Gerhard Hamel: «Ich liebe Sonne und Wasser»
Gerhard Hamel ist Vorstandsvorsitzender der Volksbank
Vorarlberg. Der begeisterte Skifahrer und Mitsegler wurde aus Zufall Banker. Auf die Uhr schaut er bei der Arbeit nicht, hält aber auch nichts von 60-Stunden-Wochen. «Wir Banker leben vom Vertrauen», sagt Hamel.
Herr Hamel, derzeit kursieren in Österreich viele Witze über Banker. Kennen Sie einen guten?
Gerhard Hamel: Oje. Ehrlich gesagt, auf die Schnelle nicht. Ich bin kein Witze-Erzähler. Ich lache zwar gerne über Witze, merke sie mir aber nie über längere Zeit. Als Zahlenmensch merke ich mir eher Zahlen und Fakten.
Wie oft werden Sie angesichts der Diskussionen über milliardenschwere Bankenstützungen dumm angeredet?
Das ist bei Kundengesprächen immer wieder ein Thema. Ich würde fast sagen, ein Dauerthema. Da geht es um die Banken generell, aber auch um unser Spitzeninstitut ÖVAG. Und das wird für längere Zeit auch noch so bleiben. Aber wirklich dumm angeredet wurde ich noch nie. Im Gegenteil: Oft ergeben sich bei dieser Gelegenheit auch sehr konstruktive Gespräche.
Ist die Kritik, die an der Unterstützung mancher Banken laut wird, gerechtfertigt?
Bis zu einem gewissen Grad mit Sicherheit. Da geht es ja um Steuergelder. Deshalb ist es dem österreichischen Volksbanken-Sektor auch so wichtig, dass wir den Schaden für die Steuerzahler so gering wie möglich halten. Wir gehen sehr bewusst mit diesen Geldern um. Es ist unser Ziel, den Staat bis zum Jahr 2017 völlig abzuschichten, die Gelder also zur Gänze zurückzuzahlen. Wir haben das schriftlich in unserer Restrukturierungsvereinbarung aller Volksbanken festgehalten.
Man hört den Vorwurf, dass Banken und deren Aktionäre die Gewinne für sich behalten und die Verluste dem Steuerzahler umhängen. Ist an dieser zugegeben verkürzten Darstellung etwas dran?
Teilweise. Ich denke, man muss hier genau zwischen regional tätigen Banken und internationalen Investmentbanken unterscheiden. Bei uns bleibt ein Grossteil des Gewinns in der Bank und wird reinvestiert. Es musste bislang ja auch keine klassische Regionalbank vom Steuerzahler aufgefangen werden. Sollte ein regionales Institut in Schieflage geraten, dann hilft der jeweilige Sektor. Bei den grossen Investmentbanken dagegen musste der Staat und damit der Steuerzahler einspringen.
Jetzt gehört auch die genannte ÖVAG, das Spitzeninstitut des österreichischen Volksbanken-Sektors, zu jenen Banken, die milliardenschwer gestützt werden müssen. Hätte es nicht auch einen anderen Weg gegeben? Dieses ewige «systemrelevant»-Argument macht den Banker-Job ja risikolos.
Die Alternative wäre eine Insolvenz. Man muss sich, wie derzeit am Beispiel der Hypo Alpe Adria, dann halt überlegen, womit der Schaden grösser ist: mit einer Insolvenz oder mit zeitweiser Stützung der Bank. Derzeit müssen wir davon ausgehen, dass eine Insolvenz der grössere Schaden gewesen wäre. Wobei man schon sagen muss, dass eine gut durchgeführte Insolvenz ja auch nicht den Totalverlust für Gläubiger und Anleger bedeuten muss. Oft gesunden Firmen oder Banken danach und können einen Teil der geschuldeten Gelder wieder zurückzahlen. Aber es muss professionell abgewickelt werden. Ein ewiges Hin und Her darf es nicht geben.
Haben Investoren verlernt, dass hohe Renditen auch hohes Risiko bedeuten und man nicht ständig nach dem Staat rufen kann, wenn der Verlust des Geldes droht?
Da muss man sich ansehen, ob die Anleger beziehungsweise die Investoren richtig beraten und mit den passenden Produkten versorgt wurden. Ein risikoarmes Produkt etwa muss über jeden Zweifel erhaben sein. Wer aber bewusst ins Risiko geht und zweistellige Renditen erwartet, der muss auch ein hohes Mass an Eigenverantwortung für sein Tun wahrnehmen. Diese ist bei vielen Anlegern noch ausbaufähig. Denn wenn das Investment in die Hose geht, dann wird die Bank beschuldigt und der Steuerzahler soll helfen. So kann es ja auch nicht sein.
Ihre Bank trägt fast den gleichen Namen. Unterscheiden Kunden in Vorarlberg zwischen der ÖVAG und der Volksbank Vorarlberg?
Sowohl professionelle Kunden wie etwa Firmen als auch unsere Kunden am Schalter unterscheiden sehr genau zwischen einer ÖVAG in Wien und einer Volksbank Vorarlberg. Uns gibt es seit 1888. Das sind gewachsene Strukturen mit sehr viel Vertrauen, das uns entgegengebracht wird. Die Menschen kennen unsere traditionellen Werte wie Bodenständigkeit, Sicherheit und Verlässlichkeit. Wir sind ein Partner vieler regionaler KMU-Betriebe.
Sie haben keinen Abfluss von Geldern im Zuge dieser Diskussion?
