Gefahr für Zusatzversicherungen
Der Online-Versicherungsdienst Comparis hat am Dienstag in Bern eine Studie zum Markt der Krankenzusatzversicherungen veröffentlicht. Demnach zahlen Schweizerinnen und Schweizer weltweit am meisten aus der eigenen Tasche an Gesundheitskosten.
Der Betrag entspreche fast jenem für die Grundversicherungsprämien: Ein Drittel der Arztkosten sei privat finanziert. Die Krankenversicherer weisen zudem bei den Zusatzversicherungen, wo ein Wechsel für die Kunden ab 50 praktisch unmöglich ist, niedrige Schadenquoten und entsprechend hohe Umsatzrenditen aus.
Konkret zeigt die Studie des Gesundheitsökonomen Pius Gyger im Auftrag von Comparis folgende Rechnung: Von den total 80 Milliarden Franken Gesundheitsausgaben zahlten die Schweizer 2016 direkt aus dem eigenen Portemonnaie 24 Milliarden Franken. Davon entfielen 5,4 Milliarden Franken auf für die Versicherer hochprofitable Zusatzversicherungsleistungen.
Im Alter über 50 kein Wechsel mehr
Besonders profitiert haben die Versicherer im stationären Bereich. Weil die Grundversicherung stetig ausgebaut, das Zusatzversicherungsangebot kaum den sich verändernden Kundenbedürfnissen angepasst wird und Kunden ab 50 nicht mehr wechseln, sondern nur noch ausstiegen können, ist der Kundenbestand trotz hoher Prämien in den letzten Jahren konstant geblieben.
Mit einem Anteil von rund 5,4 Milliarden Franken machten die Zusatzversicherungen 2016 rund 20 Prozent der privat finanzierten Gesundheitskosten aus. Dabei waren die Produkte für die Versicherungen deutlich lukrativer als für deren Kunden.
Zwischen 2008 und 2016 seien die Prämieneinnahmen um 865 Millionen Franken auf 6,6 Milliarden Franken angewachsen. Die Schadenzahlungen hätten demgegenüber nur um 353 Millionen Franken auf 4,7 Milliarden Franken zugenommen. Das ergebe für die Branche ein sattes Plus von 512 Millionen Franken.
Die Zahl von klassischen Halbprivat- und Privatversicherten sei trotz der hohen Profitabilität für die Versicherten in den letzten Jahren konstant geblieben. Nach Ansicht von Studienautor Gyger gehen die Bedürfnisse der Bevölkerung weit über die von der Grundversicherung gedeckten Leistungen hinaus. Die Zahlungsbereitschaft für Gesundheitsleistungen über das zwangsfinanzierte Angebot hinaus sei in der Schweiz immer noch hoch.
Innovative Angebote gefragt
Nach Einschätzung des Comparis-Krankenkassenexperten Felix Schneuwly sind aber dringend Innovationen bei den Versicherern gefordert, sonst würden sich die rosigen Zeiten rasch dem Ende zuneigen. "Die Prämieneinnahmen aus stationären Zusatzversicherungen werden heute zu einem erheblichen Teil für die Finanzierung eigentlicher Pflichtleistungen der Grundversicherung und für staatlich finanzierungspflichtige Aufgaben wie Lehre und Forschung verwendet", wird Schneuwly in einer Mitteilung zitiert. Die Finanzmarktaufsicht wolle dies nun unterbinden.
Durch die Ambulantisierung der Akutmedizin gerieten zudem die klassischen Spitalzusatzversicherungen unter Druck. Denn mit günstigeren Flex-Versicherungen entschieden die Versicherten von Fall zu Fall für oder gegen ein Upgrade in die halbprivate oder private Abteilung und sparten so über die Jahre mehrere zehntausend Franken.
Schneuwly vermisst auch dynamische Krankenversicherer, die zusammen mit innovativen medizinischen Leistungserbringern mit attraktiven Zusatzversicherungsprodukten frühzeitig auf die Verlagerung reagiert hätten. Wer beispielsweise für eine ambulante Operation den Komfort einer Halbprivat- oder Privatversicherung wolle, finde kaum entsprechende Zusatzversicherungen.
Zusätzliches Potenzial sieht Schneuwly beim Thema Pflegeversicherungsprodukte, die heute in der Schweiz ein absolutes Nischendasein fristeten. Die Produkte seien teuer und wenig auf die Bedürfnisse der Versicherten zugeschnitten. Dabei gebe es gerade in diesem Bereich grosses Potenzial für hochrentable, innovative Produkte. (sda)
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