Konzert «Kirche trifft Synagoge»
Künstlerische Brücke zwischen Judentum und Christentum
Herr Kalinowsky, Sie sind Fachmann für Synagogenmusik. Kurz gesagt, was bedeutet das?
Semjon Kalinowsky: Seit nun mehr als 15 Jahren bildet die Musik von jüdischen Komponistinnen und Komponisten einen Schwerpunkt meiner Forschungs- und künstlerischen Tätigkeit. Neben einer regen Konzerttätigkeit versuche ich durch Recherchen, Publikationen, Bearbeitungen, CD-Aufnahmen und Notenausgaben die Aufmerksamkeit der breiten Musiköffentlichkeit für die Musik und die Schicksale der jüdischer Komponisten zu gewinnen.
Was waren bisher Ihre grössten Erfolge in der Forschung?
Als Ergebnisse intensiver Forschungsarbeit in amerikanischen und israelischen Bibliotheken und Archiven ist es mir gelungen, Musik wenig bekannter Komponistinnen und Komponisten wie Jaromir Weinberger, Sarah Feigin, Leo Zeitlin, Vally Weigel, Yoachim Stutschewsky, Joseph Sulzer, Alexander Tansman, Herman Berlinski und Lena Stein-Sneider wiederzubeleben, die Kompositionen zu bearbeiten unddann in Form von CD-Aufnahmen sowie Notenausgaben zu dokumentieren.
Sie haben zahlreiche in Vergessenheit geratene Werke für Viola herausgegeben. Um welche Literatur handelt es sich?
Das Projekt «Das Lied der Mirjam», das jüdischen komponierenden Frauen gewidmet ist, war das erste in der Trilogie, die später durch das Projekt «Jewish Prayer» und «Prayer of Remembrance» erfolgreich fortgesetzt wurde. Im Fokus dieses Projektes stehen jüdische Liturgie und die Musik der Synagoge. In der Zusammenarbeit mit den Musikverlagen Furore (Kassel), Strube (München) und Bärenreiter (Kassel) ist es mir bei diesen drei Projekten gelungen, die CD-Aufnahme durch ein korrespondierendes Notenheft zu komplementieren. Es erfüllt mich mit einem Gefühl der Genugtuung, dass sowohl die zweibändige Ausgabe «Miriam's Song» (Furore) für Viola und Klavier als auch «Jewish Prayer» (Bärenreiter) für Viola/Violoncello sowie «Prayer of Remembrance» für Orgel solo (Strube-Verlag, München) von der Musikwelt sehr positiv angenommen wurde.
Am Samstag spielen Sie ein Programm mit dem Titel «Kirche trifft Synagoge». Wo sind die musikalischen Schnittpunkte zwischen den beiden Religionen?
1986 erklärte Papst Johannes Paul II. in der Synagoge von Rom sehr suggestiv das Verhältnis zwischen beiden Religionen: «Ihr seid unsere bevorzugten Brüder und, so könnte man gewissermassen sagen, unsere älteren Brüder.»
Und auf der musikalischen Ebene?
Auf der musikalischen Ebene in der Liturgie beider Konfessionen bildet die wichtigste Schnittstelle der Einsatz der Orgel. Die «Königin aller Instrumente» fand allerdings recht spät, das heisst erst im Laufe des 19. Jahrhunderts, Eingang in die synagogale Liturgie. Schon um 1900 gab es in fast allen deutschen Grossstädten wie zum Beispiel in Augsburg, Berlin, Darmstadt, Dresden, Essen, Frankfurt am Main, Leipzig, Mainz, München, Wiesbaden und Worms Synagogenorgeln. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden die bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen etwa 200 Synagogenorgeln durch die Nationalsozialisten nahezu vollständig vernichtet.
Was erwartet die Besucher am kommenden Samstag?
Im Zentrum des Programms «Shalom – Kirche trifft Synagoge» stehen Ähnlichkeiten und Unterschiede der geistlichen Musik des liberalen Judentums und des Christentums. Das Projekt versucht, eine künstlerische Brücke zwischen beiden Religionen aufzuzeigen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Mischung zwischen der Moderne und der Tradition. Paraphrasierend könnte man sagen, dass im Bereich der liturgischen Orgelmusik diesmal – umgekehrt – «die Christen die älteren Brüder seien».
Konzert «Shalom – Kirche trifft Synagoge»
Sa, 14. Mai, Konzert mit Semjon Kalinowsky (Viola) und Konrad Kata (Orgel) 20 Uhr. Einführung durch Rabbiner Kevin de Carli. 19.30 Uhr. Pfarrkirche Vaduz.
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