Roland Bartholet: «Technik ist der Ursprung»
10 Prozent Marktanteil im weltweiten Seilbahnbau strebt Roland Bartholet mit seiner BMF Group an. Er setzt auf innovative Bahnen, die mit Komfort und Design überzeugen. Ein geplatztes Nordkorea-Geschäft hatte dem Flumser 2013 viel Publicity beschert. «Design und Komfort sind gefragt», sagt Roland Bartholet.
Herr Bartholet, Ihre Unternehmung geriet im vergangenen Jahr in die Schweizer Schlagzeilen ? der Bundesrat untersagte Ihnen buchstäblich in letzter Minute die Lieferung einer Seilbahn nach Nordkorea. Wie nervenaufreibend war der Herbst 2013 für Sie?
Roland Bartholet: Nervenaufreibend waren Frühling und Frühsommer, der Bundesrat intervenierte im Juli.
Wie ist es dazu gekommen?
Als wir uns im Frühling 2013 um den Auftrag in Nordkorea bemühten, nahmen wir auch mit dem Seco Kontakt auf, um allfällige Vorbehalte von Staatsseite abzuklären. Zurzeit gäbe es keine Sanktionen, man sehe es aber nicht so gerne, wenn Schweizer Unternehmen mit Nordkorea handelten, teilte das Seco mit. Das liess uns hoffen, gemeinsam mit unseren chinesischen Partnern die Seilbahn in Nordkorea bauen zu können; die Verträge wurden unterschrieben und wir leisteten im Frühsommer gute Vorarbeit. Diese wurde zunichte gemacht, als der Bundesrat im Juli mitteilte, nicht mehr hinter dem Geschäft stehen zu können.
Wie viel Vorarbeit war zu jenem Zeitpunkt von BMF-Seite bereits geleistet worden?
Das Projekt war komplett fertig, die Produktion der Anlage nahezu abgeschlossen. Wir standen drei Tage vor der Auslieferung.
Diese Anlage steht nun in Flums in einer Halle?
Die Anlage ? 250 Tonnen individuell verarbeitetes Material ? hat zu dem Zeitpunkt bei uns in einer Halle gelegen. Nach der bundesrätlichen Intervention versuchten wir einzelne Komponenten der Anlage bei anderen Projekten zu verwenden. Aber das Engineering, das Projekt als solches, war unbrauchbar geworden.
Wie kommt man überhaupt dazu, in Nordkorea eine Seilbahn zu offerieren?
In diesem Fall war es die nordkoreanische Botschaft in Genf. Sie hatte sich mit uns in Verbindung gesetzt und war stets unser Ansprechpartner. Offeriert haben wir das Projekt dann nicht alleine, sondern zusammen mit einer Partnerfirma in China. Diese sollte den baulichen und infrastrukturellen Teil der Sesselbahn ausführen respektive hat das auch gemacht. Wir haben lediglich den technischen Teil der Anlage angeboten. Hätten wir liefern dürfen, wäre es natürlich eine BMF-Bahn geworden. Eine solche wollten die Nordkoreaner auch haben.
Dafür hatten Sie auch eine Anzahlung geleistet.
Ja, als der Bundesrat intervenierte, waren die Verträge unterzeichnet und eine Anzahlung aus Nordkorea bereits eingetroffen.
Wie erklärt man seinem Vertragspartner drei Tage vor dem Liefertermin, dass das Geschäft platzt?
Ich bin umgehend nach China geflogen, wo ich den nordkoreanischen Vertretern in einer achtstündigen Sitzung beibringen musste, dass sie die Anlage nicht erhalten, weil die Schweizer Regierung dagegen ist, und dass wir zum damaligen Zeitpunkt die geleisteten Anzahlungen nicht zurückschicken durften. Drei Monate später konnten wir das Geld rücküberweisen. Der Bund wollte erst prüfen, woher das Geld stammte. Es war, wie von uns angenommen, sauber.
Sie haben gesagt, das Positive an der Sache sei, die Welt wisse nun, dass Ihre Firma kuppelbare Bergbahnen bauen kann.
(lacht) Wir hatten durch diese «Geschichte» Publizität, unsere Firma wurde in der Weltpresse erwähnt. Das hat speziell in Zentral- und Ostasien potenzielle Kunden auf uns aufmerksam gemacht. In den letzten Monaten kamen aus dieser Region zahlreiche Anfragen.
Die BMF Group ist breit aufgestellt, Sie bauen nicht nur Bergbahnen. Welcher Bereich ist Ihr Lieblingskind?
Ich habe grundsätzlich kein Lieblingskind ? höchstens in meiner Garage (lacht). Unsere Unternehmung benötigt diese Diversifizierung, um die Jahreszeiten-Geschäfte sauber abwickeln zu können. Bergbahnen werden im Sommer geplant, ab September gebaut und installiert, am 24. Dezember ist dieses Geschäft erledigt. Unsere 270 Fachkräfte hier in Flums wollen aber auch in der ersten Jahreshälfte arbeiten, also brauchen wir ein Sommergeschäft: Wir bauen Anlagen für Vergnügungsparks. Die Technologien dafür haben wir im Haus, und weil in Freizeitparks die Saison an Ostern startet, ist dieses Bereich die perfekte Ergänzung zum Seilbahnenbau.
