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Zettel: «Jeder Mitarbeiter ist auch Gastgeber»

Schlossherr, Hotelier, Familien­vater, Oldtimerfahrer und Kite-Surfer: Patrick Pierre Zettel tanzt auf vielen Hochzeiten. Stets gut gelaunt und adrett gekleidet, ist er ein Aushänge­schild der Tourismusbranche. Und ein Fan seiner Heimat. «Viele Ragaz-Gäste wähnen sich im Bündnerland», sagt Patrick Pierre Zettel

Herr Zettel, als Hoteldirektor des «Schloss Ragaz» darf man Sie als Schlossherrn bezeichnen. Wie lebt und arbeitet es sich auf einem Schloss?

Patrick Zettel: Schlösser sind meist al­te Häuser und wecken in der Hotelle­rie hohe Gästeerwartungen. In diesem Spannungsumfeld bewegen wir uns ? und das ist eine Herausforderung.

Sie sind in diesem Haus aufgewachsen. Wie ist eine Kindheit im Schloss? Gla­mourös?

Nein, überhaupt nicht. Meine Eltern führten das Schlosshotel, wir hatten unsere Wohnung unter dem Dach ? die Kochnische befand sich allerdings draussen auf dem Estrich. Es war den­noch eine sehr schöne Kindheit und Jugend, wir haben im Hotelbetrieb gelebt, Park und Schloss waren für uns ein riesiges Spielfeld.

Als Erwachsener sieht man das wohl von einer etwas anderen Seite?

Natürlich gibt es immer wieder eine Brücke zu den Erlebnissen in der Ju­gend, aber heute ist das Schloss für mich ein Arbeitsinstrument. Das ist das Schöne an unserem Beruf, wir haben ein Arbeitsinstrument, das ins Pri­vatleben übergeht.

Im Schweizer Tourismus ist seit Länge­rem von einer Krise die Rede. Was ist Ihr Rezept, um in schwierigen Zeiten das Haus voller Gäste zu haben?

Die Schweizer Hotellerie bewegt sich in einem sehr herausfordernden Um­feld. Im Vergleich zu unseren Mitbe­werbern stehen wir ? gerade was die Kosten betrifft ? vor grossen Herausfor­derungen. Im Schlosshotel haben wir neben Kostenmanagement und stren­ger Einkaufsüberwachung unseren Weg gefunden, indem wir einen sehr persönlichen und familiären Service bieten. Gästebindung hat bei uns oberste Priorität. Das ganze Team ar­beitet darauf hin, dass die Gäste begeis­tert sind und wiederkommen wollen.

Wo liegen die Stärken und Chancen der Schweizer Hotellerie?

Die erfolgreichen Betriebe der Schwei­zer Hotellerie sind sehr klar positio­niert. Bei der Ausbildung des Hotelper­sonals ist die Schweiz weltweit füh­rend, die Hotelfachschulen in Luzern, Lausanne und Thun geniessen Weltruf. Von diesem hohen Ausbildungsstan­dard profitieren auch jene, die ihre Aus­bildung in den Betrieben absolvieren, und der Schweizer Hotellerie erwächst ein wichtiger Vorteil: Die Effizienz der Mitarbeiter ist herausragend. Bei uns erbringt keiner nur 100 Prozent Leis­tung, bei uns sind 120 Prozent üblich.

Dienst nach Vorschrift gibt es nicht.

Richtig. In der Industrie würde man von der Produktivität der Mitarbeiter sprechen, ich nenne es lieber Effi­zienz. Bei uns im Haus ist jeder Mit­arbeiter auch Gastgeber. Nicht nur meine Frau Barbara und ich, sondern wirklich jeder.

Die Sektion Bad Ragaz von hotellerie­suisse hat im Januar den Kantonalver­band gewechselt und gehört nun zu Graubünden. Sie vertreten Bad Ragaz im Kantonalvorstand. Was bringt dieser Wechsel dem Ragazer Tourismus?

St.Gallen beziehungsweise die Ost­schweiz hat einen Hotelierverein, der funktioniert, und in dem wir Ragazer uns sehr wohlgefühlt haben. Die Ho­tellerie im Kanton St.Gallen ist stark von der Stadthotellerie geprägt, die Ragazer Betriebe aber zählen haupt­sächlich auf Feriengäste. Deshalb liegt uns die Bündner Hotellerie näher.

In Graubünden wurden Sie mit offenen Armen empfangen. Wie hat man in St.Gallen auf diesen Wechsel reagiert?

Natürlich haben wir vor dem Wechsel einige Diskussionen mit dem St.Gal­ler Kantonalverband geführt. Es gab immer ein offenes Gespräch.

Kein böses Blut?

Nein, überhaupt nicht. Bad Ragaz ist mit der Bündner Herrschaft sehr eng verbunden, viele Ragaz-Gäste wähnen sich im Bündnerland. Die Destination Heidiland hat schon vor einigen Jahren den Schritt über die Kantonsgrenze ge­wagt und die Bündner Herrschaft inte­griert. Von daher war unser Wechsel eine sehr natürliche Angelegenheit.

Street-Parade-Präsident Joel Meier hat den Bündner Hoteliers geraten, mehr Events zu veranstalten, die man nicht verpassen kann. In knapp drei Wochen ist die 5. Heidiland Classic im Gang, deren Co-Präsident Sie sind. Warum ist dies ein Event, das man nicht verpassen darf?

