Kriegsverbrecher nimmt Gift und stirbt
Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic bestätigte den Tod von Praljak und kritisierte den Schuldspruch scharf. Er sprach der Familie Praljaks am Mittwoch sein Mitgefühl aus und kündigte mögliche rechtliche Schritte seines Landes gegen Teile des Urteils an.
Das UNO-Kriegsverbrechertribunal hatte zuvor die im Mai 2013 verhängte Haftstrafe von 20 Jahren gegen den bosnischen Kroaten bestätigt. Praljak hatte nach seiner Verurteilung gerufen: "Slobodan Praljak ist kein Kriegsverbrecher. Ich weise Ihr Urteil zurück."
Dann hatte er im Gerichtssaal aus einer kleinen Flasche oder einem Glas getrunken, in dem sich nach seinen Worten Gift befand. Richter und Anwälte reagierten bestürzt.
Was der Mann genau eingenommen hatte und wie das Fläschchen mit der Flüssigkeit in den Gerichtssaal kommen konnte, war zunächst unklar. Richter Carmel Agius sagte, die niederländischen Behörden hätten Ermittlungen zu dem Vorfall aufgenommen.
Während des Bosnienkrieges (1992-1995) war Praljak Militärchef der bosnischen Kroaten. Er war unter anderem angeklagt, im November 1993 die Zerstörung der Brücke von Mostar aus dem 16. Jahrhundert angeordnet zu haben. Dadurch sei der muslimischen Zivilbevölkerung "unverhältnismässig grosser Schaden" entstanden, hatten die Richter im ersten Prozess erklärt, der 2006 begann.
Strafen gegen fünf weitere bestätigt
In dem Berufungsverfahren am Mittwoch vor dem UNO-Tribunal erfolgte die Urteilsverkündung gegen fünf weitere ehemalige politische und militärische Führer der bosnischen Kroaten während des Bosnienkriegs. Es handelte sich um den ehemaligen "Regierungschef" der selbstproklamierten bosnisch-kroatischen Republik Herceg-Bosna, Jadranko Prlic, den ehemaligen Verteidigungsminister Bruno Stojic sowie drei Militärs.
Gegen den 58-jährigen Hauptangeklagten Prlic wurde die 25-jährige Haftstrafe aufrecht erhalten. Nach dem Vorfall mit Praljak wurde die Sitzung des Tribunals bis zum frühen Nachmittag unterbrochen und in einen kleineren Saal verlegt. Der Richter sagte, der andere Sitzungssaal sei nun ein Tatort.
Am Nachmittag wurden dann die weiteren Urteile bekannt gegeben: Stojic wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt, und auch die anderen Strafen der ersten Instanz wurden bestätigt. Das Gericht bestätigte auch die Mitschuld des damaligen Präsidenten Kroatiens, Franjo Tudjman, an Kriegsverbrechen.
Bosnische Muslime vertrieben
Die sechs Angeklagten waren 2013 unter anderem für schuldig befunden worden, an der Vertreibung bosnischer Muslime beteiligt gewesen zu sein, um ein kroatisches Territorium zu gründen.
Die damalige kroatische Führung unter Tudjman hatte die bosnischen Kroaten in ihrem Kampf für eine Anbindung der überwiegend von Kroaten bewohnten Gebiete Bosniens an Kroatien unterstützt. Die einseitig ausgerufene Republik Herceg-Bosna wurde international nicht anerkannt.
Im Bosnien-Krieg standen sich überwiegend bosnische Muslime und bosnische Serben gegenüber. Allerdings gab es zeitweise auch heftige Kämpfe zwischen bosnischen Muslimen und bosnischen Kroaten. Mostar war der Schauplatz der schwersten Gefechte, in deren Verlauf fast vier Fünftel des Ostens der Stadt zerstört wurden. Tausende von Muslimen waren im Bosnien-Krieg Opfer von Mord, Vergewaltigung, Vertreibung und Terror geworden.
Niemand mehr auf Fahndungsliste
Das Urteil vom Mittwoch war das letzte des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, der nach 24 Jahren zum Jahresende seine Arbeit abschliesst. Das UNO-Tribunal in Den Haag war das erste internationale Gericht für Urteile wegen Kriegsverbrechen in Europa nach 1945.
Ex-Serbenführer Radovan Karadzic wurde 2008 an Den Haag ausgeliefert. 2016 wurde er unter anderem für den Völkermord von Srebrenica zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Der militärische Chef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, war 2011 gefasst worden. Gegen den Ex-General verhängten die Richter erst in der vergangenen Woche eine lebenslange Haftstrafe.
Heute steht niemand mehr auf der Fahndungsliste des UNO-Gerichts. Zu den 84 Verurteilten gehören die militärisch und politisch Verantwortlichen der schlimmsten Verbrechen. (sda/afp/dpa/reu)
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