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Kopfüber in die Apokalypse

In vielem haben es junge Frauen heute leichter als es ihre Mütter hatten. In manchem aber auch schwerer. Die angehende Journalistin Alexandra Fitz weiss, dass viel Disziplin und ein klarer Fokus nötig sind, um sich zwischen all den Möglichkeiten seinen Weg zu bahnen. Von Shusha Maier

Jung, gebildet, motiviert, gutaussehend: Die Welt steht Alexandra Fitz offen! Sie weiss das und weiss es auch zu schätzen. «Allerdings ist es gar nicht so einfach, eine Wahl zu treffen», bringt sie die Schwierigkeiten vieler gut ausgebildeter, junger Frauen auf den Punkt. Es ist noch keine 30 Jahre her, als Frauen Anfang zwanzig ihr Frausein als Grund für geringere Bildung und mangelndes Karrierebewusstsein anführen konnten und das durchaus zu Recht. Wurde doch die Gründung einer eigenen Familie, am besten lange vor Beginn des dritten Lebensjahrzehnts, erwartet.

In der heutigen Zeit des «anything goes», in der seit einigen Jahren deutlich mehr junge Frauen als Männer nicht nur die Matura ablegen, sondern auch ein Studium erfolgreich beenden, wollen sie nicht mehr die Gesellschaft über ihr Lebensmodell bestimmen lassen – und auch das durchaus zu Recht. Karriere, Familie – all das will Alexandra Fitz gerne in ihr Leben packen. Den Zeitpunkt aber bestimmt sie und nur sie.

Alexandra Fitz ist in der verständnisvollen und toleranten Atmosphäre aufgewachsen, die typisch ist für Eltern der Nach-68er-Generation. «Ihr könnt lernen, was ihr wollt», bekamen sie und ihre ältere Schwester zu hören, «aber erst nach der Matura.» Dafür, dass die Eltern die Reifeprüfung vehement eingefordert haben, ist Alexandra Fitz dankbar. «Ich habe in meiner Jugend gerne rebelliert und mich quergelegt», wäre da nicht das unumstössliche Diktum der Eltern gewesen, hätte sie die Schule vielleicht schon mit fünfzehn verlassen. Dabei hat das Lernen ihr gerade in diesem Alter angefangen, richtig Spass zu machen. Vor allem Sprachen, der Umgang mit Worten, das Schreiben begeistern die junge Frau. Nach einer exzellent bestandenen Matura hat sie sich daher entschlossen, Kommunikationswissenschaften, Publizistik und Germanistik zu studieren und zwar in Wien.

Wenigstens sieben Stunden von zu Hause entfernt sollte der Studienort schon sein; schliesslich wollte Alexandra Fitz auch Abstand gewinnen, selbstständig werden, sich alleine behaupten müssen. Das hat sie an einer so grossen Universität wie der in Wien auch rasch gelernt: «Wenn man sich da nicht organisieren kann, ist man schnell verloren.» Mit fast 1000 Kommilitonen hat sie ihr Studium begonnen – übervolle Hörsäle, ein Run auf Seminare, Konkurrenzkampf. Ein Bachelorabschluss muss hart erarbeitet werden, hat Alexandra Fitz erfahren. Nun, im Master-Studiengang, den sie an der Universität in Hamburg belegt hat, sitzen mit ihr nur mehr 24 weitere Studenten in den Seminarräumen.

Wien, Kopenhagen, Hamburg sind die Stationen in Alexandra Fitz’ Studentenleben. Nicht nur viele Möglichkeiten, auch ganz Europa steht den Studierenden von heute offen. Die Hochschulreform und ein reger Studentenaustausch zwischen allen Ländern der Union haben Bildungswege möglich gemacht, von denen man früher nicht einmal zu träumen wagte.  Das hat, gesteht Alexandra Fitz, nicht nur Vorteile, sondern auch Tücken. «Früher war man vielleicht nicht so frei, der Weg war meist vorgezeichnet, aber damit die Eigenverantwortung auch nicht so gross. Mit der Wahlfreiheit steigt auch die Unsicherheit, das Richtige zu machen, den richtigen Studienort zu wählen, die richtigen Fächer zu belegen.» Viel Zeit zum Reflektieren bleibt bei der neuen Studienordnung auch nicht: Drei Jahre bis zum Bachelor, zwei bis zum Master – Fristen die eingehalten werden müssen, Bummeln ist nicht mehr drin. Alexandra Fitz ist mit ihrer Studienwahl allerdings äusserst glücklich, «ich bin kommunikativ und offen, rede gerne, erzähle gerne Geschichten und liebe es, zu schreiben.»

Etliche Praktika beim Radio, Fernsehen und bei Zeitungen haben ihr überdies die Sicherheit gegeben, «dass gerade der Printjournalismus mein Traummetier ist.» Zwar kann sie schnell und auch gut unter Druck arbeiten, braucht ihn sogar meist als Ansporn, aber das Kurze, Knappe der elektronischen Medien kommt ihrem Drang, den Dingen auf den Grund zu gehen, nicht entgegen. Richtig wohl fühlt sie sich im Feuilleton, Texte von mehr als 80 Zeilen Länge sind ihr Ding. «So viel, wie du zu erzählen hast, schreibst du sicher bald ein Buch», wird ihr in ihrer Familie prophezeit. «Ja, kann ich mir vorstellen», sagt sie und nickt energisch. «Aber vorher will ich mich noch ein wenig in der Welt umsehen, Erfahrungen, Eindrücke sammeln.»

Im Mai wird Alexandra Fitz ihre Master-Arbeit beginnen, eine Studie über spendenfinanzierten Journalismus. Das Thema ist brandaktuell. «Nur wenige Internetuser sind bereit, für Inhalte zu bezahlen; war ja alles gratis bisher. Das wird sich aber ändern müssen, denn selbst die grossen Verlagshäuser können ihre Internetredaktionen nicht mehr über die Printmedien finanzieren, weil das Werbevolumen immer mehr abnimmt. Es wird überall ein apokalyptisches Bild vom Journalismus gezeichnet», sagt Alexandra Fitz.

«Alle haben Angst und fragen sich, was kommen wird, wie die Medienszene in einem Jahrzehnt aussehen wird … » Sie richtet sich mit einem Ruck auf, sagt: «Und trotzdem freue ich mich aufs Arbeiten.» Nach so vielen Jahren «Kopflastigkeit» ist ihr Tatendrang gross und spürbar und aus ihren Augen strahlt die Gewissheit: «anything goes». Auch ein Kopfsprung in die Medienwelt und sei sie noch so apokalyptisch.
 

 

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