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Finanzplatz und Industrie sitzen im gleichen Boot

Liechtenstein wird gerne als Finanzplatz dargestellt, der ausländische Investoren mit ungesetzlichen Mitteln betreut. Diese Vorwürfe sind zu pauschal. Liechtenstein hat in den vergangenen Jahren schnell und umfassend auf Entwicklungen reagiert und entsprechend Umwälzungen bei den Finanzmarktteilnehmern ausgelöst.
Roger Frick, Präsident der Liechtensteinischen Treuhandkammer. (Bild: Daniel Ospelt)

Weil der Finanzplatz früher zu einem wesentlich grösseren Teil von den Standortvorteilen profitierte, die heute faktisch nicht mehr existieren, ändern sich auch die Dienstleistungen. Die Folgen dieser Entwicklung werden langsam absehbar: Die Zahl der Gesellschaften und Stiftungen brach innerhalb weniger Jahre um fast die Hälfte ein. Das heisst aber auch, dass die Gesellschaftsteuern für den Staat massiv abnehmen.

Eine zentrale Stärke Liechtensteins ist die Verlässlichkeit, also die Planungs- und Rechtssicherheit für Investoren und Anleger. Sowohl die Finanzmarktteilnehmer als auch die Industrie leben von dieser Vorhersehbarkeit. Die Standortwahl dürfte verschiedene Faktoren haben, aber der Steueraufwand steht sicherlich an oberster Stelle. Die Steuerlast ist, neben guten Kommunikations- und Transportmitteln sowie qualifizierten Mitarbeitern, massgebend für die Entscheidung eines Unternehmens, sich anzusiedeln. Liechtensteins Industrie lebt vom Export. Ein Inlandmarkt mit rund 36 000 Personen wäre zum Überleben viel zu klein. Wenn Steuern für die Standortwahl bedeutend sind, dann ist entscheidend, dass diese tief und planbar sind. Dies gilt für den Finanzplatz ebenso wie für die Industrie.

Das neue Steuergesetz entfaltet für rund 90 Prozent aller Gesellschaften und Stiftungen im laufenden Jahr erstmals die volle Wirkung. Die Dienstleister hatten drei Jahre Zeit, die ausländischen Investoren auf das neue Steuergesetz aufmerksam zu machen. Im Zuge der Gesetzesnovelle wurde insbesondere betont, dass das Ergebnis mit den Wirtschaftsverbänden abgestimmt wurde und dieses den Vorgaben der EU entspricht. Eines der wichtigsten Elemente dieses Steuergesetzes ist die sogenannte Zinssatzkoppelung, womit derselbe Zinssatz sowohl für den sogenannten Eigenkapitalzinsabzug bei juristischen Personen wie auch für die Steuer auf dem Vermögen natürlicher Personen gilt. Dadurch entsteht Planungssicherheit, da der Zinssatz nicht jährlich geändert wird. Für die Wahl eines Holdingstandorts kann eine solche Stabilität vorteilhaft sein.

Die Standortwahl hängt somit von der Stabilität ab. Stabilität ist auch Reputationsgewinn und ein entscheidender Erfolgsfaktor. Dennoch will der Landtag das Steuergesetz an seiner Sitzung anfangs September im Kern überprüfen und allenfalls in zentralen Teilen, also bei der Zinssatzkoppelung, wieder ändern. Diese Botschaft ist reputationsgefährdend, verunsichert Investoren und kratzt an der Glaubwürdigkeit des Beraters. Sollte Liechtenstein nun aufzeigen, dass es fähig ist, Gesetze zu ändern, bevor diese Bestimmungen für 90 Prozent der Gesellschaften und Stiftungen für zwölf Monate ihre Wirkung zeigen, so scheint die politische Landschaft wenig vertrauensfördernd.

Die Rechnung dürfte nicht aufgehen, denn im Gegensatz zu den
Finanzplatzteilnehmern, die bis vor Kurzem von einem besonderen Standortvorteil profitierten, ist die Industrie, die ohnehin ins Ausland verkaufen muss, weniger an den Standort Liechtenstein gebunden. Sicherlich haben wir professionell ausgebildete Leute, eine bemerkenswerte Stabilität durch den Zollanschluss mit der Schweiz und freien Marktzugang durch den EWR. Aber ist dies ein Merkmal, das Liechtenstein unersetzlich macht? Ich denke nein. So lange beim Standortmarketing die tiefen Steuern der primäre Erfolgsfaktor sind, sollte man damit auch sehr behutsam umgehen.

Die Industrievertreter nennen als wichtigsten Standortvorteil Liechtensteins die «moderate Unternehmensbesteuerung». Weitere wichtige Vorteile Liechtensteins können auch andere Länder deren Eigen nennen. Die Schwächen Liechtensteins sind dagegen der mangelnde Kapitalzugang, Restriktionen beim Personenverkehr, die Hochpreissituation, die Verkehrsanbindung und die Reputation. Diese Schwächen sind Faktoren, die eher für eine Standortverlagerung der industriellen Produktion ins Ausland sprechen.
Anstatt dass die Politik dafür kämpft, die Standortvorteile für verschiedene Branchen zu verbessern, sägt sie nun an zwei Branchen gleichzeitig: Beim Finanzplatz macht sie deren Dienstleister unglaubwürdig, bei der Industrie unterstützt sie Bestrebungen, Tätigkeiten ins Ausland zu verlagern.
 

Artikel: http://www.vaterland.li/wirtschaft/meinungen/finanzplatz-und-industrie-sitzen-im-gleichen-boot-art-33171

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