Peter Heine: «Ich gehe nicht jeden Tag wedeln»
Peter Heine ist Geschäftsführer des Sporthotels Steffisalp in Warth am Arlberg. Obwohl im Zentrum des Wintersports, kommt er nicht oft zum Ski-fahren. Denn Hotelgäste verlangen von einem Hoteldirektor vor allem eines: Präsenz. «Jeder vierte Gast ist Schweizer oder Liechtensteiner», sagt Hotelier Peter Heine.
Herr Heine, Warth gilt als Schneeloch. In diesem Jahr aber wohl eher nicht.
Peter Heine: Das ist mein dritter Winter im Ort. Im Vorjahr war er extrem schneereich. Vor zwei Jahren musste die Zufahrt mehrmals wegen Lawinengefahr gesperrt werden. Zu viel Schnee ist also auch nicht gut.
Aber so wenig?
Da kommen uns die mehr als 1500 Meter Meereshöhe zugute. Es liegt so viel Schnee, dass man auf den Pisten sehr gut Skifahren kann. Das gilt allerdings nicht für Fahrten im Gelände. Wir arbeiten derzeit mit bis zu 30 Prozent Kunstschnee. In anderen Jahren bestehen die Pisten zu 98 Prozent aus Naturschnee. Es fehlt etwa ein Meter Naturschnee. Ohne die Technik mit Schneekanonen und ausgefeilten Pistengeräten zur Präparation würde es nicht so gut aussehen.
Warth ist stark vom Wintertourismus abhängig. Wie geht es den Hotels jetzt?
Bei den Buchungsgästen merken wir nichts, denn so etwas wird lange im Vorfeld geplant. Wetter und Schneelage spielen für den buchenden Hotelgast keine Rolle. Wir haben auch keine vorzeitigen Abreisen. Bemerkbar macht sich die relativ geringe Schneelage bei den Tagesgästen, die dann vermehrt ausbleiben. Es soll ja aber wieder mehr Schnee kommen.
Woran merkt man das Ausbleiben der Tagesgäste?
An Tagen mit bestem Wetter und Top-Schneelage verkaufen wir im Hotel bis zu 1000 Mittagessen. Bei schlechtem Wetter geht das schon mal runter auf 200 Mittagessen. Da sind dann nur Hotelgäste und Skikurse vor Ort. Aber wir machen uns keine Sorgen, dass sich das längerfristig auch auf die Buchungszahlen der Hotelgäste niederschlägt. Da müssten schon mehrere Winter hintereinander mit grünen Pisten und miserablem Wetter vorkommen. Zudem hat der Hotelgast kein Problem damit, wenn es im Urlaub ein oder zwei Tage kein so gutes Wetter hat.
Warum das?
Weil der Freizeitstress wegfällt. Bei Sonnenschein und Pulverschnee haben viele das Gefühl, sie müssen um halb neun Uhr bei der Bergbahn stehen, um den Tag auszunutzen. Wenn es schneit und der Wind bläst, dann nimmt man sich mehr Zeit für das Frühstück.
Welche Möglichkeiten hat ein Hotel, die Gäste bei Laune zu halten, wenn Wetter und Schnee nicht mitspielen?
Vor allem: Eine gute Gastronomie, auch für Kinder. Einen tollen Wellness-Bereich sowie ein kostenloses Schlechtwetterprogramm. Man kann nicht den Gast noch dafür zahlen lassen, wenn das Wetter schlecht ist.
Vor Kurzem wurde bekannt, dass Schweizer und Liechtensteiner Gäste den Arlberg, konkret Lech und Zürs, als Skidestination nicht wirklich schätzen.
Die Schweiz hat mit Zermatt, Davos, St. Moritz und Co. eine Reihe von sehr exklusiven Wintersportorten. Das ist natürlich eine ernst zu nehmende Konkurrenz für Lech und Zürs. Ich habe jedoch das Gefühl, dass sich mehrere Hotelbetriebe stark um Schweizer und Liechtensteiner Gäste bemühen.
Gilt die Konkurrenz auch für Warth?
Definitiv nicht. Warth kommt im Winter auf einen Anteil von Schweizer und Liechtensteiner Gästen von etwa 25 Prozent. In unserem Hotel ist es manchmal bis zu einem Drittel. Der Schweizer und Liechtensteiner Gast legt Wert auf Tradition und Kontinuität und fährt nicht so gerne weite Strecken mit dem Auto wie beispielsweise die Deutschen. Vier Stunden sind das Maximum. Da passt das Angebot des Bregenzerwaldes, der vielen Schweizern ein Begriff ist, sehr gut hinein. Das Ausbleiben dieser Gäste wäre für Warth sehr negativ spürbar.
Sie haben mehrere Stationen in der Hotellerie hinter sich, darunter Häuser in München, Davos, Zürich, Augsburg, Prag und das Hotel Martinspark in Dornbirn sowie Ihr Kurzzeit-Engagement im Seehotel am Kaiserstrand. Wo war es denn am schönsten?
Alles hat zu seiner Zeit seinen Reiz. Ich bin eigentlich ein Stadtmensch und hätte mir vor drei Jahren nicht vorstellen können, in Warth zu arbeiten. Warth hat mich eines Besseren belehrt. Das Sporthotel Steffisalp wird aber aller Voraussicht nach nicht meine letzte berufliche Station sein.
Sie wohnen in Lustenau und fahren ins Bergdorf Warth zum Arbeiten. Ist das kein Kulturschock?
