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beyond regulations and compliance

Mindestens drei Klippen müssen die Finanzdienstleister erfolgreich meistern, wenn sie gestärkt die Zukunft des 21. Jahrhunderts mitgestalten wollen.
Klaus Tschütscher
Klaus Tschütscher, ehemaliger Liechtensteiner Regierungschef. Heute Verwaltungsrat, unter anderem bei der Swiss Life Holding AG und der DMG Mori Europe Holding AG.

Der Kapitän eines Viermasters hatte den Auftrag, seine wertvolle Ladung durch eine wilde Meerespassage sicher in den Zielhafen zu bringen. Sein Steuermann berichtete ihm kurz vor dem Auslaufen von grossen Ängsten und Unsicherheiten in der Mannschaft. Der Kapitän trat deshalb vor die gesamte Crew. Kurz danach glitt das Handelsschiff mit mächtigem Schwung aus dem Hafen und brachte seine wertvolle Ladung zeitgerecht und unbeschadet ans Ziel. Was hatte der Kapitän seiner Crew gesagt? Auch alle Finanzdienstleister auf europäischen und globalen Finanzplätzen befinden sich in einer kritischen Passage: Sie heisst Transformation in schwierigem wirtschaftlichem Umfeld. Angestellte und Kader sind aufgrund der Turbulenzen verunsichert, Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen reiben sich an wichtigen strategischen Entscheidungen.

Mindestens drei Klippen müssen die Finanzdienstleister erfolgreich meistern, wenn sie gestärkt die Zukunft des 21. Jahrhunderts mitgestalten wollen. Die erste heisst Regulierung und positive Kommunikation, will heissen die Etablierung und Pflege eines partnerschaftlichen Dialogs mit Aufsicht und Gesetzgeber. Der nachhaltig ausgerichtete Dialog der Entscheidträger im Regulierungsprozess ist nicht notwendiges Übel, sondern vielmehr der Boden, auf dem die Zukunft eines erfolgreichen Finanzplatzes und erfolgreicher Finanzdienstleister stattfindet. Neue Vorschriften und Standards bedeuten für eine authentische strategische Führung eines Finanzdienstleisters deshalb nicht vorab nur zusätzliche Kosten und tiefere Margen. Sie bergen vielmehr das Potenzial der künftigen Wettbewerbsfähigkeit und neuer Geschäftsmodelle. Wir wissen es, Regulierung ist vor allem global getrieben. Die wichtigsten neuen Standards gelten für alle Finanzplätze gleichermassen. Der wahre Wettbewerb der Zukunft findet deshalb «beyond regulations and compliance» statt. Das ist die erste Klippe für eine authentische Führung. Die zweite heisst Identität.

Erfolgreiche Finanzdienstleister brauchen künftig eine sichtbare Identität, eine positive Einmaligkeit, ein «Gesicht». Sich mit der eigenen Identität und den eigenen Werten auseinanderzusetzen, ist mutig und anspruchsvoll. Je tiefer die Digitalisierung auch im globalen Geld- und Kapitalwesen greift, desto wichtiger wird jedoch diese Auseinandersetzung. Im Innern gelebte, nach aussen sichtbar gemachte und miteinander verknüpfte Werte sind der Schlüssel zu einem «Gesicht». Wichtige Werte auf diesem Weg sind gesellschaftliche Weitsicht, persönliche Integrität und unbedingte Verlässlichkeit. Und noch etwas gilt grundsätzlich: Eine grosse Reise bewältigt man nur, wenn das grosse Ziel der Weg ist und nicht die kurze Sicht auf die erstbeste, kleine und bequeme Etappe.

Neue Realitäten schaffen

Besonders deutlich wird dieses Gesetz bei der dritten Klippe, der Digitalisierung. Sie ist für Finanzdienstleister und deren Führung nicht in erster Linie eine technische Herausforderung. Sie ist vielmehr die Kunst des erfolgreichen Generationenwechsels von den «Analog Natives» zu den «Digital Natives». Die Kundenbedürfnisse beider Generationen sind grundverschieden. Sie gehen vom vollständigen Festhalten am Bargeldverkehr und persönlichen Betreuungskontakt bis zum bargeldlosen Zahlungsverkehr und vollautomatisierten Anlegen. Die Bedürfnisse der meisten Kunden von Finanzdienstleistern bewegen sich zwischen diesen beiden Extremen. Sie sind jedoch kein Zufall, sondern zyklisch. Im Dienstleistungsangebot eines Finanzdienstleisters müssen sich diese Bedürfnisse exakt spiegeln und auf der Grundlage einer präzisen Zyklusstrategie immer wieder angepasst werden.

Digitalisierung, Regulierung und Identität also sind drei wichtige Zukunftsweiser. Was aber hat nun der Kapitän seiner Crew vor dem Auslaufen genau gesagt? Er hat nicht neue Anweisungen erteilt. Er hat mit seiner Authentizität jeden Einzelnen seiner Crew angesprochen und dadurch alle wieder für das offene, endlose Meer und seine Möglichkeiten und Herausforderungen begeistern können. Das ist ihm gelungen, weil in ihm selber die Flamme des Mutes, der Begeisterung und der inneren Überzeugung für alle sichtbar und begreifbar wurde. Authentisch Führen heisst, neue Realitäten zu schaffen.

Artikel: http://www.vaterland.li/wirtschaft/meinungen/beyond-regulations-and-compliance-art-170467

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