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Den anderen das Gesicht wahren lassen

Der CEO von heute kann morgen schon in der Versenkung verschwunden sein, aber vielleicht übermorgen zum Verwaltungsratspräsidenten avancieren.
Gerlinde Manz-Christ, Juristin, Diplomatin, Wirtschaftsexpertin und Keynote-Speakerin. (Bild: Tres Camenzind)

Politiker werden häufig aufgrund einer unbedachten Äusserung gestürzt, machen jedoch oft schon bald mit der nächsten Spitzenposition weiter. In Wirtschaftsunternehmen und Parteien sind die Machtverhältnisse äusserst fragil, ja so wenig vorhersagbar wie das Wetter in ein paar Wochen. Karrieren verlaufen alles andere als linear und es gibt für fast jeden zumindest eine zweite Chance.

Was das für das soziale Miteinander heisst? Es ist nicht nur moralisch geboten, sondern auch klug, das Gegenüber bei jeder Auseinandersetzung sein Gesicht wahren zu lassen. Nur so lässt sich ein gutes Einvernehmen erreichen und vermeidet man es, sich Feinde zu schaffen. Letztendlich steht dahinter das Prinzip «leben und leben lassen», das wie kaum ein anderes dabei hilft, mit den Herausforderungen in der globalisierten Welt umzugehen. In dieser entstehen häufiger als früher Konflikte, weil viel mehr Interaktion stattfindet und die Beteiligten häufig aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen.

Ich selbst habe die Bedeutung des guten Einvernehmens in Japan kennen gelernt. Dort leben sehr viele Menschen auf extrem engem Raum zusammen und entsprechend vielfältig sowie zahlreich sind die Anlässe für Dispute, Missverständnisse und Machtkämpfe. Die Japaner haben schon deshalb zwangsweise lernen müssen, Meinungsverschiedenheiten ohne die Diskreditierung des anderen auszutragen und ein möglichst harmonisches Miteinander zu pflegen.


An sich selber arbeiten
Das gilt auch anderswo, doch leider ist sich dessen keineswegs jeder bewusst. Vielmehr bedenken viele die fatale Wirkung etwa von Verunglimpfung oder Blossstellung des anderen nicht. Sie richten immensen Schaden an und tun dabei auch sich selbst nichts Gutes. Hier sollte man sich stets vor Augen führen, dass die Welt doch sehr klein ist: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dem anderen ein zweites Mal zu begegnen. Um das erneute Zusammentreffen zumindest ergebnisoffen gestalten zu können, darf bei einer Konfrontation nicht zu viel Porzellan zerschlagen werden.

Wie das möglich ist, auch wenn die Emotionen überkochen? Nun, meistens können wir die Welt nicht ändern, doch was wir stets ändern können, ist unsere eigene Einstellung. Wenn wir daran arbeiten, ist eine Haltung des Respekts und der Achtsamkeit gegenüber anderen Menschen sowie der Natur gar nicht so schwierig. Diese Haltung hat Einfluss auf andere – und so verwandeln wir letztlich doch auch die Welt, zumindest in unserem persönlichen Umfeld. Ich bin der Überzeugung, dass wir mit grundsätzlichem Wohlwollen und dem erwähnten Prinzip «leben und leben lassen» in der Wirtschaft und in der Politik der Zukunft viele kleine Fortschritte erzielen können, die sich in der Folge zu einem grossen Sprung summieren.

Unternehmern und Managern, die ihre Konkurrenten als mögliche Kooperationspartner betrachten, eröffnen sich jede Menge ungeahnter Chancen. So führt eine Änderung der Perspektive zu einer völlig neuen Lage.  Wenn man den «Businesskrieg» in den Köpfen beendet, kommt es anschliessend häufig zu einer fruchtbaren Entwicklung. So prophezeien einige Experten unter dem Schlagwort ‹smart farming› bereits jetzt das Zusammenwachsen von konventioneller Landwirtschaft und Bio-Produktion zu einer ökologisch verträglichen High-Tech-Landwirtschaft. Startups machen in jüngster Zeit auch in Branchen Furore, die bisher als uneinnehmbare Bastion der Konzerne galten – zum Beispiel Tesla in der Automobilindustrie als Hersteller luxuriöser Elektrofahrzeuge. Bei diesen Veränderungen des Marktes ist im Vorteil wer offen ist, auf Scheuklappen verzichtet und es in der Vergangenheit mit Feindbildern nicht zu weit getrieben hat.

 

 
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