Bergbahn oder Freizeitpark ? auf welcher Bahn absolvieren Sie die Premierenfahrt lieber?
Für mich sind beide Eröffnungen aufregend, weil ich wissen will, wie die Fahrgäste auf die Bahn reagieren. Wenn die Menschen im Freizeitpark lachend aus der Bahn steigen und sich gleich wieder in die Schlange stellen, haben wir unser Ziel erreicht. Spannend wars auch vergangenen Winter bei der Eröffnung der neuen Sesselbahn in Laax: Wie würden die Gäste auf die Designsessel, den Drehmechanismus, den Fahrkomfort und die kaum mehr zu hörenden Fahrgeräusche reagieren? Würde das Fahrerlebnis für die Konsumenten so spannend sein, wie wir uns das vorgestellt hatten?
Wie war Ihr Eindruck?
Am Eröffnungstag stiegen 95 Prozent der Schneesportler mit lachenden Gesichtern aus. Die Rückmeldungen sind bis heute positiv geblieben. Auch bei unseren Kunden. Innovative Bergbahnunternehmer finden Gefallen an dieser Komfort-Bahn mit Drehmechanismus und Designsesseln ? mittlerweile liegen uns sechs Bestellungen für solche Bahnen vor. Für das erste Jahr eine sehr zufriedenstellende Zahl.
Sie sprechen von der «Porsche-Bahn», wie sie im Volksmund der Sessel wegen genannt wird. Die technischen Innovationen stammen allerdings von BMF. Ärgern Sie sich nicht, dass der Durchschnittsgast dies nicht wahrnimmt?
Nein, Porsche ist ein weltumspannender Brand. Logisch, dass Schneesportler von der Porsche-Bahn und nicht der BMF-Bahn sprechen. Das wäre übrigens auch so, hätte einer unserer Mitbewerber die Bahn konzipiert. Der Name Porsche ist ein Magnet, er strahlt Sympathie und Sportlichkeit aus. Das passt zu einer Seilbahn in den Bergen.
Klingt ganz so, als ob Sie sich selbst in einem Porschesitz wohlfühlten ?
Natürlich sitze ich gerne in einem Porschesitz.
Auch auf der Strasse?
(lacht) Auch das gehört dazu.
Schnelle Autos üben auf Sie einen Reiz aus?
Mich reizt weniger die Schnelligkeit, sondern vielmehr die Technik. Das perfekte Zusammenspiel von Technik und Design fasziniert mich ? davon können wir Seilbahnbauer nur träumen. Wir produzieren Kleinstserien und können aus Kostengründen das Design nie so fein ausarbeiten wie die Autoindustrie. Bei uns muss die Technik funktionieren und die Teile müssen funktional sein. Ein Auto in seiner Perfektion ist ein Wunderwerk ? davon wollen und müssen wir lernen. Mit der Entwicklung des Porsche-Sessels haben wir einen Schritt in diese Richtung gemacht.
Wird Design in Ihrer Branche an Bedeutung gewinnen?
Design und vor allem Komfort werden eine zunehmend grössere Rolle spielen. Die Kunden ? in diesem Fall nicht die Bahnbetreiber, sondern die Fahrgäste ? verlangen danach. Man will komfortabel sitzen, komfortabel fahren, die Bahn darf keinen Lärm produzieren, sollte gefällig sein und gut aussehen.
Sie kommen aus dem technischen Bereich. Wie viel Zeit verbringen Sie in Ihrer heutigen beruflichen Tätigkeit mit technischen Fragen?
Ich setze mich sehr stark mit den technischen Fragen auseinander bin auch in die technischen Entwicklungen involviert respektive begleite diese sehr eng. Technik ist der Ursprung unserer Produkte. Es nutzt nichts, über Kosten zu reden, wenn die Technik nicht sauber funktioniert. Technik ist da A und O, deshalb werden technische Entwicklungsprozesse von Anfang an von den Grandseigneurs und Grauen Eminenzen der Firma begleitet. So lange, bis das Produkt dort ist, wo es sein sollte. Dann beginnt für mich der zweite Teil meines Jobs: der Verkauf. Dort geht es darum, potenziellen Kunden die Alleinstellungsmerkmale unsere Produkte verständlich zu machen. Das geht besser, wenn man das Produkt bereits im Entstehungsprozess begleitet hat.
Sie sind also ganz nahe dabei.
Natürlich. Bei fast jeder Schraube.
Aber selber schrauben Sie nicht mehr ..?
Doch, aber nur, wenns nötig ist. Wenns zeitlich knapp wird und auch samstags gearbeitet werden muss, stehe ich ebenfalls in der Werkstatt oder auf der Baustelle.
Keine Angst vor schwarzen Fingern?
Überhaupt nicht. Ich bin mit schwarzen Fingern ins Berufsleben gestartet und ich werde meine berufliche Karriere auch mit solchen beenden. (Interview: fass)