«Die Welt»: Den Steueroasen wird langsam die Luft abgedrückt
Auszug eines Beitrags von Christian Euler für die «Welt» vom 1.2.09: Mehr als elf Billionen Dollar haben gut betuchte Anleger weltweit vor ihren Finanzbehörden versteckt ? Tendenz steigend. Doch der Druck auf die Steueroasen wächst. Sie sind gezwungen, ihre Regeln deutlich zu verschärfen. Auch in der Europäischen Union bröckelt das Bankgeheimnis. Peer Steinbrück geht in die Offensive. Vergangene Woche verschickte der Finanzminister den Referentenentwurf für das ?Gesetz zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken und der Steuerhinterziehung? an die Ministerien. Sein Ziel: Die Austrocknung möglichst vieler Steueroasen. Deutschlands oberster Kassenwart schreckt dabei auch vor drakonischen Maßnahmen nicht zurück. Zeigen sich die betreffenden Staaten, zu denen unter anderem auch die Schweiz und Liechtenstein zählen, nicht kooperativ, dürfen deutsche Konzerne die Dividenden ihrer Tochtergesellschaften in diesen Ländern zukünftig nicht länger steuerfrei kassieren. Im Extremfall soll der gesamte Geschäftsverkehr mit den Staaten lahmgelegt werden, die nicht die von der OECD aufgestellten Kriterien der behördlichen Zusammenarbeit erfüllen. ?Das käme einem Handelskrieg gleich?, fürchtet der Münchner Steuerexperte und Buchautor Hans-Lothar Merten, ?die geplante Neuregelung schränkt die Grundfreiheiten des EU-Vertrages ein.? Doch so weit dürfte es nicht kommen. ?Das neue Gesetz sollte sich als zahnloser Tiger erweisen?, meint Steuerberater MBA Anton-Rudolf Götzenberger, Autor des Buches ?Der gläserne Steuerbürger?. Er hält es ?für fraglich, ob es den Deutschen gelingt, die Geschäftsbeziehungen zu Staaten und Gebieten einzuschränken, die sich nicht an die Abmachung halten?. So dürfte sich die Jagd nach Steuersündern vorerst weiterhin auf Privatanleger konzentrieren. Einer der prominentesten Fälle von Steuerhinterziehung wurde in der vergangenen Woche abgeschlossen. Das Landgericht Bochum verurteilte den früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von einer Million Euro. Zumwinkel habe zwischen 2002 und 2006 über eine Stiftung in Liechtenstein knapp eine Million Euro Steuern hinterzogen. Ob das Beispiel abschrecken wird, ist jedoch fraglich. Aus Liechtenstein immerhin ziehen viele Kunden jetzt ihr Geld ab. Ansonsten hält die Kapitalflucht ins Ausland weiter an. Expertenschätzungen zufolge haben Bundesbürger derzeit rund 600 Milliarden Euro Schwarzgeld im Ausland gebunkert. ?Davon liegen rund 200 Milliarden bei Schweizer Banken, über 100 Milliarden in Luxemburg und 75 bis 80 Milliarden in Österreich?, schätzt Finanzprofi Merten. John Christensen von der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network geht davon aus, dass weltweit die gigantische Summe von rund 11,5 Billionen Dollar in verschiedenen Steueroasen gebunkert wird. Konrad Hummler, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers und Teilhaber der Privatbank Wegelin, geht davon aus, dass die Reisetätigkeit in die Steueroasen zunehmen wird. In vielen Ländern sei aufgrund der hohen ausgewiesenen und vor allem versteckten Staatsverschuldung eine ?Konfiskation der privaten Vermögen absehbar?. Sein Credo: Viele Menschen, die ihr Geld ins Ausland bringen, wollen ihr Vermögen vor der künftigen hohen, enteignungsähnlichen Steuer schützen. ?Rund 90 Prozent der Bundesbürger tendieren dazu, Kapitaleinkünfte nicht ordentlich zu deklarieren?, bringt es Bankkaufmann Hans-Lothar