Nein. Denn die Fahrt mehrmals pro Woche ist gut zum Entspannen und Abschalten von stressigen Tagen oder zur inneren Vorbereitung auf wichtige Termine. Gerade im Winter, wenn das Rheintal im Nebel liegt und in Warth der Himmel strahlt, fängt man dann mit einem guten Gefühl dort oben an zu arbeiten. Die eine Stunde Fahrzeit ist im Vergleich zum Zeitaufwand in Grossstädten, um dort ins Büro zu kommen, absolut in Ordnung.
Was unterscheidet ein Hotel in Arlberg von einem in Dornbirn?
Die Ausstattung, die Infrastruktur und die Gäste. Ein Ferienhotel hat längere Aufenthalte seiner Gäste. Es muss als Wintersporthotel mehr Platz und grössere Zimmer bieten, damit man die Ausrüstung verstauen kann. Es müssen Freizeit- und Kinderprogramme vorhanden sein, nicht nur bei Schlechtwetter. In einem Stadthotel, wo bis zu 70 Prozent Geschäftsreisende sind, ist das kein Thema.
Was gibt es für einen Unterschied bei den Gästen?
In Ferienhotels sind die Gäste entspannt, sie sind im Urlaub. Es ist nicht so anonym wie in Stadthotels. Aufgrund der längeren Aufenthaltsdauer entsteht vermehrt Kontakt mit den Mitarbeitern, viele sind miteinander per Du. Natürlich regen sich auch Urlaubsgäste auf, wenn etwas nicht passt. Aber beim Geschäftsreisenden, der nach acht Stunden Sitzung keinen Parkplatz in der Tiefgarage findet und um neun Uhr abends noch zehn Minuten beim Check-in warten muss, ist nicht so viel Entspannung angesagt.
Was ist die zentrale Aufgabe eines Hoteldirektors?
Ganz ehrlich? Die Mitarbeiter so zu motivieren, dass sie ihren Job optimal machen. Etwa die Hälfte meiner Arbeitszeit entfällt darauf. Bei 72 Beschäftigten in der Wintersaison gibt es jeden Tag etwas zu besprechen. Dann muss ein Hoteldirektor natürlich auch auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens achten und die Qualitätssicherung im Auge behalten. Und schliesslich muss er Präsenz zeigen.
Bei wem?
Etwa 80 Prozent der Hotelgäste wollen den Direktor einmal am Tag sehen. Der eine Gast will erzählen, was er erlebt hat, und der andere ein Problem oder eine Beschwerde loswerden. Dieses Kommunikationsbedürfnis ist nicht zu unterschätzen. Man ist im Urlaub und hat Zeit. Viele reden über andere Urlaubsorte. Männer reden ausserdem gerne über Autos oder die neueste Sportausrüstung.
Welchen Fehler darf ein Hoteldirektor niemals machen?
Sich zu sehr in persönliche Gespräche reinziehen zu lassen. Da wird es schwierig und da kann man sich nur die Finger verbrennen, wie es mir auch schon passiert ist. Oder aber einen Gast zu kritisieren oder zu ignorieren. Ebenso schlimm ist es, mit Gästen schlecht über andere Gäste zu reden.
Wo ist für Sie beim Verhalten von Gästen eine Grenze überschritten?
Wenn sie alkoholisiert andere Gäste beleidigen oder rassistische Äusserungen gegenüber Gästen oder Mitarbeitern tätigen. Und auch eine gewisse Kleiderordnung muss eingehalten werden. Manche kommen verschwitzt in der kurzen Trainingshose und barfuss vom Fitnesscenter in den Frühstücksraum. Es ist ein No-go, wenn sich Gäste von Gästen belästigt fühlen.
Sind Sie denn mit der bisherigen Wintersaison zufrieden?
Sehr. Wir liegen bei einer Auslastung von über 90 Prozent. Bei einem Ferienhotel beginnt das Geldverdienen ab einer Auslastung von 70 Prozent.
In diesem Jahr ist die lange diskutierte Verbindungsbahn zwischen Lech und Warth in Betrieb gegangen. Wer hat hier wen stärker gebraucht?
Beide haben etwas davon. Meiner Meinung nach aber profitiert Warth derzeit stärker. Es gab einen Investitionsstau bei Hotels und Infrastruktur und die Jugend ist vermehrt abgewandert. Erste Änderungen zeigen sich schon jetzt bei den Investitionen. Mehrere Hotels haben Ausbauten angekündigt. Auch wir werden bis 2016 in die Aufstockung unserer Zimmer, in den Wellness-Bereich sowie in die Infrastruktur investieren. Es herrscht Aufbruchstimmung im Dorf.
Nur wegen diesem einen Lift?
Warth-Schröcken gehört jetzt zur Weltmarke Ski-Arlberg und wird in einem Atemzug mit Lech und Zürs genannt. Das ist ein unglaublicher Werbeeffekt. Wir sind Teil des grössten Skigebiets in Vorarlberg und Teil eines der grössten Gebiete in Österreich. Aber wir bleiben ein Walser Bergdorf. Hotelburgen wird es bei uns nicht geben.
Gehen Sie selbst auch Skifahren?
Leider viel zu selten, vielleicht fünf Mal pro Saison. Das ist wie der Hoteldirektor auf den Malediven, der fast nie ins Meer baden geht. Unser Hotel erzielt 80 Prozent des Umsatzes in der Wintersaison. Da kann ich nicht von den Mitarbeitern Höchstleistungen verlangen und selber jeden Tag locker über die Pisten wedeln. (Interview: gübi)
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