«Ich strebe nach Perfektion»
Seven, dein 10. Album «The Art is King» erscheint heute. Es wurde sehr spannend angekündigt: Musikalisch dürfe man alles erwarten, ausser das zu Erwartende. Was unterscheidet das Album von deinen anderen?
Seven: Ich komme ich ja eigentlich aus der Hip-Hop- und Soulecke. Das bedeutet, ich bastle Beats und repetitive Texte, die ich dann über die gesetzten Rhythmen singe. Da ich das Gefühl hatte, dass man aus dem einen oder anderen Song noch mehr rausholen könnte, habe ich vor einiger Zeit ein «unplugged»-Album aufgenommen, auf dem ich die letzten 10 Jahre neu verarbeitet habe. Nun habe ich mich an die Königsklasse gewagt und 40 Songs geschrieben, die nicht mehr vom Beat und der Effekthascherei leben.
40 Songs ... das klingt nach sehr viel Studio-Arbeit.
Wir sassen dabei nicht im Studio, sondern haben uns in die Berge von New York verkrochen, um absolute Ruhe zu haben. Dort verbrachte ich Stunden mit Stift und Papier neben dem Pianisten und schrieb Songs – ganz so, wie man früher Musik produzierte. Aus den 40 Songs, die dabei entstanden, habe ich die 12 stärksten Songs ausgesucht. Dabei ist ein völlig freies, epochales, rockiges und sehr untypisches Seven-Album entstanden. Es ist sicher das Album, das am wenigsten so klingt, wie man es von Seven erwartet.
Woher nimmst du die Inspiration für deine Songs?
In den Texten verarbeite ich Dinge, die ich erlebe und beobachte, Gefühle, die ich spüre. Ab und zu erwache ich in der Nacht und schreibe mir einen Gedanken auf. Es fliessen auch immer autobiografische Erlebnisse und sehr persönliche Sachen mit ein. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum man meine Gesangsart und Stimme als «Soul» bezeichnet, weil es wirklich aus dem Bauch und dem Herzen kommt.
Würdest du dich als Perfektionisten bezeichnen?
Absolut, was schön und anstrengend zugleich ist. Ich bin ein wenig ein «Getriebener». Alles was ich mache, ist immer so perfekt, wie es mir in diesem Moment möglich ist. 100-prozentige Perfektion erreicht man nie. Wenn mir das gelingen würde, würde ich aufhören. Es geht mir um das Streben nach Perfektion – was oft über dem gesetzten Zeitaufwand und Budget liegt (lacht).
Du bist in einer Musikerfamilie aufgewachsen. Dein Vater ist Tenor, deine Mutter Pianistin. War das Haus in deiner Kindheit stets von Musik erfüllt?
Meine Kindheit war wirklich wie in einem kitschigen Märchen. Mein Vater gab oben im Estrich Gesangsunterricht und übte für seine klassischen Opern-Engagements, im mittleren Stock gab meine Mutter Klavier- und Flötenunterricht und im Keller übte mein Bruder Schlagzeug. Dementsprechend war der Musikpegel immer etwas höher. Schon als kleines Baby habe ich im Unterrichtszimmer meiner Mutter am Boden gespielt, während sie unterrichtete.
Da wird man ja zwangsweise musikalisch.
Unsere Eltern haben uns nie Druck gemacht, ein Instrument zu spielen. Aber wir sind natürlich in diesem Umfeld aufgewachsen. In jedem Raum standen Instrumente – von Flöten über Flügel und Klavier bis hin zum Cembalo. Ich habe selbst lange klassische Geige gespielt, dann Bass und Schlagzeug, mein Bruder Cello.
Gaben dir deine Eltern auch Tipps für die eigene Musikkarriere?
Sie haben mir nie gesagt, wie ich was zu machen habe. Das habe ich immer sehr geschätzt. Sie verstehen meine Leidenschaft für die Musik und können nachvollziehen, dass sie mich magisch anzieht, denn ihnen geht es ja gleich. Mein Bruder und ich, wir sind beide Unterhaltungsmusiker und unsere Eltern Klassiker. Wir konnten gegenseitig voneinander lernen. Durch sie habe ich die Grundregeln der Musik verinnerlicht. Und sie haben durch uns neue Facetten der Musik kennengelernt.