Da möchte ich zuerst aus der Sicht der Teilnehmer sprechen, die mit ihren alten Autos mitfahren. Diese bekommen von Freitag bis Sonntag ein reichhaltiges Programm geboten ? Gala-Diner, einfache Abende mit «Benzin-Gesprächen», sportliche und kulturelle Ausfahrten. Kulina­risch versuchen wir das Beste zu bie­ten, daneben wollen wir auch die re­gionale Kultur vermitteln.

Es geht also nicht nur ums Gasgeben?

Es geht auch ums Gasgeben, bei den Sonderprüfungen beispielsweise. Man ist immer mit demAuto unterwegs, aber Kultur ist auch ein wichtiger Aspekt.

Die Heidiland Classic spricht also nicht nur Oldtimer-Fahrer an?

Zum Concours d?Elégance am Sonn­tag kommen unzählige Zuschauer ins Zentrum von Bad Ragaz, um die schö­nen alten Autos zu sehen. Dieses Jahr wird die Rallye schon am Samstag im Dorfkern präsent sein, Start und Ziel der zweiten Ausfahrt liegen im Dorf­zentrum. Dort, wo am Sonntag der Concours d?Elégance stattfindet, an dem neben den Rallye-Fahrern auch Oldtimerbesitzer aus der Region mit ihren Fahrzeugen teilnehmen können.

Diese Möglichkeit ist neu.

Unser Ziel ist es, Bad Ragaz am Sonn­tag zu einem Treffpunkt für Oldtimer­fahrer und ihreAutos zu machen. Die­ses Jahr erwarten wir rund 100 Autos beim Concours d?Elégance.

Fahren Sie selbst einen Oldtimer?

Ja, einen kleinen (lacht). Ich habe einen hellblauen MGA Baujahr 1960 ? mein «blaues Wunder».

Der kommt nur bei der Heidiland Classic zum Einsatz, oder darf er auch sonst mal aus der Garage?

Wenn man sich so ein Auto kauft, hat man erst Bedenken, damit zur Arbeit zu fahren, mittlerweile nutze ich mei­nen MG aber als Alltagsauto. Bei schö­nem Wetter fahre ich mit dem MG und hole damit auch mal einen Gast vom Bahnhof ab.

Kommen die Gäste mit dem Wunsch auf Sie zu, mitfahren zu dürfen?

Ich versuche, meinen Gästen diesen Wunsch von den Augen abzulesen, noch ehe sie ihn äussern.

Sie sind ein junger Hoteldirektor, aber ein Hotelier alter Schule. Sie sind bei den Gästen, unternehmen viel mit ihnen, man hat das Gefühl, Sie haben Ihre Gäste gern. Richtig?

Selbstverständlich. Ich habe meine Gäste sehr gern und erlebe auch viel mit ihnen, wenn ich ihnen meine Hei­mat zeige. Ich will ihnen nicht nur das Hotel, sondern auch unsere Region näherbringen. Denn ein Gast braucht nicht nur das Hotel, er will auch die Destination nutzen. Diese hat so viel Schönes zu bieten ? von der Tamina-Schlucht über Gletscher und mediter­ranes Klima in Quinten bis zu Wein­bergen.

Sie sind im Schlosshotel aufgewachsen. Ist für Sie immer klar gewesen, dass Ihr Weg in die Hotellerie führen wird?

Im Primarschulalter wollte ich Archi­tekt oder Hochbauzeichner werden. In der Sekundarschule spürte ich aber, dass ich einen sehr vielseitigen Beruf möchte, in dem man mit Menschen zu tun hat. Die Überlegung war: Wenn ich es schaffe, ein Hotel zu führen, würde ich auch mit Architektur zu tun haben ? deshalb begann ich mit «Ar­chitektur auf dem Teller» und absol­vierte eine Kochlehre.

Kochen Sie heute noch?

Vor allem in den Ferien. Aber Kochen fasziniert mich noch immer.

Ferien verbringen Sie in diesem Fall lieber an einem Ort, an dem Sie selbst kochen können, nicht in einem Hotel?

Meine Frau und ich interessieren uns natürlich für andere Hotels und logie­ren auch öfters in Hotels, um diese ken­nenzulernen. Aber unsere Familienfe­rien, für die wir im Jahr zwei Wochen einplanen, verbringen wir meistens in einem Ferienhaus. Dann führen wir ein «stinknormales» Familienleben ? das ist für uns eine riesige Abwechslung.

Als Hotelier haben Sie während des Jah­res kein normales Familienleben ?

Wir sind sehr viel im Hotel, haben lan­ge Präsenzzeiten, sieben Tage die Wo­che. Worauf wir aber nicht verzichten, ist unser Mittagstisch, bei dem die Fa­milie gemeinsam isst. Es ist uns wichtig, einmal am Tag einen Moment zu haben, in dem Familiengespräche stattfinden können.

Seit Mai hat das «Schloss Ragaz» mit Thomas Ullrich einen neuen Küchenchef. Worauf dürfen sich die Gäste freuen?

In der Küche weht ein neuer Wind, wir setzen auf eine ehrliche, feine, authen­tische Küche, die ich als innovative Landküche bezeichne. Wir achten auf Saisonalitäten, es gibt einfache Gerichte, die aber sehr gut und mit Sorg­falt gekocht werden.

Das Restaurant soll auch für Nicht-Hotelgäste attraktiver werden?

Absolut. Wir wollen den Restaura­tionsumsatz ankurbeln, vor allem mit­tags. Aktuell sind wir dabei, die Karte neu zu gestalten. (Interview: fass)

 
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