Natürlich verteilen manche Grossanleger ihr Risiko jetzt verstärkt auf mehrere Banken. Aber das würde ich auch tun. Ich setze ja auch nicht alles auf ein Pferd. Trotzdem haben wir insgesamt keinen Abfluss von Geldern. Im Gegenteil.
Besteht die Möglichkeit, dass die Volksbank Vorarlberg etwa durch noch unbekannte Leichen im ÖVAG-Keller selbst in finanzielle Turbulenzen gerät?
Ich rechne nicht mit weiteren Überraschungen, aber ich kann das als Vorstandsvorsitzender der Volksbank Vorarlberg auch nicht gänzlich ausschliessen. Wir haben im Volksbanken-Sektor unseren Haftungsverbund, der alle Volksbanken und die ÖVAG zur gegenseitigen Hilfestellung verpflichtet. Hierbei haften wir bis hinunter zur gesetzlich vorgegebenen regulatorischen Eigenkapitalquote von acht Prozent. Darunter darf die Haftung nicht gehen. Das wäre dann zwar keine einfache Situation für die Volksbank Vorarlberg, aber wir würden mit Sicherheit weiterleben.
Ist Gerhard Hamel trotz dieser Umstände nach wie vor ein begeisterter Banker?
Absolut. Natürlich trägt man in meiner Position eine gehörige Portion Verantwortung. Und manchmal denke ich mir beim Beobachten von anderen Menschen, zum Beispiel dem Wirt einer Berghütte beim Bier-Ausschenken, dass es manche vermeintlich leichter haben. Aber auch die haben ihre Sorgen, gleich wie ich. Und dann bin ich doch wieder sehr glücklich mit dem, was ich mache. Denn in dieser Position kann man wirklich gestalten, man kann Dinge bewegen und verändern.
Was macht den Reiz dieses Berufes aus?
Der ständige Kontakt mit Menschen. Das ist eine zwischenmenschliche Sache, denn wir Banker leben vom Vertrauen. Sonst würden wir kein Geld verleihen und man würde uns keines anvertrauen. Es ist der Reiz, immer eine qualitativ hochwertige Dienstleistung erbringen zu dürfen. Da geht es aber nicht nur um Kunden, sondern auch um Mitarbeiter. Denn ohne gute Mitarbeiter geht gar nichts. Da kann ein Vorstandsvorsitzender machen, was er will.
Was hat Sie in die Bankenwelt verschlagen?
Das war eher ein Zufall. Nach der Matura hat mich 1987 ein Banker, ein Bekannter der Familie, angerufen und gefragt, ob ich in der Volksbank anfangen will. Mein erster Gedanke war: Nein, nicht in einer Bank. Das ist doch langweilig. Ich bin dann doch hingegangen und es hat mir vom ersten Tag an sehr gut gefallen. Ich hatte hervorragende Vorgesetzte. Sie haben mich gefordert, aber auch gefördert. Nach sechs Jahren war ich Leiter der Wertpapier-Abteilung.
Das ist eine steile Karriere-Leiter.
Wenn man so will, ja. Das war für mich in dem Alter natürlich eine grosse Chance, aber auch eine grosse Verantwortung. 1998 wurde ich Geschäftsleiter der Volksbank-Dependance in Liechtenstein. Anfang 2010 wechselte ich zurück nach Vorarlberg und wurde Vorstandsmitglied der Volksbank Vorarlberg und Anfang 2012 Vorstandsvorsitzender. Als mir das angeboten wurde, habe ich gleich zugesagt.
Wie viele Stunden hat Ihre Arbeitswoche?
Ganz ehrlich: Ich schaue nicht ständig auf die Uhr. Und ich halte auch nicht viel von Leuten, die immer damit prahlen, dass sie eine 60-Stunden-Woche haben. Denn die sagen dann auch nicht dazu, wie viele Stunden davon sie in irgendwelchen Sitzungen gesessen sind, wo es um alles Mögliche gehen kann, das einen nicht direkt betrifft. Ich arbeite, solange ich die Energie dafür habe, es mir Spass macht und ich fit bin. Dabei erledige ich meine Aufgaben bestmöglich. Aber ich möchte auch eine ausgeglichene Work-Life-Balance.
Haben Sie eine?
Meine Kinder sagen «Nein», meine Frau sagt «zu wenig». Ich denke, es passt so einigermassen. Aber wenn man in so einer Position anfängt, dann ist der Zeitaufwand zu Beginn natürlich grösser. Doch mit der Zeit kommt dann auch die Erfahrung und dann geht es leichter und schneller von der Hand.
Sie sind als sportlicher Familienmensch bekannt.
Im Winter gehe ich gerne Skifahren und bin dann gleichzeitig der «Servicemann» meines elfjährigen Sohnes, der Skirennen fährt. Ich darf ihm dann immer die Ausrüstung und die Jause hinterhertragen. Im Sommer mache ich Bergwanderungen und bin familiär bedingt Stammgast auf der Lindauer Hütte im Montafon. Und ich bin leidenschaftlicher Mitsegler. Ich liebe die Sonne und das Wasser.
Geht Ihre Familie da auch mit?
Ja. Heuer haben wir einen Katamaran bei Korfu für einen Segeltrip im Mittelmeer gemietet. Dort sind dann die gesamte Familie, also Frau, drei Söhne und zwei Schwiegertöchter in spe, mit von der Partie. Wir hatten die Idee, dass wir das jetzt mal einfach alle zusammen machen. (Interview: gübi)
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