angst und mit Drohungen werden die Frauen und Kinder gefügig gemacht. Meist haben sie weder Pass, Geld, noch gibt es Personen, an die sie sich wenden könnten.

Gesund bleiben in der Sexarbeit

Den Kontakt zu Sexarbeiterinnen in der Schweiz sucht die Organisation APiS (Aidsprävention im Sexgewerbe). Zwar handle es sich bei diesen nicht nur um Opfer von Frauenhandel, wie Marlen Rusch, Programmleiterin von Female Sexwork, der Aids-Hilfe Schweiz, sagte, dennoch bestehe Bedarf, Sexarbeiterinnen an ihrem Arbeitsplatz aufzusuchen, um sie über Risiken und Prävention zu informieren. Denn zu oft arbeiten Sexarbeiterinnen unter prekären Bedingungen und leben in unzumutbaren Räumen, wie Marlen Rusch erläuterte. Ziel ist es, APiS, die auch in Liechtenstein besteht, weiter auszubauen, um noch mehr Sexarbeiterinnen persönlich erreichen und ihnen damit helfen zu können.

Öffnungszeiten der Ausstellung: 27. bis 30. Oktober jeweils 17.30 bis 20.30 Uhr im Schulzentrum Mühleholz II in Vaduz

 
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