Dann hat die Musik von deinen Eltern deine eigene beeinflusst?
Wenn man gute klassische Musik hört, ist es wie das kleine Einmaleins, das man lernt. Diesen Grundboden habe ich täglich übers Ohr aufgenommen. So habe ich bei meiner eigenen Musik automatisch gewisse Regeln befolgt – intuitiv, weil ich sie so oft gehört habe. Am Anfang lässt man sich von der Beeinflussung tragen und irgendwann findet man seinen eigenen Weg.
Seit rund 20 Jahren spielst du mit deinem Bruder in einer Band. Ihr müsst eine sehr enge Beziehung haben.
Wir haben eine ganz spezielle Beziehung. Ich verdanke ihm viel. Mein Bruder ist sechs Jahre älter als ich und hat mich damals als
7-Jährigen in seine Band aufgenommen, in der alle Mitglieder im Schnitt 12 Jahre älter waren als ich. Es gibt nicht viele Brüder, die so etwas machen. Er hat mir einfach das Mikro in die Hand gedrückt und mich mit den Worten ermutigt: «Ich weiss, dass du singen und improvisieren kannst, also tus. Hier hast du ein Englisch-Wörterbuch.» Später spielten wir gemeinsam in einer anderen Band und einer A-capella-Gruppe, bis wir vor 10 Jahren Seven gründeten. Dass mein Bruder in der Band ist, macht die Zusammenarbeit und den Umgang mit dem ganzen Team noch persönlicher.
Mit 7 Jahren hast du begonnen, Songs zu schreiben, mit 11 Jahren standest du das erste Mal auf der Bühne. Geht da nicht ein Stück Kindheit verloren?
Ich habe nichts vermisst. 15 Jahre lang war ich ein leidenschaftlicher Basketball-Spieler. Mit 12 Jahren dachte ich noch, dass ich das mal professionell machen würde, wenn ich gross bin.
Dann hast du dich aber doch für die Musik entschieden.
Diesen besonderen Moment gab es eigentlich nie. Da ich schon immer Musik gemacht habe, war es nie nötig, mich für oder gegen Musik zu entscheiden. Dass sich aus der Leidenschaft ein Beruf entwickelte, ist einfach so gekommen. Es hätte auch ein Hobby bleiben oder ein Musikstudium werden können.
Du bist der erfolgreichste Soulmusiker der Schweiz. Wie erklärst du dir deinen Erfolg?
Schlussendlich geht es um einen positiven und ehrlichen Umgang mit Menschen. Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich für den Grossteil des Publikums vertraut. Aber für mich sind diese Menschen Fremde. Deshalb muss ich erst mal versuchen, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen, die nicht gespielt ist. Man muss sich gegenseitig respektieren und nicht das Gefühl haben, dass man etwas Besseres ist. Wenn man mit dem Publikum ehrlich ist, kommt unglaublich viel zurück.
Kannst du näher definieren, was du mit dieser Ehrlichkeit meinst?
Wenn man zum Beispiel einen Fehler in einem Lied macht, sollte man auch dazu stehen. Ich bezeichne das Publikum immer als einen grossen, hypersensiblen Menschen. Es weiss zwar nicht genau, was falsch ist, aber es fühlt, wenn etwas nicht stimmt. Das Schlimmste auf einer Bühne ist, wenn man mit unsicherem Blick nach links und rechts schaut. Ausserdem muss man auf das Publikum eingehen, je nach Stimmung einen Song anders performen als noch am Tag zuvor. Nur wenn die Menschen nach dem Konzert das Gefühl haben, dass die Stimmung einzigartig war, kommen sie das nächste Mal wieder. Ansonsten wird es langweilig – für das Publikum und mich. Dann entsteht keine Beziehung, keine Magie.
Welches war der emotionalste Moment in deiner Karriere?
