Zäher Auftakt im Prozess gegen LGT
Einzelrichter Jürgen Nagel appellierte vor Beginn des Prozesses an die Medienvertreter, fair und korrekt zu berichten. Er wies darauf hin, dass auch in Liechtenstein die richterliche Unabhängigkeit gelte. Ausländische Medien hatten im Vorfeld des Prozesses die Unabhängigkeit der liechtensteinischen Justiz in Frage gestellt. Sie wiesen auf den Umstand hin, dass die LGT Gruppe im Besitz der Fürstenfamilie ist und Erbprinz Alois den Vorsitz in dem Gremium zur Bestellung der Richter innehat. Der Richter sagte, das Gericht sei einzig und allein der Wahrheitsfindung verpflichtet.
Die Zivilklage mit dem Aktenzeichen 06.CG.2009.162 gegen die frühere LGT Treuhand begann mit der Befragung von drei deutschen Anwälten, die den Kläger beraten haben, und einem Compliance-Angestellten der ehemaligen LGT Treuhand. Der Kläger war nicht persönlich zum Prozessauftakt erschienen. Sein Anwalt Hannes Mähr begründete die Abwesenheit mit dem grossen Medieninteresse, dem sich sein Mandant nicht aussetzen wolle. Der 67-jährige Immobilienunternehmer aus Bad Homburg soll nun in einer weiteren Verhandlungsrunde im November befragt werden.
Schadenersatz für Steuerschuld?
Der Geschäftsmann will 13 Millionen Euro Schadenersatz, weil seine Stiftung mit dem Fantasienamen Clecon nach dem Diebstahl von Kundendaten der LGT Treuhand aufflog. Er war im Juli 2008 vom Landgericht Bochum wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe von 7,5 Millionen Euro verurteilt worden. Zudem musste er dem deutschen Fiskus 11,9 Millionen Euro an hinterzogenen Steuern abliefern. Der Geschäftsmann beschuldigt die LGT Treuhand, ihn nicht rechtzeitig über den Datenklau informiert zu haben. Die LGT habe ihre Sorgfaltspflichten in mehreren Punkten verletzt und sei damit für die zu hoch festgesetzte Steuerschuld verantwortlich, argumentiert Anwalt Mähr. Die LGT-Angestellten hätten zum Beispiel ohne Weisung schwarze Fonds und Zero Bonds erworben. Für diese Finanzprodukte musste der Geschäftsmann extrem hohe Steuern zahlen.
Die LGT habe den Geschäftsmann erst am 17. Februar 2008, also einen Tag vor der Razzia in seinem Haus, über den Datendiebstahl informiert, sagte Anwalt Mähr. An diesem Sonntag war der Unternehmer aber im Urlaub in Zürs am Arlberg. Hätte ihn die LGT Treuhand früher ins Bild gesetzt, hätte er sich selber anzeigen können und keine Geldstrafe von 7,5 Millionen Euro zahlen müssen, so Mähr.
«Vorgehen der LGT war korrekt»
Rechtsanwalt Roland Müller verlangt dagegen die Abweisung der Klage. Formell richtet sich die Klage gegen die Fiduco Treuhand, eine Tochter der First Advisory Group in Vaduz, die anfangs dieses Jahres die LGT Treuhand übernommen hatte. Müller stellt sich auf den Standpunkt, dass die Steuerstrafe des Klägers nicht auf die LGT abgewälzt werden kann und verweist auf das Urteil im Rechtsstreit Schockemöhle/Batliner.
Die LGT ist nach eigenen Angaben davon ausgegangen, dass der frühere Angestellte, der die Daten im Jahr 2002 entwendet hatte und Ende 2003 verurteilt wurde, sämtliches Material zurückgegeben habe und keine Kopien mehr besass. Sie betrachtete den Fall als abgeschlossen und informierte ihre Kunden nicht über den Vorfall. Laut Rechtsanwalt Müller war dieses Vorgehen der LGT vorbehaltlos korrekt.
Wenig Handfestes
Die befragten Zeugen konnten zu einer allfälligen Haftung der LGT für die Steuerschuld ihres ehemaligen Kunden wenig Konkretes berichten. Die Anwälte erläuterten vor allem die Umstände, die zum Strafurteil und der Steuerschuld gegen den deutschen Geschäftsmann geführt hatten.
Zudem erzählten die Anwälte des Klägers von ihren Erfahrungen mit der LGT. Ein Anwalt sagte in der Befragung, die Vertreter der LGT Treuhand hätten im August 2008 erklärt, gar nicht gewusst zu haben, welche Kundendaten vom Diebstahl betroffen gewesen seien. Die DVDs, die der Datendieb nach seiner Verurteilung Ende 2003 zurückgab, seien von der LGT Treuhand angeblich ohne Einsichtnahme vernichtet worden. «Wir hatten Schwierigkeiten, dieses Vorgehen nachzuvollziehen», sagte der Anwalt dem Richter. «Aber wir mussten das so zur Kenntnis nehmen.»
Urteil im Frühjahr 2010 erwartet
Landrichter Nagel hat zwei weitere Verhandlungstage auf den 25. und 26. November angesetzt, um sechs weitere Zeugen sowie die Parteien zu befragen. Zu den geladenen Zeugen gehört unter anderem Margrit Lichtinghagen. Die frühere Staatsanwältin beim Landgericht Bochum war massgeblich am Auffliegen von rund 770 deutschen Steuersündern beteiligt. Sie trat gross in Erscheinung, als am 14. Februar 2008 der inzwischen verurteilte frühere Chef der deutschen Post, Klaus Zumwinkel, vor laufenden Kameras verhaftet wurde. Grundlage für diese Welle von Steuerstrafverfahren bildete eine DVD mit den entwendeten Kundendaten. Der Datendieb hatte das Material bekanntlich für 4,5 Millionen Euro dem deutschen Bundesnachrichtendienst verkauft. Seither gilt er als flüchtig.
Die Zivilklage des deutschen Steuersünders wird die liechtensteinische Justiz sicher noch länger beschäftigen: Ein Urteil in erster Instanz ist laut dem Einzelrichter voraussichtlich im Frühjahr 2010 zu erwarten. Beide Parteien haben bereits signalisiert, ein aus ihrer Sicht negatives Urteil über alle Instanzen hinweg zu bekämpfen. Der Prozess könnte somit noch zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen. (ps)
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S.D. Erbprinz Alois