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Heinrich Kiebers geheimer Deal mit Australien

Bei der Fahndung nach dem Datendieb Heinrich Kieber spielt ein Land am anderen Ende der Welt offenbar eine entscheidende Rolle. Australien hat Liechtensteins Staatsfeind Nummer 1 möglicherweise die Niederlassung ermöglicht.

VON PATRICK STAHL

Vaduz. – Der hohe Besuch aus dem fernen Land wurde erstaunlich bescheiden empfangen. Der australische Aussenminister Kevin Rudd wurde bei seinem Besuch in Vaduz am vergangenen Donnerstag weder von Fürst Hans-Adam von und zu Liechtenstein noch von Regierungschef Klaus Tschütscher empfangen. Stattdessen traf Rudd mit seiner Amtskollegin Aurelia Frick zusammen. Laut offiziellen Angaben sprachen die beiden Minister – man höre und staune – über die bilateralen Beziehungen zwischen Australien und Liechtenstein.

Worüber die beiden im Detail sprachen, ist nicht bekannt. Gesprächsstoff dürfte es aber zur Genüge geben. Rudd war australischer Premierminister, als sich anfangs 2008 die Affäre um gestohlene Kundendaten der Liechtensteiner LGT-Gruppe um den Globus ausbreitete. Und wie sich mittlerweile zeigt, spielt das Land der Känguruhs und Koalas wohl eine entscheidende Rolle bei der bisher vergeblichen Suche nach dem Datendieb.

«Grossartige Möglichkeit»

Gerichtsdokumente zeigen, dass sich drei australische Steuerfahnder im Oktober 2006 mit Kieber trafen. Wo das Treffen stattfand, ist nicht bekannt. Kieber erklärte den Fahndern, dass er in der Informatikabteilung der LGT Treuhand gearbeitet hatte und händigte ihnen Dokumente und zwei Datenträger mit Details über australische Kunden der LGT aus. Die Zeitung «The Australian» veröffentlichte in der vergangenen Woche einen Auszug des Gesprächs. Kieber gibt an, dass er eine Lücke im Sicherheitssystem der Bank entdeckt habe und die «grossartige Möglichkeit» genutzt habe, um die Daten zu kopieren. Die Steuerfahnder kamen offenbar mit Kieber ins Geschäft und lancierten eine geheime Operation namens Jade.

«Etwas viel Wertvolleres verlangt»

Bis heute ist unklar, welche Gegenleistung Kieber für die Weitergabe des brisanten Materials erhalten hat. Der oberste australische Steuerfahnder Michael D’Ascenco erklärte mehrfach öffentlich, dass der Staat für diese Information kein Geld gezahlt habe. «Kieber konnte von den australischen Behörden etwas für ihn viel Wertvolleres verlangen», sagt Sigvard Wohlwend. Für den Liechtensteiner Journalisten spricht vieles dafür, dass Kieber mit einer Aufenthaltsbewilligung in Australien entlöhnt wurde. Wohlwend und sein Kollege Sebastian Frommelt sind bei ihren Recherchen für den Dokumentarfilm «Heinrich Kieber Datendieb» auf Hinweise gestossen, wonach sich Kieber nach der milden Strafe wegen Datendiebstahls aus Liechtenstein nach «Down under» absetzen wollte.

Niederlassung gegen Daten erhalten?

Kieber hatte Australien schon früh als Land seiner Träume entdeckt. Im Jahr 1991 reiste er auf abenteuerlichem Weg nach Australien und verbrachte dort mehrere Monate, bis er wegen Versicherungsbetrugs den Kontinent eilig verlassen musste. «Kieber erzählte Arbeitskollegen und Freunden ständig davon, dass er unbedingt nach Australien zurückkehren wolle», sagt Frommelt. Mit dem Geld aus den Deals mit mehreren Staaten, darunter Deutschland, Grossbritannien und die USA, hätte sich Kieber diesen Traum verwirklich können. Voraussetzung dafür war aber, dass die australischen Behörden ihm die Niederlassungsbewilligung erteilten und den Betrugsfällen nicht näher nachgingen. Sind die Australier diesen Deal mit Kieber eingegangen? Diese Frage liess der damalige Vize-Finanzminister Nick Sherry im Film ausdrücklich offen.

Häufiger Gast in Australien
Wohlwend weiss aus verschiedenen Quellen, dass der Datendieb mehrfach wieder nach Australien gereist ist. Ihm liegt nach eigenen Angaben ein Dokument der australischen Behörden vor, wonach Kieber wenige Tage nach der Verhaftung des deutschen Postchefs Klaus Zumwinkel am 14. Februar 2008 den Kontinent verliess. Ohne ausdrückliche Einwilligung der australischen Behörden hätte der Strafflüchtling, der weltweit auf TV-Kanälen zu sehen war, wohl kaum einen Flieger besteigen können.

Der damalige Regierungschef Kevin Rudd könnte die offenen Fragen sicher beantworten. Die angekündigte Pressekonferenz im Anschluss seines Besuchs in Liechtenstein wurde kurzfristig ohne Angabe von Gründen abgesagt. Aus Vaduzer Regierungskreisen war zu hören, dass der Gast aus Australien um die Absage gebeten hatte.

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