HDP-Chef Demirtas muss in U-Haft bleiben
Dem charismatischen Vorsitzenden der oppositionellen Demokratischen Partei der Völker (HDP) wird "Propaganda" und "Mitgliedschaft" in der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen.
Demirtas war bei dem Prozess im Gefängnis von Sincan bei Ankara nicht persönlich anwesend. Seine prokurdische Partei wirft der Regierung vor, die Justiz angewiesen zu haben, einen Auftritt ihres Vorsitzenden vor Gericht zu verhindern.
Demirtas machte am Donnerstag deutlich, dass er sich nicht beugen möchte. Er verweigerte es, sich von der Untersuchungshaft im westtürkischen Edirne per Video zu der Verhandlung in Ankara zuschalten zu lassen, wie HDP-Sprecher Ayhan Bilgen sagte.
Nicht persönlich vor Gericht
Der charismatische Parteichef forderte stattdessen erfolglos, persönlich vor Gericht erscheinen zu dürfen - und zwar ohne Fesseln. In einem anderen Verfahren, in dem ihm "Beleidigung des Türkentums" vorgeworfen wird, hatte Demirtas die Teilnahme verweigert, weil er in Handschellen vor den Richter hätte treten sollen.
Bei der Anhörung wiesen seine Anwälte die Vorwürfe zurück und erklärten, diese bezögen sich auf legitime politische Aktivitäten. Sie forderten die Einstellung des Verfahrens und die Freilassung ihres Mandanten. Die Staatsanwaltschaft verlangte dagegen dessen Verbleib in Haft. Der HDP-Vorsitzende befindet sich seit bald 400 Tagen in Untersuchungshaft.
Vor dem Gerichtssaal in Sincan protestierten hunderte HDP-Anhänger gegen das Verfahren. Sie riefen Slogans, stimmten kurdische Lieder an, tanzten im Kreis und zündeten ein Feuer an, um sich zu wärmen. "Wir hoffen, dass Demirtas freikommt. Er ist der einzige, der diesen Krieg beenden kann", sagte eine Unterstützerin, die extra aus Istanbul angereist war.
Demirtas war am 4. November 2016 zusammen mit seiner Co-Vorsitzenden Figen Yüksekdag und zehn weiteren HDP-Abgeordneten festgenommen worden. Die Regierung sieht die HDP als politischen Arm der Rebellengruppe, die seit Jahrzehnten gegen den türkischen Staat kämpft. Die HDP betont dagegen, sie setze sich für eine friedliche Lösung des Konflikts ein.
Ihrer Ansicht nach soll ihr Chef mit der Anklage zum Schweigen gebracht werden. Demirtas gilt als einer der wenigen Redner, der es mit Präsident Recep Tayyip Erdogan aufnehmen kann. Bei der Parlamentswahl im Juni 2015 hatte der 44-Jährige mit seiner Partei 13 Prozent erreicht und Erdogans AKP damit um die absolute Mehrheit gebracht.
Erdogan liess die Wahl wiederholen - und ging die HDP danach frontal an. Auf sein Betreiben wurde im Juni 2016 die Immunität von zahlreichen Abgeordneten aufgehoben, am stärksten betroffen: die HDP.
Internationale Kritik
International stösst die anhaltende Inhaftierung von Demirtas auf scharfe Kritik. Hugh Williamson von Human Rights Watch erklärte, die Anklage beruhe vorwiegend auf politischen Reden und enthalte keine Beweise für eine Straftat. Das Verfahren sei allem Anschein nach ein "politisch motivierter Versuch der Regierung, die parlamentarische Opposition zu schwächen".
Deutsche Bundestagsabgeordnete von SPD, Linkspartei und Grünen kritisierten das Verfahren. Ein "offensichtlich politisch motivierter Prozess" sei "kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung", erklärten Thomas Oppermann (SPD), Anton Hofreiter (Grüne) und Sahra Wagenknecht (Linke) in einer gemeinsamen Erklärung.
"Mit diesem Prozess erlöscht die Hoffnung, dass Pluralismus und Demokratie derzeit in der Türkei nochmal eine Chance erhalten", erklärte der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir. (sda/afp/dpa)
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