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Kurt Becks Besuch sorgt für Kontroversen

Wenn der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck am 26. November zum Wirtschaftsforum in Vaduz anreist, wird er nicht nur auf Freunde treffen. Noch nie hat ein Referent im Vorfeld für solch kontroverse Diskussionen und böse Zeilen gesorgt.

Vaduz. – «Grössere Pfeifen konnten Sie wohl nicht finden. Anscheinend hat es bei Ihnen im Medienhaus auch ein paar, bei denen eine Schraube locker ist.» Dies ist nur eine von vielen unschönen Reaktionen, die in den letzten Wochen bei Daniel Quaderer, Verlagsleiter des «Vaduzer Medienhauses» und Organisator des Wirtschaftsforums, eingetroffen sind. Die Organisatoren werden sogar als «Saubagage» bezeichnet, die dem einen oder anderen potenziellen Wirtschaftsforum-Besucher «kreuzweise und stundenlang am A … lecken» können. «Wir haben im Vorfeld eines Wirtschaftsforums noch nie so viele Reaktionen auf einen Referenten erhalten», bestätigt Daniel Quaderer. Die Reaktionen zeugten davon, dass viele Liechtensteiner Becks harte Worte im Zusammenhang mit dem Skandal um die Steuerhinterziehung von Ex-Postchef Klaus Zumwinkel auch nach vier Jahren noch nicht vergessen hätten. Damals hatte Beck Liechtenstein heftig angegriffen und gefordert, dass das «moderne Raubrittertum» unterbunden werden müsse.

«Beck erhält kein Honorar»


Trotz der heftigen Kontroverse um den Besuch Becks ist Quaderer nach wie vor davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war, den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz als Referenten zu gewinnen. Gerade weil er umstritten und damit interessant sei. Quaderer hält zudem fest, dass die Aussage in einem Leserbrief, wonach Beck ein fürstliches Honorar erhalte, falsch ist. «Kurt Beck erhält vom Medienhaus kein Honorar und fliegt auf eigene Kosten nach Vaduz. Auch das Hotel bezahlt er selber», stellt er klar.
Dass es gar zu Demonstrationen kommen oder «der Landesverräter» mit Tomaten oder faulen Eiern beworfen werden könnte, glaubt Quaderer zwar nicht. Dennoch würden diverse zusätzliche Sicherheitsmassnahmen ergriffen. Der Sicherheitsdienst ist vorgewarnt und hat die nötigen Schritte eingeleitet.

Kritiker können Freunde werden

«Sportlicher» unterwegs als viele Liechtensteiner ist – für viele vielleicht erstaunlich – Bankenverbands-Präsident Adolf E. Real. Er hat absolut keine Probleme mit dem Besuch von Beck – im Gegenteil. Grundsätzlich sei es wichtig, dass Liechtenstein mit seinen Kritikern spreche, sie einlade und in einen konstruktiven Dialog mit ihnen trete. «Unser Land muss im Sinne der Öffnung und der Transparenz den Mut besitzen, solche Menschen einzuladen», so Real. Er selbst durfte erfahren, dass oft die grössten Kritiker sich zu Freunden Liechtensteins entwickelt haben, wenn sie das Land in all seinen Facetten kennengelernt haben. Wenn sie sehen, dass Liechtenstein nicht nur ein Finanzplatz, sondern auch ein erfolgreicher Industriestandort ist. «Das wird bei unseren Freunden in Deutschland leider oft übersehen.»

Deshalb sei es ganz wichtig, dass Kritiker wie Kurt Beck nicht nur für eine Stunde anreisen, sondern die Möglichkeit genutzt werde, ihnen das Land beispielsweise mit Besuchen in diversen Industriebetrieben näherzubringen. «Wenn sie richtig informiert werden, dann können sie uns für die Zukunft sehr wohl dienlich sein. So auch ein Kurt Beck», ist Real überzeugt. Bedauerlich findet Real nur, dass Beck bereits seinen Rücktritt als Ministerpräsident bekannt gegeben hat und im neuen Jahr nicht mehr in der Regierung amten wird. Doch das könnte auch eine Chance sein. Vielleicht wird er gerade deshalb jenseits der üblichen Gepflogenheiten sprechen und mit der einen oder anderen Überraschung aufwarten.

«Nicht in Vergangenheit schwelgen»

Diese Aussagen können sowohl Regierungschef Klaus Tschütscher wie auch Egbert Appel, Sponsor des Wirtschaftsforums und Geschäftsführer der Hilti Foundation, voll und ganz unterstützen. «Kontroverse Diskussionen sind das Salz der Demokratie», so Appel kurz und knapp.

Klaus Tschütscher weiss, dass die grössten Kritiker oft über kein vollständiges Liechtenstein-Bild verfügen und die diversifizierte Wirtschaft nicht kennen. Deshalb sei es immer am besten, ihnen vor Ort das reale Bild zu vermitteln. Es zeuge von Persönlichkeit, wenn sich ein Politiker die Mühe mache, sich mit diesen realen Gegebenheiten auseinanderzusetzen, beglückwünscht er Beck zu seiner Entscheidung, die Einladung zum Wirtschaftsforum anzunehmen. Für Liechtenstein sei sein Besuch ein grosser Gewinn. Und natürlich werde die Gelegenheit genutzt, mit Beck in einen Dialog zu treten. Er wird am Nachmittag von Erbprinz Alois zum Empfang auf Schloss Vaduz geladen. Im Anschluss daran stattet er dem Regierungschef einen Besuch im Büro ab.

Tschütscher kann nicht nachvollziehen, dass Beck seine Äusserungen aus dem Jahr 2008 noch heute nachgetragen werden. «Damals befand er sich in einer völlig anderen Rolle, hat diese Aussagen als Bundesvorsitzender der SPD getätigt. Politik ist kein Geschäft für ‹Weichspüler› und Nachtrager. Jetzt ist die Zusammenarbeit von seiner Rolle als Ministerpräsident geprägt», so Tschütscher.

Dass Beck in Vaduz gar mit Tomaten beworfen werden könnte, glaubt Tschütscher nicht. «Wir sind ein zivilisiertes Volk. Und bei allen Unstimmigkeiten in der Vergangenheit sollten wir den Blick auf Aktuelles lenken. Der Besuch Becks zeigt, wie viel in eine gute Zusammenarbeit mit Deutschland und in die Kontakte zu Regierung und Opposition investiert wurde. Wir begegnen uns als gleichwertige Partner auf Augenhöhe. Schwelgen wir nicht in der Vergangenheit.» (dv)

 

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