Der emotionalste Moment war sicher das Abschiedskonzert der Tour «Like a rocket». Wir hatten fast 30 Gigs in extrem kurzer Zeit hinter uns gebracht und waren ziemlich leer. Beim letzten Song war meine hochschwangere Frau mit dabei und als ich sie ansah, wurde mir plötzlich bewusst, dass mich mein Sohn in ihrem Bauch jetzt auch hört. Das hat mich so bewegt, dass ich den Song fast nicht zu Ende singen konnte.
Mittlerweile ist dein Sohn zwei Jahre alt. Hat die Familie dein Leben sehr verändert?
Gerade einen so emotionalen Menschen wie mich verändert das Vatersein extrem. Das Suchen ist weg, das Gefühl, dass man noch dies oder jenes ausprobieren und auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen muss. Man weiss, wo man zu Hause, warum man auf der Welt und was der Sinn Lebens ist. Ich nehme meine Familie deshalb auch so oft wie möglich mit. Wir waren schon gemeinsam in Afrika, England, LA und New York. Für meinen Sohn ist es jetzt schon völlig normal, in einem Flugzeug zu sitzen. Angst kennt er nicht, sondern er freut sich nur, weil er weiss, dass er dann mit dem iPad spielen darf. Es geht mir nicht darum, erfolgreich zu sein oder viel Geld zu verdienen, sondern viele schöne Erinnerungen mit meiner Familie zu sammeln und die gemeinsame Zeit zu geniessen.
Ich habe gelesen, dass du sehr modebewusst bist. Wann warst du das letzte Mal shoppen?
Meistens kaufe ich online ein. Dabei kommen diverse inländische und ausländische Portale infrage. Für mich ist ausschlaggebend, was mir gefällt und im Trend liegt. Wann es das letzte Mal war, sage ich jetzt aber nicht (lacht). Gerne kaufe ich in London ein. Dann fliege ich morgens mit dem Flugzeug hin und abends wieder zurück. Im englischen Stil fühle ich mich wohl.
Wie würdest du diesen Stil beschreiben?
Tailliert-englisch. Wenn ich einen englisch geschnittenen Anzug kaufe, muss ich maximal ein, zwei kleine Änderungen machen, dann passt er wie angegossen. Der englische Schnitt setzt Trends und bestimmt den Lifestyle – egal ob dies Abendkleider, Smokings und Cocktailkleider sind.
Bei welchen Modeaccessoires wirst du schwach?
Bei englischen Carrot-Hosen. Ich habe schon so viele Hosen, dass ich den Überblick verloren habe. Schuhe sammle ich auch. Etwa 50 Prozent der Schuhe, die ich zu Hause habe, habe ich noch nicht mal getragen. Ich habe die Schuhe an zwei grossen Wänden ausgestellt, bis unter die Decke.
Wie viele sind es denn?
Beim letzten Inventar waren es etwa 20 Paar «normale» Schuhe und rund 300 Turnschuhe, alle von Nike. Als ich mit zehn Jahren begonnen habe, Basketball zu spielen, sah ich Michael Jordan über den Bildschirm flackern. Ich war so fasziniert von ihm, dass ich gespart und gespart habe, um mir die gleichen Schuhe zu kaufen. Na ja, und dann kam der gleiche Schuh in einer anderen Farbe heraus, den ich natürlich auch haben musste. Und dann in noch einer anderen ...
Welche Träume möchtest du dir in deinem Leben noch erfüllen?
Ich hätte gern in der Schweiz ein Haus und in New York eine Wohnung. Um neue Inspiration zu gewinnen, brauche ich manchmal Abstand und ein anderes Umfeld, deshalb die Wohnung in New York. Zu Hause lasse ich mich zu leicht ablenken, da ich jemand bin, der sehr viel aufnimmt und mitbekommt, was um ihn herum passiert. Ausserdem inspiriert mich das Fremde. Neben dem Haus und der Wohnung ist mein grösster Traum, dass ich weiterhin das machen darf, was ich jetzt tue. Mein Beruf macht mir viel Spass und ich hoffe, dass das Abenteuer mit meinem tollen Team und den Menschen, die ich gerne habe, noch lange weitergeht.