Ein Tannenbaum, ein besonders schöner

Von Reto Neurauter

 

Jetzt sieht man sie wieder, die Christbäume. Überall werden sie verkauft. Grosse, krumme, zu grosse, zu kleine, solche mit einem falschen Grün, Plastikbäume eben, und Designerbäume. Einer aber stand jahrelang im Wald, rundherum wohlriechendes Moos. Er wuchs, und wuchs, und wuchs. Er wollte gross, schön, eben ein richtiger, herziger Tannenbaum werden. Eines Tages kamen die Holzfäller, ritschratsch war er um, und ehe er sichs versah, stand er in einer guten Stube.

Katja Langenbahn lebte Adersens Märchen, die Kinder schauten gebannt. Was fehlt denn noch? «Kugeln» tönts von da, «Lichter» von dort, «Sterne brauchts» und «Schöggeli» auch. Aha. «Ich will noch Sternenwerfer», der Bub mit dem krausen Haar, «und ich eine Krippe» das Mädchen mit den Zöpfen.

 

 

«Obs wohl der Christbaum des Jahres wird? Das Ei desselben gibts ja schon», siniert Langenbahn. Nichts da, keine Zeitung und auch nicht das Kunstmuseum interessierts. Doch die Kinder freuts, und den Tannenbaum auch. Glücklich leuchtet er in der Stube. «Weihnachtsbaum sein ist denn aufregend», denkt er sich, «ich bin ja auch ein besonders schöner.» Für 39.95. Und der Wassereimer steht bereit. So steht er also da, die Familie freuts: «Ein herziger Baum.» Morgen wird er wohl noch schöner, denkt er. Aber denkste! Er landet auf dem Dachboden. Kein Licht, die Nadeln fallen ab, ein trauriger Anblick. Er erinnert sich, «im Wald, da wars schöner».

 

 

Mäuse sind da, Ratten auch, und der Tannenbaum erzählt, wie es war im Wald, zwischen hohen Tannen und Fichten und wohlriechendem Moos und hoppelnden Hasen. Plötzlich, die Türe geht auf und rumpeldipumpel landet der Tannenbaum im Garten. Aus die Maus, keine frohen Tage mehr, ein alter Tannenbaum. Da ists dann nicht mehr weit: Alte Tannenbäume landen im Feuer. Ohalätz. Und der Tannenbaum brennt und denkt: «Wär ich doch nur im Wald geblieben.»