«Blamieren und kassieren»
Wer Situationen vermeidet, in denen er sich blamieren könnte, dem entgeht eine Menge: neue Kontakte, interessante Gespräche und unbekannte Erfahrungen. So plädiert Kunsthistoriker und Buchautor Christian Saehrendt: «Bleiben Sie locker und blamieren Sie sich mal wieder! Am besten dreimal täglich!»
Angst schränkt ein
Gelegenheit zur Blamage gibt es reichlich, denn die ungeschriebenen Regeln, welches Verhalten als akzeptiert und welches als peinlich gilt, werden immer komplexer und diffuser. An der Geschäftssitzung gelten andere Regeln als im Grossraumbüro oder beim abendlichen Bier mit Kollegen; auf einer Party mit Freunden ist man anderen Erwartungen ausgesetzt als auf der Familienfeier.
Je grösser der Leistungsdruck, desto stärker möchte man dem Wunschbild, das man glaubt abgeben zu müssen, gerecht werden. Folglich ist die Angst, die Regeln nicht zu durchschauen, enorm – wer möchte schon als Trottel dastehen? «Wir haben so viel Angst, peinlich zu sein wie nie», ist sich Saehrendt sicher. Eine Angst, die den Alltag stärker beeinflusst und einschränkt, als man ahnt. Einzige Lösung: Angriff nach vorne!
Blamieren schadet nicht
Peinliche Momente sind ein Zeichen dafür, dass man etwas gewagt hat und nicht in seiner Routine erstarrt. Saehrendt: «Blamagen sind ein Ausbruch aus dem Korsett der Selbstkontrolle; ein elementares, spontanes Gefühl, mit dem ich meine Lage sondieren kann.» Bin ich überfordert? Habe ich ein Problem mit gewissen Situationen? Persönliche Schwächen, die durch ein Tritt ins Fettnäpfchen näher beleuchtet werden können. Dazu kommt, dass Blamagen dazu verhelfen, an sich zu arbeiten. Woraus lernt man besser als aus seinen eigenen Fehlern? Schon Henry Ford sagte: «Unsere Fehlschläge sind oft erfolgreicher als unsere Erfolge.»
Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass das Verhalten, das in einer Blamage enden kann, auch zu grossen Erfolgen und Veränderungen führen kann: Nur wer wagt, den Traummann anzusprechen oder die Führungsposition zu übernehmen, kann auch einen Erfolg erzielen. (jul)
Quelle: «Blamage – Geschichte der Peinlichkeit» von Christian Saehrendt.
Erschienen bei Bloomsbury Berlin.