Merten auf den Punkt. Die Schweiz ist dabei für diskrete Geldverstecker allerdings nur noch zweite Wahl. ?Wenn Sie Ihr Geld in die Hände der sogenannten Finanzexperten in Zürich legen?, sagt ein Insider in Zürich, ?können Sie es auch gleich in die Hände von weiß Gott wem legen, der weiß Gott was damit macht.? Für Aufsehen sorgte zuletzt die Großbank UBS, die US-Bürgern bei der Tarnung ihrer Auslandsvermögen geholfen haben soll. Dabei ging es um Guthaben im Wert von 18 Milliarden Dollar. Jetzt müssen 250 amerikanische UBS-Kunden mit einer Offenlegung gegenüber den US-Behörden rechnen und riskieren hohe Strafen. Als Hort für Steuerflüchtlinge aus den USA kann die Schweiz also nicht mehr dienen. ?Wenn EU und USA gemeinsam gegen das Bankgeheimnis der Schweiz vorgehen, wird der Druck enorm sein?, glaubt Finanzfachmann Merten. Für Stephan Eschmann, Gründer und Inhaber der gleichnamigen Anwaltskanzlei für Finanz- und Wirtschaftsrecht in Zürich, ist das Bankgeheimnis hingegen ?sehr wichtig für die Schweiz und mit Sicherheit langfristig haltbar. Ob dies auch im Zusammenhang mit der Forderung nach Rechts- oder Amtshilfe bei Steuerhinterziehung zutrifft, sei jedoch eine andere Frage.? Auch Liechtensteins Ruf als besonders verschwiegene Alpenfestung schwindet wie Almbutter in der Sonne. Lagen Ende 2007 noch mehr als 110 Milliarden Euro auf Bankkonten in dem 35.000-Einwohner-Land mit seinen 70.000 Stiftungen, ziehen verunsicherte Kunden nun reihenweise ihr Geld ab. Die EU setzt Liechtenstein massiv mit der Forderung unter Druck, bei der Jagd auf Steuerflüchtlinge zu kooperieren. ?Langfristig werden die Nachbarländer Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, und die Schweiz mit ihrem Bankgeheimnis nicht durchkommen?, sagt Steuerexperte und Buchautor Hans-Lothar Merten ? und sieht die EU am längeren Hebel. Vor allem die Schweiz und Liechtenstein hält er für Wackelkandidaten. Jetzt setzen Steueroasen in Übersee mit speziell auf Steuerstraftäter zugeschnittenen Anlagemodellen und der Pflicht zur Verschwiegenheit das Katz-und-Maus-Spiel fort. Und das Geschäft mit heiklen Tipps zur Vermögensverschiebung bleibt attraktiv. Merten selbst nahm die neue Fahndungsoffensive der Finanzbehörden zum Anlass, ein neues Buch herauszubringen. In der vergangenen Woche erschien im mittlerweile 14. Jahr sein Kompendium ?Steueroasen 2009?. Ganz unverhohlen macht er auf die ?Gefahren? in weit entfernten Steueroasen aufmerksam. Dort gebe es eine Reihe von nationalen Besonderheiten zu beachten. ?Wo Nullsteuern locken, lauern nur zu oft auch Risiken ? und die sollte man unter Kontrolle haben?, sagt er. Für besonders diskret hält er neben Dubai vor allem Hongkong und Singapur. In seinem Ende März in einer Neuauflage im Wiener Linde-Verlag erscheinenden Werk ?Anlagestrategien vor der neuen Abgeltungsteuer? gibt der Steuerberater Anton-Rudolf Götzenberger Gestaltungstipps für die steuereffiziente Geldanlage im In- und Ausland. Für Steuerflüchtlinge ist kein Weg zu weit. Die Geldanlage in der Ferne hat den Hauch des Exotischen längst verloren. Expertenschätzungen zufolge werden zwischen sechs und acht Prozent des weltweiten Vermögens fern der Heimat ihrer Eigentümer an sogenannten Offshore-Standorten verwaltet. Beispiel Jungfraueninseln (Virgin Islands): Dort leben nur 108.605 Einwohner, aber 700.000 Offshore-Gesellschaften sind registriert. Die Finanzbehörden der entwickelten Staaten haben noch viel Arbeit vor sich. (Die Welt, 1.2.09, 10:56)