Malerin: «Hinterher ist es schöner»
Ruggel. – Eigentlich ist es klar, dass Patricia Ender eine Lehre als Malerin macht. Ihre Eltern führen seit vielen Jahren ein eigenes Malergeschäft in Ruggell, und von aussen betrachtet liegt es nahe, dass sie in den elterlichen Betrieb einsteigt. Doch weit gefehlt! «Sie ist eine so zierliche Person – ich dachte, sie werde einmal Drogistin oder Detailhandelsfachfrau», sagt die Mutter. «Mein Mann und ich waren sehr erstaunt, als Patricia eines Tages nach Hause kam und sagte: Ich werde Malerin!» An jenem Tag stand ihr Entschluss fest, und sie hat ihn nicht bereut.
Patricia Ender ist im ersten Lehrjahr, ihre Arbeit begeistert sie. Zum Beispiel wegen des Vorher-Nachher-Effekts, wie sie sagt: «Wenn wir die Baustelle verlassen, sieht es schön aus. Man sieht, dass wir hier etwas gemacht haben.» Die Möglichkeiten sind denn auch gross. Farbe kann einen Raum komplett ändern – sie lässt ihn grösser, kleiner, kühler oder wärmer erscheinen. «Patricia hatte immer einen grossen Verschleiss an Farben, schon als Kind», sagt ihre Mutter Irene Ender. Zu Hause zeichnet sie viel, abstrakte Bilder, wie sie sagt, und als sie noch die Realschule besuchte, belegte sie auch einen Mappenvorkurs an der Kunstschule. «Die Mappe habe ich jetzt, ich kann sie jederzeit auffrischen, wenn mir danach ist.»
Wie ein Maler arbeitet
Bei der Arbeit eines Malers spielt das Tageslicht eine grosse Rolle. Deswegen arbeitet Patricia Ender im Sommer auch länger als im Winter. Arbeitsbeginn ist immer um 7.15 Uhr. Das Team trifft sich in der Werkstatt und bereitet das Material vor, das für den Tag benötigt wird. Dann fahren die Maler auf die Baustelle. Um 9 Uhr gibt es eine Pause von einer Viertelstunde, von 12 bis 13 Uhr die Mittagspause, und im Winter ist um 17.15 Uhr Feierabend.
Baustelle – das klingt, als arbeite ein Maler häufig im Freien. Man empfindet unweigerlich ein Gefühl von Kälte und Nässe. Dieses Bild hat Patricia Ender auch abgeschreckt, als sie sich überlegte, welchen Beruf sie einschlagen solle. Draussen arbeiten – nein, das wollte sie nicht. Inzwischen weiss sie, dass sie vor allem drinnen arbeitet, zum Grossteil in Privatwohnungen oder in Industriebetrieben. Die meiste Arbeit verrichten Maler auf der Baustelle. Ist aber etwas transportierbar, so nehmen sie es mit in die Werkstatt und bearbeiten es dort. Einen fixen Arbeitsplatz gibt es nicht: Mal ist man in der Werkstatt, mal in einem Neubau, mal in einer Wohnung, die renoviert wird.
Manchmal sind es nur einzelne Wände, die gestrichen werden. Manchmal sind es komplette Wohnungen inklusive Fenster- und Türrahmen, die renoviert werden. Manchmal kümmert sich ein Maler auch um Möbelstücke. «Wir streichen das, was der Kunde wünscht. Und wir versuchen, den Aufwand für den Kunden so gering wie möglich zu halten», sagt Patricia Ender. Bis jetzt hat sie selbst nur wenig mit Kunden zu tun. In die Beratung wird ihr Vater sie zu einem späteren Zeitpunkt einführen.
Was die Lehre beinhaltet
Patricia Ender steht noch ganz am Anfang ihrer dreijährigen Malerlehre. Wenn man sie fragt, was sie bisher gelernt habe, beginnt sie nicht mit Techniken. Sie sagt: «Ich habe gelernt, worauf es ankommt: auf Sauberkeit. Wir sind meistens die letzten Handwerker, die auf der Baustelle sind, bevor ein Objekt an den Kunden übergeben wird. Da muss alles stimmen.»
Je nach Lehrbetrieb wird den Malerlernenden mehr oder weniger eigenständiges Arbeiten zugestanden. Im Betrieb von Patricias Eltern dürfen Lernende mehr machen als Dinge abschleifen und abdecken. «Wir machen alle Arbeiten, auch ich im ersten Lehrjahr.» Bloss auf die Stuckaturen muss sie noch warten. Am liebsten lackiert und grundiert sie Fensterrahmen. Das erfordert weit mehr Aufmerksamkeit und Detailtreue als das Streichen einer ganzen Wand.
Irene Ender ist überzeugt: «Das Talent zur Malerin hat sie von ihrem Vater geerbt. Sie hat einfach ein Händchen dafür, das merkt man schon, wenn sie die Farben mischt.» Und Patricia Ender findet: «Ich tu’s unglaublich gerne!» Beste Voraussetzungen eigentlich für eine Nachfolgeregelung im elterlichen Betrieb. Ob Patricia Ender auch nach der Lehre als Malerin weiterarbeitet, weiss sie heute noch nicht. Sie könnte eines Tages in die Fussstapfen ihres Vaters treten. Oder ihre Kunstmappe auffrischen und einen anderen kreativen Weg einschlagen. Fürs Erste aber hat sie noch genügend Zeit zum Nachdenken. Pinselstrich für Pinselstrich. (ir)
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